Und der starke Mann bebte wie ein schwa- ches Mädchen, und sprach aus beklommener Brust: "Ich liebe Jenny Meier, und sah sie an der Brust ihres Vetters!"
Auch die Pfarrerin fuhr zusammen. "Ar- mer Sohn", sprach sie, "also ist sie Joseph's Braut? Und ich glaubte, sie theile Deine Liebe, die ich lange schon erkannt."
"Sieh Mutter, das ist es! Auch ich habe an ihre Liebe geglaubt, ich bete sie an, sie ist der Gedanke meiner Tage, der ewige Traum meiner Nächte, und nun!"
Aufs Neue drang seine Mutter in ihn, ihr genau zu berichten, was vorgefallen sei. Rein- hard's Erzählung, von den leidenschaftlichsten Klagen unterbrochen, ließ sie einsehen, daß ih- res Sohnes Eifersucht der Geliebten Unrecht gethan haben mochte. Sie fragte ihn, ob er Jenny seine Liebe bekannt habe?
"Niemals!" antwortete er. "Ein mir sonst
Und der ſtarke Mann bebte wie ein ſchwa- ches Mädchen, und ſprach aus beklommener Bruſt: „Ich liebe Jenny Meier, und ſah ſie an der Bruſt ihres Vetters!“
Auch die Pfarrerin fuhr zuſammen. „Ar- mer Sohn“, ſprach ſie, „alſo iſt ſie Joſeph's Braut? Und ich glaubte, ſie theile Deine Liebe, die ich lange ſchon erkannt.“
„Sieh Mutter, das iſt es! Auch ich habe an ihre Liebe geglaubt, ich bete ſie an, ſie iſt der Gedanke meiner Tage, der ewige Traum meiner Nächte, und nun!“
Aufs Neue drang ſeine Mutter in ihn, ihr genau zu berichten, was vorgefallen ſei. Rein- hard's Erzählung, von den leidenſchaftlichſten Klagen unterbrochen, ließ ſie einſehen, daß ih- res Sohnes Eiferſucht der Geliebten Unrecht gethan haben mochte. Sie fragte ihn, ob er Jenny ſeine Liebe bekannt habe?
„Niemals!“ antwortete er. „Ein mir ſonſt
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0186"n="174"/><p>Und der ſtarke Mann bebte wie ein ſchwa-<lb/>
ches Mädchen, und ſprach aus beklommener<lb/>
Bruſt: „Ich liebe Jenny Meier, und ſah ſie<lb/>
an der Bruſt ihres Vetters!“</p><lb/><p>Auch die Pfarrerin fuhr zuſammen. „Ar-<lb/>
mer Sohn“, ſprach ſie, „alſo iſt ſie Joſeph's<lb/>
Braut? Und ich glaubte, ſie theile Deine Liebe,<lb/>
die ich lange ſchon erkannt.“</p><lb/><p>„Sieh Mutter, das iſt es! Auch ich habe<lb/>
an ihre Liebe geglaubt, ich bete ſie an, ſie iſt<lb/>
der Gedanke meiner Tage, der ewige Traum<lb/>
meiner Nächte, und nun!“</p><lb/><p>Aufs Neue drang ſeine Mutter in ihn, ihr<lb/>
genau zu berichten, was vorgefallen ſei. Rein-<lb/>
hard's Erzählung, von den leidenſchaftlichſten<lb/>
Klagen unterbrochen, ließ ſie einſehen, daß ih-<lb/>
res Sohnes Eiferſucht der Geliebten Unrecht<lb/>
gethan haben mochte. Sie fragte ihn, ob er<lb/>
Jenny ſeine Liebe bekannt habe?</p><lb/><p>„Niemals!“ antwortete er. „Ein mir ſonſt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[174/0186]
Und der ſtarke Mann bebte wie ein ſchwa-
ches Mädchen, und ſprach aus beklommener
Bruſt: „Ich liebe Jenny Meier, und ſah ſie
an der Bruſt ihres Vetters!“
Auch die Pfarrerin fuhr zuſammen. „Ar-
mer Sohn“, ſprach ſie, „alſo iſt ſie Joſeph's
Braut? Und ich glaubte, ſie theile Deine Liebe,
die ich lange ſchon erkannt.“
„Sieh Mutter, das iſt es! Auch ich habe
an ihre Liebe geglaubt, ich bete ſie an, ſie iſt
der Gedanke meiner Tage, der ewige Traum
meiner Nächte, und nun!“
Aufs Neue drang ſeine Mutter in ihn, ihr
genau zu berichten, was vorgefallen ſei. Rein-
hard's Erzählung, von den leidenſchaftlichſten
Klagen unterbrochen, ließ ſie einſehen, daß ih-
res Sohnes Eiferſucht der Geliebten Unrecht
gethan haben mochte. Sie fragte ihn, ob er
Jenny ſeine Liebe bekannt habe?
„Niemals!“ antwortete er. „Ein mir ſonſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/186>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.