mag, für die unterdrückte Nation zu wirken, der ich angehöre; sie frei zu machen, aus Skla- venfesseln, die Jahrhunderte auf ihr lasten. Wie mag ich mein Glück, das Glück des Ein- zelnen, so hoch schätzen, während mein ganzes Volk nicht glücklich ist! Ehe ich meineidig werde an den Meinen und meiner Ehre, mag dies Herz brechen in Sehnsucht nach der Ge- liebten, nach meiner süßen, schönen Clara!" Und wieder und immer wieder wollte der männ- liche Entschluß wankend werden, bei dem Ge- danken an die Geliebte. Eduard malte es sich aus, wie auch Clara's Seele leiden werde unter der Trennung, die er über sie und sich verhän- gen müsse -- wie sie ihm zürnen werde, weil er so großes Weh über sie bringe -- und doch vermochte er noch weniger den Gedanken zu ertragen, sich und ihr durch die Taufe alle diese Schmerzen zu ersparen und sich mit ihr zu verbinden. Er war entschlossen und re-
mag, für die unterdrückte Nation zu wirken, der ich angehöre; ſie frei zu machen, aus Skla- venfeſſeln, die Jahrhunderte auf ihr laſten. Wie mag ich mein Glück, das Glück des Ein- zelnen, ſo hoch ſchätzen, während mein ganzes Volk nicht glücklich iſt! Ehe ich meineidig werde an den Meinen und meiner Ehre, mag dies Herz brechen in Sehnſucht nach der Ge- liebten, nach meiner ſüßen, ſchönen Clara!“ Und wieder und immer wieder wollte der männ- liche Entſchluß wankend werden, bei dem Ge- danken an die Geliebte. Eduard malte es ſich aus, wie auch Clara's Seele leiden werde unter der Trennung, die er über ſie und ſich verhän- gen müſſe — wie ſie ihm zürnen werde, weil er ſo großes Weh über ſie bringe — und doch vermochte er noch weniger den Gedanken zu ertragen, ſich und ihr durch die Taufe alle dieſe Schmerzen zu erſparen und ſich mit ihr zu verbinden. Er war entſchloſſen und re-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0158"n="146"/>
mag, für die unterdrückte Nation zu wirken,<lb/>
der ich angehöre; ſie frei zu machen, aus Skla-<lb/>
venfeſſeln, die Jahrhunderte auf ihr laſten.<lb/>
Wie mag ich mein Glück, das Glück des Ein-<lb/>
zelnen, ſo hoch ſchätzen, während mein ganzes<lb/>
Volk nicht glücklich iſt! Ehe ich meineidig<lb/>
werde an den Meinen und meiner Ehre, mag<lb/>
dies Herz brechen in Sehnſucht nach der Ge-<lb/>
liebten, nach meiner ſüßen, ſchönen Clara!“<lb/>
Und wieder und immer wieder wollte der männ-<lb/>
liche Entſchluß wankend werden, bei dem Ge-<lb/>
danken an die Geliebte. Eduard malte es ſich<lb/>
aus, wie auch Clara's Seele leiden werde unter<lb/>
der Trennung, die er über ſie und ſich verhän-<lb/>
gen müſſe — wie ſie ihm zürnen werde, weil<lb/>
er ſo großes Weh über ſie bringe — und doch<lb/>
vermochte er noch weniger den Gedanken zu<lb/>
ertragen, ſich und ihr durch die Taufe alle<lb/>
dieſe Schmerzen zu erſparen und ſich mit ihr<lb/>
zu verbinden. Er war entſchloſſen und re-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[146/0158]
mag, für die unterdrückte Nation zu wirken,
der ich angehöre; ſie frei zu machen, aus Skla-
venfeſſeln, die Jahrhunderte auf ihr laſten.
Wie mag ich mein Glück, das Glück des Ein-
zelnen, ſo hoch ſchätzen, während mein ganzes
Volk nicht glücklich iſt! Ehe ich meineidig
werde an den Meinen und meiner Ehre, mag
dies Herz brechen in Sehnſucht nach der Ge-
liebten, nach meiner ſüßen, ſchönen Clara!“
Und wieder und immer wieder wollte der männ-
liche Entſchluß wankend werden, bei dem Ge-
danken an die Geliebte. Eduard malte es ſich
aus, wie auch Clara's Seele leiden werde unter
der Trennung, die er über ſie und ſich verhän-
gen müſſe — wie ſie ihm zürnen werde, weil
er ſo großes Weh über ſie bringe — und doch
vermochte er noch weniger den Gedanken zu
ertragen, ſich und ihr durch die Taufe alle
dieſe Schmerzen zu erſparen und ſich mit ihr
zu verbinden. Er war entſchloſſen und re-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/158>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.