zu Liebe habe ohne Diener gehen wollen, wie sie der Abend überrascht und sie eine entsetz- liche Angst ausgestanden habe. Die Pfarrerin suchte sie freundlich zu beruhigen und redete ihr zu, künftig Versuche der Art zu unterlas- sen. Sie selbst wollte ihrem Sohne sagen, daß er auch im Scherze nicht solche Anforde- rungen machen und Dinge verlangen dürfe, an die seine Braut weder gewöhnt sei, noch sich zu gewöhnen nöthig habe. Dann schob sie die Lampe in die Höhe, nöthigte Jenny, sich zu ihr auf das Sopha zu setzen, stellte das Theegeräth zurecht und fing, um sie zu zer- streuen an, ihr scherzend vorzuhalten, wie es gar nicht lange dauern würde, bis Jenny im eigenen Hause ebenso hausmütterlich schalten könne. "Dann brauchst Du, armes Kind", sagte sie, "nicht mehr so spät allein in Reli- gionsstunden zu gehen, und kannst dem Gustav, der Dich zu dieser unzeitigen Promenade ver-
zu Liebe habe ohne Diener gehen wollen, wie ſie der Abend überraſcht und ſie eine entſetz- liche Angſt ausgeſtanden habe. Die Pfarrerin ſuchte ſie freundlich zu beruhigen und redete ihr zu, künftig Verſuche der Art zu unterlaſ- ſen. Sie ſelbſt wollte ihrem Sohne ſagen, daß er auch im Scherze nicht ſolche Anforde- rungen machen und Dinge verlangen dürfe, an die ſeine Braut weder gewöhnt ſei, noch ſich zu gewöhnen nöthig habe. Dann ſchob ſie die Lampe in die Höhe, nöthigte Jenny, ſich zu ihr auf das Sopha zu ſetzen, ſtellte das Theegeräth zurecht und fing, um ſie zu zer- ſtreuen an, ihr ſcherzend vorzuhalten, wie es gar nicht lange dauern würde, bis Jenny im eigenen Hauſe ebenſo hausmütterlich ſchalten könne. „Dann brauchſt Du, armes Kind“, ſagte ſie, „nicht mehr ſo ſpät allein in Reli- gionsſtunden zu gehen, und kannſt dem Guſtav, der Dich zu dieſer unzeitigen Promenade ver-
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zu Liebe habe ohne Diener gehen wollen, wie
ſie der Abend überraſcht und ſie eine entſetz-
liche Angſt ausgeſtanden habe. Die Pfarrerin
ſuchte ſie freundlich zu beruhigen und redete
ihr zu, künftig Verſuche der Art zu unterlaſ-
ſen. Sie ſelbſt wollte ihrem Sohne ſagen,
daß er auch im Scherze nicht ſolche Anforde-
rungen machen und Dinge verlangen dürfe,
an die ſeine Braut weder gewöhnt ſei, noch
ſich zu gewöhnen nöthig habe. Dann ſchob ſie
die Lampe in die Höhe, nöthigte Jenny, ſich
zu ihr auf das Sopha zu ſetzen, ſtellte das
Theegeräth zurecht und fing, um ſie zu zer-
ſtreuen an, ihr ſcherzend vorzuhalten, wie es
gar nicht lange dauern würde, bis Jenny im
eigenen Hauſe ebenſo hausmütterlich ſchalten
könne. „Dann brauchſt Du, armes Kind“,
ſagte ſie, „nicht mehr ſo ſpät allein in Reli-
gionsſtunden zu gehen, und kannſt dem Guſtav,
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/331>, abgerufen am 25.11.2024.
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