Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.hat, von der Tertia oder von der Secunda in das Vaterhaus zurücknimmt, sie in eine Lehre für den Erwerb, sie in eine Stelle unterzubringen, für welche die Kenntnisse eines Tertianers oder Secundaners ausreichen, oder sie im Haushalt der eigenen Familie zu verwenden; und ich bin fest überzeugt, daß keinem Frauenzimmer die mehrjährige strenge Disciplin einer ordentlichen Lehranstalt, daß ein folgerechtes Arbeiten ihm schaden, daß es die Frauen weniger geeignet machen kann, ihren Pflichten innerhalb des Hauses und der Familie vorzustehen. Gerade im Gegentheil. Was den Frauen fehlt, ist ja nach der Männer Urtheil eben die nachhaltige Tüchtigkeit. Man sagt uns, unser Wissen sei oberflächlich, und man hat vollkommen Recht -- aber die Art, in der wir in den "höheren Töchterschulen" (der bloße Titel ist schon eine Abgeschmacktheit) unterrichtet werden, ist darauf angelegt, uns oberflächlich zu machen. In wenig Jahren, mit mäßiger Mühe sollen wir erlernen, wozu man dem jungen Manne ruhig seine zehn, zwölf Jahre vergönnt, und daneben sollen wir von unserm achten bis in unser fünfzehntes Jahr, wo möglich noch Claviervirtuosin werden, Englisch und Französisch und Italienisch lernen, nach der Natur zeichnen, in feinen Handarbeiten und in häuslichen Handarbeiten bewandert und geübt sein, und Tanzen gelernt haben. -- Da das nun eine reine Unmöglichkeit ist, so bringt man uns von dem allem ein klein Bischen hat, von der Tertia oder von der Secunda in das Vaterhaus zurücknimmt, sie in eine Lehre für den Erwerb, sie in eine Stelle unterzubringen, für welche die Kenntnisse eines Tertianers oder Secundaners ausreichen, oder sie im Haushalt der eigenen Familie zu verwenden; und ich bin fest überzeugt, daß keinem Frauenzimmer die mehrjährige strenge Disciplin einer ordentlichen Lehranstalt, daß ein folgerechtes Arbeiten ihm schaden, daß es die Frauen weniger geeignet machen kann, ihren Pflichten innerhalb des Hauses und der Familie vorzustehen. Gerade im Gegentheil. Was den Frauen fehlt, ist ja nach der Männer Urtheil eben die nachhaltige Tüchtigkeit. Man sagt uns, unser Wissen sei oberflächlich, und man hat vollkommen Recht — aber die Art, in der wir in den »höheren Töchterschulen« (der bloße Titel ist schon eine Abgeschmacktheit) unterrichtet werden, ist darauf angelegt, uns oberflächlich zu machen. In wenig Jahren, mit mäßiger Mühe sollen wir erlernen, wozu man dem jungen Manne ruhig seine zehn, zwölf Jahre vergönnt, und daneben sollen wir von unserm achten bis in unser fünfzehntes Jahr, wo möglich noch Claviervirtuosin werden, Englisch und Französisch und Italienisch lernen, nach der Natur zeichnen, in feinen Handarbeiten und in häuslichen Handarbeiten bewandert und geübt sein, und Tanzen gelernt haben. — Da das nun eine reine Unmöglichkeit ist, so bringt man uns von dem allem ein klein Bischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="66"/> hat, von der Tertia oder von der Secunda in das Vaterhaus zurücknimmt, sie in eine Lehre für den Erwerb, sie in eine Stelle unterzubringen, für welche die Kenntnisse eines Tertianers oder Secundaners ausreichen, oder sie im Haushalt der eigenen Familie zu verwenden; und ich bin fest überzeugt, daß keinem Frauenzimmer die mehrjährige strenge Disciplin einer ordentlichen Lehranstalt, daß ein folgerechtes Arbeiten ihm schaden, daß es die Frauen weniger geeignet machen kann, ihren Pflichten innerhalb des Hauses und der Familie vorzustehen. Gerade im Gegentheil.</p> <p>Was den Frauen fehlt, ist ja nach der Männer Urtheil eben die nachhaltige Tüchtigkeit. Man sagt uns, unser Wissen sei oberflächlich, und man hat vollkommen Recht — aber die Art, in der wir in den »höheren Töchterschulen« (der bloße Titel ist schon eine Abgeschmacktheit) unterrichtet werden, ist darauf angelegt, uns oberflächlich zu machen. In wenig Jahren, mit mäßiger Mühe sollen wir erlernen, wozu man dem jungen Manne ruhig seine zehn, zwölf Jahre vergönnt, und daneben sollen wir von unserm achten bis in unser fünfzehntes Jahr, wo möglich noch Claviervirtuosin werden, Englisch und Französisch und Italienisch lernen, nach der Natur zeichnen, in feinen Handarbeiten und in häuslichen Handarbeiten bewandert und geübt sein, und Tanzen gelernt haben. — Da das nun eine reine Unmöglichkeit ist, so bringt man uns von dem allem ein klein Bischen </p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0076]
hat, von der Tertia oder von der Secunda in das Vaterhaus zurücknimmt, sie in eine Lehre für den Erwerb, sie in eine Stelle unterzubringen, für welche die Kenntnisse eines Tertianers oder Secundaners ausreichen, oder sie im Haushalt der eigenen Familie zu verwenden; und ich bin fest überzeugt, daß keinem Frauenzimmer die mehrjährige strenge Disciplin einer ordentlichen Lehranstalt, daß ein folgerechtes Arbeiten ihm schaden, daß es die Frauen weniger geeignet machen kann, ihren Pflichten innerhalb des Hauses und der Familie vorzustehen. Gerade im Gegentheil.
Was den Frauen fehlt, ist ja nach der Männer Urtheil eben die nachhaltige Tüchtigkeit. Man sagt uns, unser Wissen sei oberflächlich, und man hat vollkommen Recht — aber die Art, in der wir in den »höheren Töchterschulen« (der bloße Titel ist schon eine Abgeschmacktheit) unterrichtet werden, ist darauf angelegt, uns oberflächlich zu machen. In wenig Jahren, mit mäßiger Mühe sollen wir erlernen, wozu man dem jungen Manne ruhig seine zehn, zwölf Jahre vergönnt, und daneben sollen wir von unserm achten bis in unser fünfzehntes Jahr, wo möglich noch Claviervirtuosin werden, Englisch und Französisch und Italienisch lernen, nach der Natur zeichnen, in feinen Handarbeiten und in häuslichen Handarbeiten bewandert und geübt sein, und Tanzen gelernt haben. — Da das nun eine reine Unmöglichkeit ist, so bringt man uns von dem allem ein klein Bischen
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