und Schonung gegen ihn zu üben. Deshalb ließ er ihn nicht zu Ende sprechen und fiel ihm mit den Worten in die Rede: "So aber gönne uns die Freude, zu zeigen, daß Jenny eine Wahl getroffen, die uns lieber ist, als alle Leute von Rang und Würden, die sie ausgeschlagen!" --
Damit war die Sache abgethan; indeß fühlte Eduard, daß seines Vaters Ansicht von Reinhard nicht ungegründet sei, und auch ihm wurde bange, ob der, den er mit vollstem Vertrauen seinen Freund nannte, sich zu Jen- ny's Gatten eigne. Doch war das nur eine vorübergehende Idee, die bald verschwand, wenn er sah, wie Reinhard's ganzes Wesen, seine stolze Kälte, seine schroffe Abgeschlossen- heit vor einem Blick Jenny's sich in Liebe auflöste; wie er in einer andern Atmosphäre zu athmen, Alles in anderm Lichte zu sehen
und Schonung gegen ihn zu üben. Deshalb ließ er ihn nicht zu Ende ſprechen und fiel ihm mit den Worten in die Rede: „So aber gönne uns die Freude, zu zeigen, daß Jenny eine Wahl getroffen, die uns lieber iſt, als alle Leute von Rang und Würden, die ſie ausgeſchlagen!“ —
Damit war die Sache abgethan; indeß fühlte Eduard, daß ſeines Vaters Anſicht von Reinhard nicht ungegründet ſei, und auch ihm wurde bange, ob der, den er mit vollſtem Vertrauen ſeinen Freund nannte, ſich zu Jen- ny's Gatten eigne. Doch war das nur eine vorübergehende Idee, die bald verſchwand, wenn er ſah, wie Reinhard's ganzes Weſen, ſeine ſtolze Kälte, ſeine ſchroffe Abgeſchloſſen- heit vor einem Blick Jenny's ſich in Liebe auflöſte; wie er in einer andern Atmoſphäre zu athmen, Alles in anderm Lichte zu ſehen
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und Schonung gegen ihn zu üben. Deshalb
ließ er ihn nicht zu Ende ſprechen und fiel
ihm mit den Worten in die Rede: „So aber
gönne uns die Freude, zu zeigen, daß Jenny
eine Wahl getroffen, die uns lieber iſt, als
alle Leute von Rang und Würden, die ſie
ausgeſchlagen!“ —
Damit war die Sache abgethan; indeß
fühlte Eduard, daß ſeines Vaters Anſicht von
Reinhard nicht ungegründet ſei, und auch ihm
wurde bange, ob der, den er mit vollſtem
Vertrauen ſeinen Freund nannte, ſich zu Jen-
ny's Gatten eigne. Doch war das nur eine
vorübergehende Idee, die bald verſchwand,
wenn er ſah, wie Reinhard's ganzes Weſen,
ſeine ſtolze Kälte, ſeine ſchroffe Abgeſchloſſen-
heit vor einem Blick Jenny's ſich in Liebe
auflöſte; wie er in einer andern Atmoſphäre
zu athmen, Alles in anderm Lichte zu ſehen
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/262>, abgerufen am 24.11.2024.
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