nen der bittersten Reue vergoß. Sie wußte, daß sie Reinhard verletzt hatte, und wollte ver- gehen vor Gram und Beschämung. So hatte sie heute nicht von Reinhard zu scheiden ge- glaubt, -- keinen Blick hatte er für sie gehabt, und jetzt wußte er doch, daß sie ihn liebte.
Clara Horn lag, während sich dies Alles begab, leidend an unsäglichen Schmerzen auf ihrem Lager. Jung, schön und gut, umgeben von Reichthum und Luxus, hatte sie doch nie- mals das Glück gekannt, für das allein sie ge- schaffen schien. In ihrem väterlichen Hause war die unglückliche Ehe ihrer Eltern für sie eine Quelle des bittersten Leidens geworden. Nur der Wunsch, sich zu poussiren, hatte Horn einst dazu vermocht, um seine Gattin zu werben, die, wie schon früher erwähnt, einer der angesehen- sten Familien der Kaufmannsaristokratie ange-
nen der bitterſten Reue vergoß. Sie wußte, daß ſie Reinhard verletzt hatte, und wollte ver- gehen vor Gram und Beſchämung. So hatte ſie heute nicht von Reinhard zu ſcheiden ge- glaubt, — keinen Blick hatte er für ſie gehabt, und jetzt wußte er doch, daß ſie ihn liebte.
Clara Horn lag, während ſich dies Alles begab, leidend an unſäglichen Schmerzen auf ihrem Lager. Jung, ſchön und gut, umgeben von Reichthum und Luxus, hatte ſie doch nie- mals das Glück gekannt, für das allein ſie ge- ſchaffen ſchien. In ihrem väterlichen Hauſe war die unglückliche Ehe ihrer Eltern für ſie eine Quelle des bitterſten Leidens geworden. Nur der Wunſch, ſich zu pouſſiren, hatte Horn einſt dazu vermocht, um ſeine Gattin zu werben, die, wie ſchon früher erwähnt, einer der angeſehen- ſten Familien der Kaufmannsariſtokratie ange-
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nen der bitterſten Reue vergoß. Sie wußte,
daß ſie Reinhard verletzt hatte, und wollte ver-
gehen vor Gram und Beſchämung. So hatte
ſie heute nicht von Reinhard zu ſcheiden ge-
glaubt, — keinen Blick hatte er für ſie gehabt,
und jetzt wußte er doch, daß ſie ihn liebte.
Clara Horn lag, während ſich dies Alles
begab, leidend an unſäglichen Schmerzen auf
ihrem Lager. Jung, ſchön und gut, umgeben
von Reichthum und Luxus, hatte ſie doch nie-
mals das Glück gekannt, für das allein ſie ge-
ſchaffen ſchien. In ihrem väterlichen Hauſe war
die unglückliche Ehe ihrer Eltern für ſie eine
Quelle des bitterſten Leidens geworden. Nur
der Wunſch, ſich zu pouſſiren, hatte Horn einſt
dazu vermocht, um ſeine Gattin zu werben, die,
wie ſchon früher erwähnt, einer der angeſehen-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/124>, abgerufen am 24.11.2024.
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