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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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Abschiedskuß. Wer weiß, ob die Tochter, die
ich Dir bringe, mich nicht aus Deinem Herzen
verdrängt!" Bei den Worten küßte er die Mut-
ter und eilte hinaus, ehe sie ihm Etwas ent-
gegnen konnte.

Besorgt sah die Pfarrerin dem Sohne nach,
dann faltete sie wie betend die Hände, und
schien, sein Schicksal dem Himmel anvertrauend,
Ruhe im Gebet zu finden.

Je schneller Reinhard dem Meierschen Hause
zugeeilt war, je auffallender mußte ihn der Ge-
gensatz überraschen, der sich ihm zwischen der
stillen Wohnung seiner Mutter und dem Trei-
ben in den Sälen bei Madame Meier heute
bot. Er hatte, wie es Jedem wol begegnet, sich
lebhaft vorgestellt, wie er Jenny, mit weiblicher
Arbeit beschäftigt, allein finden, wie sie ihn
willkommen heißen, ihn um sein Ausbleiben
fragen, und er ihr dann endlich sagen werde,
wie er sie liebe. Bis in die kleinsten Züge hin-

Abſchiedskuß. Wer weiß, ob die Tochter, die
ich Dir bringe, mich nicht aus Deinem Herzen
verdrängt!“ Bei den Worten küßte er die Mut-
ter und eilte hinaus, ehe ſie ihm Etwas ent-
gegnen konnte.

Beſorgt ſah die Pfarrerin dem Sohne nach,
dann faltete ſie wie betend die Hände, und
ſchien, ſein Schickſal dem Himmel anvertrauend,
Ruhe im Gebet zu finden.

Je ſchneller Reinhard dem Meierſchen Hauſe
zugeeilt war, je auffallender mußte ihn der Ge-
genſatz überraſchen, der ſich ihm zwiſchen der
ſtillen Wohnung ſeiner Mutter und dem Trei-
ben in den Sälen bei Madame Meier heute
bot. Er hatte, wie es Jedem wol begegnet, ſich
lebhaft vorgeſtellt, wie er Jenny, mit weiblicher
Arbeit beſchäftigt, allein finden, wie ſie ihn
willkommen heißen, ihn um ſein Ausbleiben
fragen, und er ihr dann endlich ſagen werde,
wie er ſie liebe. Bis in die kleinſten Züge hin-

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[215/0227] Abſchiedskuß. Wer weiß, ob die Tochter, die ich Dir bringe, mich nicht aus Deinem Herzen verdrängt!“ Bei den Worten küßte er die Mut- ter und eilte hinaus, ehe ſie ihm Etwas ent- gegnen konnte. Beſorgt ſah die Pfarrerin dem Sohne nach, dann faltete ſie wie betend die Hände, und ſchien, ſein Schickſal dem Himmel anvertrauend, Ruhe im Gebet zu finden. Je ſchneller Reinhard dem Meierſchen Hauſe zugeeilt war, je auffallender mußte ihn der Ge- genſatz überraſchen, der ſich ihm zwiſchen der ſtillen Wohnung ſeiner Mutter und dem Trei- ben in den Sälen bei Madame Meier heute bot. Er hatte, wie es Jedem wol begegnet, ſich lebhaft vorgeſtellt, wie er Jenny, mit weiblicher Arbeit beſchäftigt, allein finden, wie ſie ihn willkommen heißen, ihn um ſein Ausbleiben fragen, und er ihr dann endlich ſagen werde, wie er ſie liebe. Bis in die kleinſten Züge hin-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/227>, abgerufen am 22.11.2024.