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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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liebten, zur Erlangung seines guten Rechtes
führen konnte. Dann, als der erste Sturm
vorüber war, las er Clara's Brief aufs Neue
und verstand die Schönheit einer Seele, die
so zu entsagen vermochte. Er konnte die Zeit
nicht erwarten, in der es ihm vergönnt sein
würde, sie wiederzusehen, und durfte doch nicht
wagen, den ersehnten Augenblick herbeizufüh-
ren, ehe sie ihn dazu berechtigte. Sein Herz
war noch tief bewegt und übervoll, als der
Geist schon wieder zu seiner Klarheit gelangte
und sich an einem Gedanken mächtig empor-
rankte. Um sein Glück war es geschehen; sein
Leben hatte man der reinsten Freuden beraubt;
darum fühlte er den Muth, Alles von sich zu
werfen, sein Vaterland, seine Aussichten für
die Zukunft, selbst seine Freiheit, wenn es
sein mußte, um damit das Einzige zu erkau-
fen, das noch Werth für ihn hatte: die bür-
gerliche Emancipation seines Volkes. Diese

liebten, zur Erlangung ſeines guten Rechtes
führen konnte. Dann, als der erſte Sturm
vorüber war, las er Clara's Brief aufs Neue
und verſtand die Schönheit einer Seele, die
ſo zu entſagen vermochte. Er konnte die Zeit
nicht erwarten, in der es ihm vergönnt ſein
würde, ſie wiederzuſehen, und durfte doch nicht
wagen, den erſehnten Augenblick herbeizufüh-
ren, ehe ſie ihn dazu berechtigte. Sein Herz
war noch tief bewegt und übervoll, als der
Geiſt ſchon wieder zu ſeiner Klarheit gelangte
und ſich an einem Gedanken mächtig empor-
rankte. Um ſein Glück war es geſchehen; ſein
Leben hatte man der reinſten Freuden beraubt;
darum fühlte er den Muth, Alles von ſich zu
werfen, ſein Vaterland, ſeine Ausſichten für
die Zukunft, ſelbſt ſeine Freiheit, wenn es
ſein mußte, um damit das Einzige zu erkau-
fen, das noch Werth für ihn hatte: die bür-
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[382/0390] liebten, zur Erlangung ſeines guten Rechtes führen konnte. Dann, als der erſte Sturm vorüber war, las er Clara's Brief aufs Neue und verſtand die Schönheit einer Seele, die ſo zu entſagen vermochte. Er konnte die Zeit nicht erwarten, in der es ihm vergönnt ſein würde, ſie wiederzuſehen, und durfte doch nicht wagen, den erſehnten Augenblick herbeizufüh- ren, ehe ſie ihn dazu berechtigte. Sein Herz war noch tief bewegt und übervoll, als der Geiſt ſchon wieder zu ſeiner Klarheit gelangte und ſich an einem Gedanken mächtig empor- rankte. Um ſein Glück war es geſchehen; ſein Leben hatte man der reinſten Freuden beraubt; darum fühlte er den Muth, Alles von ſich zu werfen, ſein Vaterland, ſeine Ausſichten für die Zukunft, ſelbſt ſeine Freiheit, wenn es ſein mußte, um damit das Einzige zu erkau- fen, das noch Werth für ihn hatte: die bür- gerliche Emancipation ſeines Volkes. Dieſe

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/390>, abgerufen am 23.11.2024.