Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

"Und sie ist nicht Ihre Braut?" fragte
Reinhard weiter.

"Nein!" war die entschiedene Erwiderung.

"Aber Sie lieben Jenny? Was bedeutet
sonst die Scene, die ich gesehen?"

"Darüber brauche ich Ihnen keine Auskunft
zu geben, und es ist mehr als Sie fragen dür-
fen, wenn Sie Fräulein Meier die Achtung
zollen, die sie zu fordern berechtigt ist", sagte
Joseph tadelnd.

Reinhard wollte eben eine heftige Entgeg-
nung machen, denn die lebhafteste Eifersucht
raubte ihm fast die Besinnung; doch bezwang
er sich gewaltsam, und sprach mit erkünstelter
Ruhe: "Ich muß es darauf ankommen lassen,
wie Sie über mich in diesem Augenblick ur-
theilen mögen. Vielleicht gelingt es mir bald,
Ihnen in günstigerem Lichte zu erscheinen, und
mein Betragen vor Ihnen zu rechtfertigen." --
Mit den Worten verließ er Joseph, der ge-

„Und ſie iſt nicht Ihre Braut?“ fragte
Reinhard weiter.

„Nein!“ war die entſchiedene Erwiderung.

„Aber Sie lieben Jenny? Was bedeutet
ſonſt die Scene, die ich geſehen?“

„Darüber brauche ich Ihnen keine Auskunft
zu geben, und es iſt mehr als Sie fragen dür-
fen, wenn Sie Fräulein Meier die Achtung
zollen, die ſie zu fordern berechtigt iſt“, ſagte
Joſeph tadelnd.

Reinhard wollte eben eine heftige Entgeg-
nung machen, denn die lebhafteſte Eiferſucht
raubte ihm faſt die Beſinnung; doch bezwang
er ſich gewaltſam, und ſprach mit erkünſtelter
Ruhe: „Ich muß es darauf ankommen laſſen,
wie Sie über mich in dieſem Augenblick ur-
theilen mögen. Vielleicht gelingt es mir bald,
Ihnen in günſtigerem Lichte zu erſcheinen, und
mein Betragen vor Ihnen zu rechtfertigen.“ —
Mit den Worten verließ er Joſeph, der ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0182" n="170"/>
        <p>&#x201E;Und &#x017F;ie i&#x017F;t nicht Ihre Braut?&#x201C; fragte<lb/>
Reinhard weiter.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein!&#x201C; war die ent&#x017F;chiedene Erwiderung.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber Sie lieben Jenny? Was bedeutet<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t die Scene, die ich ge&#x017F;ehen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Darüber brauche ich Ihnen keine Auskunft<lb/>
zu geben, und es i&#x017F;t mehr als Sie fragen dür-<lb/>
fen, wenn Sie Fräulein Meier die Achtung<lb/>
zollen, die &#x017F;ie zu fordern berechtigt i&#x017F;t&#x201C;, &#x017F;agte<lb/>
Jo&#x017F;eph tadelnd.</p><lb/>
        <p>Reinhard wollte eben eine heftige Entgeg-<lb/>
nung machen, denn die lebhafte&#x017F;te Eifer&#x017F;ucht<lb/>
raubte ihm fa&#x017F;t die Be&#x017F;innung; doch bezwang<lb/>
er &#x017F;ich gewalt&#x017F;am, und &#x017F;prach mit erkün&#x017F;telter<lb/>
Ruhe: &#x201E;Ich muß es darauf ankommen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wie Sie über mich in die&#x017F;em Augenblick ur-<lb/>
theilen mögen. Vielleicht gelingt es mir bald,<lb/>
Ihnen in gün&#x017F;tigerem Lichte zu er&#x017F;cheinen, und<lb/>
mein Betragen vor Ihnen zu rechtfertigen.&#x201C; &#x2014;<lb/>
Mit den Worten verließ er Jo&#x017F;eph, der ge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0182] „Und ſie iſt nicht Ihre Braut?“ fragte Reinhard weiter. „Nein!“ war die entſchiedene Erwiderung. „Aber Sie lieben Jenny? Was bedeutet ſonſt die Scene, die ich geſehen?“ „Darüber brauche ich Ihnen keine Auskunft zu geben, und es iſt mehr als Sie fragen dür- fen, wenn Sie Fräulein Meier die Achtung zollen, die ſie zu fordern berechtigt iſt“, ſagte Joſeph tadelnd. Reinhard wollte eben eine heftige Entgeg- nung machen, denn die lebhafteſte Eiferſucht raubte ihm faſt die Beſinnung; doch bezwang er ſich gewaltſam, und ſprach mit erkünſtelter Ruhe: „Ich muß es darauf ankommen laſſen, wie Sie über mich in dieſem Augenblick ur- theilen mögen. Vielleicht gelingt es mir bald, Ihnen in günſtigerem Lichte zu erſcheinen, und mein Betragen vor Ihnen zu rechtfertigen.“ — Mit den Worten verließ er Joſeph, der ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/182
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/182>, abgerufen am 25.11.2024.