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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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ihn beurtheile, nur zu geneigt sein, ihr aus
den Unvollkommenheiten des Menschen über-
haupt einen persönlichen Fehler zu machen. Mit
einem Worte, Reinhard hat eine Art Ueber-
spannung in seinen Gefühlen, die mich für
Jenny's Glück besorgt macht.

Eduard konnte nicht leugnen, daß die Be-
merkung seines Vaters Wahrheit enthalte, ver-
theidigte den Freund aber lebhaft und meinte,
sein Vater verfalle in den an Reinhard gerüg-
ten Fehler, ein Ideal zu verlangen.

"Daß ich es Euch gerade herausgestehe, mir
ist eigentlich nichts genehm bei diesem Antrage.
Jenny soll Christin werden, auch das steht mir
nicht an", sagte der Vater.

"Und doch wünscht sie auch das!" bemerkte
Joseph.

"Nicht doch, mein Sohn! Ihr einziger
Wunsch ist Reinhard -- das Christenthum ein
Mittel zum Zwecke; das glaube mir, und gerade

ihn beurtheile, nur zu geneigt ſein, ihr aus
den Unvollkommenheiten des Menſchen über-
haupt einen perſönlichen Fehler zu machen. Mit
einem Worte, Reinhard hat eine Art Ueber-
ſpannung in ſeinen Gefühlen, die mich für
Jenny's Glück beſorgt macht.

Eduard konnte nicht leugnen, daß die Be-
merkung ſeines Vaters Wahrheit enthalte, ver-
theidigte den Freund aber lebhaft und meinte,
ſein Vater verfalle in den an Reinhard gerüg-
ten Fehler, ein Ideal zu verlangen.

„Daß ich es Euch gerade herausgeſtehe, mir
iſt eigentlich nichts genehm bei dieſem Antrage.
Jenny ſoll Chriſtin werden, auch das ſteht mir
nicht an“, ſagte der Vater.

„Und doch wünſcht ſie auch das!“ bemerkte
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Wunſch iſt Reinhard — das Chriſtenthum ein
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[237/0249] ihn beurtheile, nur zu geneigt ſein, ihr aus den Unvollkommenheiten des Menſchen über- haupt einen perſönlichen Fehler zu machen. Mit einem Worte, Reinhard hat eine Art Ueber- ſpannung in ſeinen Gefühlen, die mich für Jenny's Glück beſorgt macht. Eduard konnte nicht leugnen, daß die Be- merkung ſeines Vaters Wahrheit enthalte, ver- theidigte den Freund aber lebhaft und meinte, ſein Vater verfalle in den an Reinhard gerüg- ten Fehler, ein Ideal zu verlangen. „Daß ich es Euch gerade herausgeſtehe, mir iſt eigentlich nichts genehm bei dieſem Antrage. Jenny ſoll Chriſtin werden, auch das ſteht mir nicht an“, ſagte der Vater. „Und doch wünſcht ſie auch das!“ bemerkte Joſeph. „Nicht doch, mein Sohn! Ihr einziger Wunſch iſt Reinhard — das Chriſtenthum ein Mittel zum Zwecke; das glaube mir, und gerade

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/249>, abgerufen am 24.11.2024.