blinder Pfaffenglaube der ganzen Menschheit angelegt. Ich sah Dich, meine Clara! und ich hoffte, Du solltest die Aurora werden, welche ein neues Morgenroth der Aufklärung für unser ganzes Land verkündete. Denn nicht allein den Juden trifft der Wahnwitz dieses Hasses, er schlägt in gerechtem Undank selbst die Mutter, die ihn erzeugt. Auch Du! die Christin! erliegst ihm. Aber wer hieß Dich, einen Juden lieben? Warum wolltest Du lie- ben, was die Deinen hassen? Die Deinen, welche sich zu einer Religion der Liebe beken- nen! -- O! Christus wußte, wie der Haß zerfleischt, entmenscht, darum predigte er Liebe, und die Unwürdigen begriffen nur den Haß, vor dem er sie gewarnt."
"Aber ich wollte ruhig sein und nicht auch in Deine Seele den Widerschein der Fieber- gluth leuchten lassen, die in mir lodert! Ruhig denn! Seit ich Dich kenne, seit ich Dich
blinder Pfaffenglaube der ganzen Menſchheit angelegt. Ich ſah Dich, meine Clara! und ich hoffte, Du ſollteſt die Aurora werden, welche ein neues Morgenroth der Aufklärung für unſer ganzes Land verkündete. Denn nicht allein den Juden trifft der Wahnwitz dieſes Haſſes, er ſchlägt in gerechtem Undank ſelbſt die Mutter, die ihn erzeugt. Auch Du! die Chriſtin! erliegſt ihm. Aber wer hieß Dich, einen Juden lieben? Warum wollteſt Du lie- ben, was die Deinen haſſen? Die Deinen, welche ſich zu einer Religion der Liebe beken- nen! — O! Chriſtus wußte, wie der Haß zerfleiſcht, entmenſcht, darum predigte er Liebe, und die Unwürdigen begriffen nur den Haß, vor dem er ſie gewarnt.“
„Aber ich wollte ruhig ſein und nicht auch in Deine Seele den Widerſchein der Fieber- gluth leuchten laſſen, die in mir lodert! Ruhig denn! Seit ich Dich kenne, ſeit ich Dich
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blinder Pfaffenglaube der ganzen Menſchheit
angelegt. Ich ſah Dich, meine Clara! und
ich hoffte, Du ſollteſt die Aurora werden,
welche ein neues Morgenroth der Aufklärung
für unſer ganzes Land verkündete. Denn nicht
allein den Juden trifft der Wahnwitz dieſes
Haſſes, er ſchlägt in gerechtem Undank ſelbſt
die Mutter, die ihn erzeugt. Auch Du! die
Chriſtin! erliegſt ihm. Aber wer hieß Dich,
einen Juden lieben? Warum wollteſt Du lie-
ben, was die Deinen haſſen? Die Deinen,
welche ſich zu einer Religion der Liebe beken-
nen! — O! Chriſtus wußte, wie der Haß
zerfleiſcht, entmenſcht, darum predigte er Liebe,
und die Unwürdigen begriffen nur den Haß,
vor dem er ſie gewarnt.“
„Aber ich wollte ruhig ſein und nicht auch
in Deine Seele den Widerſchein der Fieber-
gluth leuchten laſſen, die in mir lodert! Ruhig
denn! Seit ich Dich kenne, ſeit ich Dich
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/373>, abgerufen am 24.11.2024.
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