zu sehen; aber das verweigerte die Mutter, be- sorgt, die neue Aufregung könne der Tochter schädlich sein; doch versprach sie ihm, gleich zu Jenny zu gehen, ihr das Ergebniß der Unter- redung mitzutheilen, und entließ Reinhard mit den Worten: "Gehen Sie, Lieber, und grü- ßen Sie Ihre Mutter; ich hoffe, wir sehen uns morgen Alle recht glücklich wieder."
Je gespannter die Pfarrerin der Rückkehr ihres Sohnes geharrt, um so mehr erschreckte sie der Ernst in seinen Zügen. Er erzählte, wie Alles gekommen, wie er glaube, am Ziele seiner Hoffnungen zu stehen; er pries sich glück- lich, Jenny nun die Seine zu nennen, und doch fühlte seine Mutter, der keine Falte in der Seele ihres Sohnes verborgen war, daß ir- gend Etwas sein Glück störe. Und so war es wirklich. Reinhard war durch Jenny's Betra- gen bei seiner Ankunft auf eine Weise verletzt, die er so leicht nicht verschmerzen konnte. Zu
zu ſehen; aber das verweigerte die Mutter, be- ſorgt, die neue Aufregung könne der Tochter ſchädlich ſein; doch verſprach ſie ihm, gleich zu Jenny zu gehen, ihr das Ergebniß der Unter- redung mitzutheilen, und entließ Reinhard mit den Worten: „Gehen Sie, Lieber, und grü- ßen Sie Ihre Mutter; ich hoffe, wir ſehen uns morgen Alle recht glücklich wieder.“
Je geſpannter die Pfarrerin der Rückkehr ihres Sohnes geharrt, um ſo mehr erſchreckte ſie der Ernſt in ſeinen Zügen. Er erzählte, wie Alles gekommen, wie er glaube, am Ziele ſeiner Hoffnungen zu ſtehen; er pries ſich glück- lich, Jenny nun die Seine zu nennen, und doch fühlte ſeine Mutter, der keine Falte in der Seele ihres Sohnes verborgen war, daß ir- gend Etwas ſein Glück ſtöre. Und ſo war es wirklich. Reinhard war durch Jenny's Betra- gen bei ſeiner Ankunft auf eine Weiſe verletzt, die er ſo leicht nicht verſchmerzen konnte. Zu
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zu ſehen; aber das verweigerte die Mutter, be-
ſorgt, die neue Aufregung könne der Tochter
ſchädlich ſein; doch verſprach ſie ihm, gleich zu
Jenny zu gehen, ihr das Ergebniß der Unter-
redung mitzutheilen, und entließ Reinhard mit
den Worten: „Gehen Sie, Lieber, und grü-
ßen Sie Ihre Mutter; ich hoffe, wir ſehen
uns morgen Alle recht glücklich wieder.“
Je geſpannter die Pfarrerin der Rückkehr
ihres Sohnes geharrt, um ſo mehr erſchreckte
ſie der Ernſt in ſeinen Zügen. Er erzählte,
wie Alles gekommen, wie er glaube, am Ziele
ſeiner Hoffnungen zu ſtehen; er pries ſich glück-
lich, Jenny nun die Seine zu nennen, und
doch fühlte ſeine Mutter, der keine Falte in
der Seele ihres Sohnes verborgen war, daß ir-
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wirklich. Reinhard war durch Jenny's Betra-
gen bei ſeiner Ankunft auf eine Weiſe verletzt,
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/242>, abgerufen am 22.11.2024.
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