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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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ebenso wohlbehalten heim zu bringen, als
ob sie gefahren wäre. Davon wollte jedoch
die Mutter nichts wissen. Sie versicherte, kein
Mensch habe jemals solche Visiten zu Fuß ge-
macht, und fügte hinzu: "Glauben Sie mir,
lieber Reinhard, Jenny ist gar nicht im Stande,
so weite Wege zu gehen."

"Ja, das ist übel", erwiderte Reinhard lä-
chelnd; "wie wird das werden, wenn wir
keine Equipage haben? Da wird sie sich doch
gewöhnen müssen!"

"Es ist ein Scherz, lieber Gustav!" sagte
Jenny. Du weißt, wir haben vorigen Som-
mer auf dem Lande ganz gewaltige Promena-
den gemacht und ich gehe viel lieber, als ich
fahre. Doch läßt sich das heute wol vereini-
gen. Wir machen einen Theil der Visiten, die
meine Mutter wünscht, zu Wagen, holen nach-
her Deine Mutter ab und fahren ein Stünd-
chen vor das Thor. Dann, wenn Du Lust

ebenſo wohlbehalten heim zu bringen, als
ob ſie gefahren wäre. Davon wollte jedoch
die Mutter nichts wiſſen. Sie verſicherte, kein
Menſch habe jemals ſolche Viſiten zu Fuß ge-
macht, und fügte hinzu: „Glauben Sie mir,
lieber Reinhard, Jenny iſt gar nicht im Stande,
ſo weite Wege zu gehen.“

„Ja, das iſt übel“, erwiderte Reinhard lä-
chelnd; „wie wird das werden, wenn wir
keine Equipage haben? Da wird ſie ſich doch
gewöhnen müſſen!“

„Es iſt ein Scherz, lieber Guſtav!“ ſagte
Jenny. Du weißt, wir haben vorigen Som-
mer auf dem Lande ganz gewaltige Promena-
den gemacht und ich gehe viel lieber, als ich
fahre. Doch läßt ſich das heute wol vereini-
gen. Wir machen einen Theil der Viſiten, die
meine Mutter wünſcht, zu Wagen, holen nach-
her Deine Mutter ab und fahren ein Stünd-
chen vor das Thor. Dann, wenn Du Luſt

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[275/0287] ebenſo wohlbehalten heim zu bringen, als ob ſie gefahren wäre. Davon wollte jedoch die Mutter nichts wiſſen. Sie verſicherte, kein Menſch habe jemals ſolche Viſiten zu Fuß ge- macht, und fügte hinzu: „Glauben Sie mir, lieber Reinhard, Jenny iſt gar nicht im Stande, ſo weite Wege zu gehen.“ „Ja, das iſt übel“, erwiderte Reinhard lä- chelnd; „wie wird das werden, wenn wir keine Equipage haben? Da wird ſie ſich doch gewöhnen müſſen!“ „Es iſt ein Scherz, lieber Guſtav!“ ſagte Jenny. Du weißt, wir haben vorigen Som- mer auf dem Lande ganz gewaltige Promena- den gemacht und ich gehe viel lieber, als ich fahre. Doch läßt ſich das heute wol vereini- gen. Wir machen einen Theil der Viſiten, die meine Mutter wünſcht, zu Wagen, holen nach- her Deine Mutter ab und fahren ein Stünd- chen vor das Thor. Dann, wenn Du Luſt

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/287>, abgerufen am 24.11.2024.