Ruhe ebenso wenig einen Augenblick aus mei- ner Seele gekommen ist, als das Gefühl mei- ner Liebe! Der Schwäche mag ich schuldig sein, daß ich nicht immer den Wonnekelch von mir zu stoßen vermochte, den der Moment mir bot und nach dem mein Herz so glühend dürstete; doch falle mein Loos, wie es wolle, Du wirst mich Deiner würdig finden."
"Und das genügt, mein Sohn!" sprach der Vater. "Ich traue Dir, und wollte nichts, als Dich warnen, vor Dir selbst."
Damit trennten sich Vater und Sohn, Beide tief ergriffen und besorgt, aber ruhig im Aeu- ßern, wie sie es immer waren, obgleich Eduard nun mit doppelter Ungeduld die Entscheidung seines Schicksals herbeiwünschte.
Je länger er diese Liebe zu Clara in stiller Brust nährte, um so tiefer war sie in sein Herz gedrungen, und er konnte zwar sein Le- ben ohne Clara's Besitz denken, aber kein Glück
Ruhe ebenſo wenig einen Augenblick aus mei- ner Seele gekommen iſt, als das Gefühl mei- ner Liebe! Der Schwäche mag ich ſchuldig ſein, daß ich nicht immer den Wonnekelch von mir zu ſtoßen vermochte, den der Moment mir bot und nach dem mein Herz ſo glühend dürſtete; doch falle mein Loos, wie es wolle, Du wirſt mich Deiner würdig finden.“
„Und das genügt, mein Sohn!“ ſprach der Vater. „Ich traue Dir, und wollte nichts, als Dich warnen, vor Dir ſelbſt.“
Damit trennten ſich Vater und Sohn, Beide tief ergriffen und beſorgt, aber ruhig im Aeu- ßern, wie ſie es immer waren, obgleich Eduard nun mit doppelter Ungeduld die Entſcheidung ſeines Schickſals herbeiwünſchte.
Je länger er dieſe Liebe zu Clara in ſtiller Bruſt nährte, um ſo tiefer war ſie in ſein Herz gedrungen, und er konnte zwar ſein Le- ben ohne Clara's Beſitz denken, aber kein Glück
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Ruhe ebenſo wenig einen Augenblick aus mei-
ner Seele gekommen iſt, als das Gefühl mei-
ner Liebe! Der Schwäche mag ich ſchuldig
ſein, daß ich nicht immer den Wonnekelch von
mir zu ſtoßen vermochte, den der Moment
mir bot und nach dem mein Herz ſo glühend
dürſtete; doch falle mein Loos, wie es wolle,
Du wirſt mich Deiner würdig finden.“
„Und das genügt, mein Sohn!“ ſprach
der Vater. „Ich traue Dir, und wollte nichts,
als Dich warnen, vor Dir ſelbſt.“
Damit trennten ſich Vater und Sohn, Beide
tief ergriffen und beſorgt, aber ruhig im Aeu-
ßern, wie ſie es immer waren, obgleich Eduard
nun mit doppelter Ungeduld die Entſcheidung
ſeines Schickſals herbeiwünſchte.
Je länger er dieſe Liebe zu Clara in ſtiller
Bruſt nährte, um ſo tiefer war ſie in ſein
Herz gedrungen, und er konnte zwar ſein Le-
ben ohne Clara's Beſitz denken, aber kein Glück
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/362>, abgerufen am 24.11.2024.
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