Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Achter Brief. Berlin, Juni 1869. Es sind nun sechs Monate her, daß man hier in Berlin das erste Asyl für obdachlose Frauen errichtet hat, und die Sache ist so einfach und so zweckmäßig als möglich angefangen worden. Das Comite, welches sich diesem guten Werke unterzog, hatte nur über geringe Mittel zu verfügen, man konnte also nicht daran denken, ein eigenes Haus für das Asyl zu erwerben, sondern mußte froh sein, daß man in den alten Gebäuden ein Unterkommen fand, welche, an der Ecke der Dorotheenstraße, zunächst der Weidendammerbrücke, gelegen, bis dahin, wie ich glaube, zu Artillerie-Werkstätten benutzt worden waren. Man hatte zu der Eröffnung des Asyls eine Anzahl Einladungen ausgesendet, aber die Zahl der herbeigekommenen Personen war gering, und es waren, mich ausgenommen, nur Männer anwesend. Ich weiß nicht, ob den anderen Frauen, die ihres Obdaches sicher sind, das Unternehmen nicht so segensreich und so nothwendig erschien, als mir, aber ich war von dem Mangel an Theilnahme von Seiten der Frauen überrascht, da die Achter Brief. Berlin, Juni 1869. Es sind nun sechs Monate her, daß man hier in Berlin das erste Asyl für obdachlose Frauen errichtet hat, und die Sache ist so einfach und so zweckmäßig als möglich angefangen worden. Das Comité, welches sich diesem guten Werke unterzog, hatte nur über geringe Mittel zu verfügen, man konnte also nicht daran denken, ein eigenes Haus für das Asyl zu erwerben, sondern mußte froh sein, daß man in den alten Gebäuden ein Unterkommen fand, welche, an der Ecke der Dorotheenstraße, zunächst der Weidendammerbrücke, gelegen, bis dahin, wie ich glaube, zu Artillerie-Werkstätten benutzt worden waren. Man hatte zu der Eröffnung des Asyls eine Anzahl Einladungen ausgesendet, aber die Zahl der herbeigekommenen Personen war gering, und es waren, mich ausgenommen, nur Männer anwesend. Ich weiß nicht, ob den anderen Frauen, die ihres Obdaches sicher sind, das Unternehmen nicht so segensreich und so nothwendig erschien, als mir, aber ich war von dem Mangel an Theilnahme von Seiten der Frauen überrascht, da die <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0080" n="[70]"/> <div n="1"> <head>Achter Brief.<lb/></head> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Berlin</hi>, Juni 1869.</hi> </p> <p>Es sind nun sechs Monate her, daß man hier in Berlin das erste Asyl für obdachlose Frauen errichtet hat, und die Sache ist so einfach und so zweckmäßig als möglich angefangen worden. Das Comité, welches sich diesem guten Werke unterzog, hatte nur über geringe Mittel zu verfügen, man konnte also nicht daran denken, ein eigenes Haus für das Asyl zu erwerben, sondern mußte froh sein, daß man in den alten Gebäuden ein Unterkommen fand, welche, an der Ecke der Dorotheenstraße, zunächst der Weidendammerbrücke, gelegen, bis dahin, wie ich glaube, zu Artillerie-Werkstätten benutzt worden waren.</p> <p>Man hatte zu der Eröffnung des Asyls eine Anzahl Einladungen ausgesendet, aber die Zahl der herbeigekommenen Personen war gering, und es waren, mich ausgenommen, nur Männer anwesend. Ich weiß nicht, ob den anderen Frauen, die ihres Obdaches sicher sind, das Unternehmen nicht so segensreich und so nothwendig erschien, als mir, aber ich war von dem Mangel an Theilnahme von Seiten der Frauen überrascht, da die </p> </div> </body> </text> </TEI> [[70]/0080]
Achter Brief.
Berlin, Juni 1869.
Es sind nun sechs Monate her, daß man hier in Berlin das erste Asyl für obdachlose Frauen errichtet hat, und die Sache ist so einfach und so zweckmäßig als möglich angefangen worden. Das Comité, welches sich diesem guten Werke unterzog, hatte nur über geringe Mittel zu verfügen, man konnte also nicht daran denken, ein eigenes Haus für das Asyl zu erwerben, sondern mußte froh sein, daß man in den alten Gebäuden ein Unterkommen fand, welche, an der Ecke der Dorotheenstraße, zunächst der Weidendammerbrücke, gelegen, bis dahin, wie ich glaube, zu Artillerie-Werkstätten benutzt worden waren.
Man hatte zu der Eröffnung des Asyls eine Anzahl Einladungen ausgesendet, aber die Zahl der herbeigekommenen Personen war gering, und es waren, mich ausgenommen, nur Männer anwesend. Ich weiß nicht, ob den anderen Frauen, die ihres Obdaches sicher sind, das Unternehmen nicht so segensreich und so nothwendig erschien, als mir, aber ich war von dem Mangel an Theilnahme von Seiten der Frauen überrascht, da die
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