Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.meine Freundin Elisabeth Jerichow ist Mitglied der kopenhagener Academie und Besitzer so und so vieler goldener Preismedaillen -- und ich? -- Nun, den Satz ergänzen Sie! Aber es geht uns Frauen eigen! Wir müssen noch immer wie die Neger es besonders darthun, daß wir, wie ich es vorhin nannte, entwicklungsfähig sind. Rahel Varnhagen sagt einmal in irgend einem ihrer Briefe: "Häßliche Frauenzimmer und Jüdinnen sind immer übel daran. Sie müssen erst immer beweisen, daß sie liebenswürdig sind." Im Großen und Ganzen genommen, befinden sich alle Frauen mit ihrer geistigen Begabung in der gleichen Lage. Man streitet ihnen die Befähigung für diesen und jenen Zweig des Wissens ab und bedenkt nicht, daß ihnen bisher fast jede Gelegenheit versagt war, sich in den Wissenschaften auszubilden. Wir sollen schwimmen und haben es nicht gelernt! Und nun man an die Möglichkeit zu glauben anfängt, daß wir so gut wie die Männer vorwärts kommen könnten -- verfällt man wieder in den alten Fehler, für uns ausnahmsweise ganz besondere Unterrichtswege einzuschlagen oder vorzubereiten. Das ist mir lebhaft entgegengetreten, als man hier in Berlin vor etwa einem Vierteljahre das Victoria-Lyceum eröffnet hat, und fällt mir immer wieder ein, wenn man davon spricht, eine Universität für Frauen zu errichten. meine Freundin Elisabeth Jerichow ist Mitglied der kopenhagener Academie und Besitzer so und so vieler goldener Preismedaillen — und ich? — Nun, den Satz ergänzen Sie! Aber es geht uns Frauen eigen! Wir müssen noch immer wie die Neger es besonders darthun, daß wir, wie ich es vorhin nannte, entwicklungsfähig sind. Rahel Varnhagen sagt einmal in irgend einem ihrer Briefe: »Häßliche Frauenzimmer und Jüdinnen sind immer übel daran. Sie müssen erst immer beweisen, daß sie liebenswürdig sind.« Im Großen und Ganzen genommen, befinden sich alle Frauen mit ihrer geistigen Begabung in der gleichen Lage. Man streitet ihnen die Befähigung für diesen und jenen Zweig des Wissens ab und bedenkt nicht, daß ihnen bisher fast jede Gelegenheit versagt war, sich in den Wissenschaften auszubilden. Wir sollen schwimmen und haben es nicht gelernt! Und nun man an die Möglichkeit zu glauben anfängt, daß wir so gut wie die Männer vorwärts kommen könnten — verfällt man wieder in den alten Fehler, für uns ausnahmsweise ganz besondere Unterrichtswege einzuschlagen oder vorzubereiten. Das ist mir lebhaft entgegengetreten, als man hier in Berlin vor etwa einem Vierteljahre das Victoria-Lyceum eröffnet hat, und fällt mir immer wieder ein, wenn man davon spricht, eine Universität für Frauen zu errichten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072" n="62"/> meine Freundin Elisabeth Jerichow ist Mitglied der kopenhagener Academie und Besitzer so und so vieler goldener Preismedaillen — und ich? — Nun, den Satz ergänzen Sie!</p> <p>Aber es geht uns Frauen eigen! Wir müssen noch immer wie die Neger es besonders darthun, daß wir, wie ich es vorhin nannte, entwicklungsfähig sind. Rahel Varnhagen sagt einmal in irgend einem ihrer Briefe: »Häßliche Frauenzimmer und Jüdinnen sind immer übel daran. Sie müssen erst immer beweisen, daß sie liebenswürdig sind.« Im Großen und Ganzen genommen, befinden sich alle Frauen mit ihrer geistigen Begabung in der gleichen Lage. Man streitet ihnen die Befähigung für diesen und jenen Zweig des Wissens ab und bedenkt nicht, daß ihnen bisher fast jede Gelegenheit versagt war, sich in den Wissenschaften auszubilden. Wir sollen schwimmen und haben es nicht gelernt! Und nun man an die Möglichkeit zu glauben anfängt, daß wir so gut wie die Männer vorwärts kommen könnten — verfällt man wieder in den alten Fehler, für uns ausnahmsweise ganz besondere Unterrichtswege einzuschlagen oder vorzubereiten.</p> <p>Das ist mir lebhaft entgegengetreten, als man hier in Berlin vor etwa einem Vierteljahre das Victoria-Lyceum eröffnet hat, und fällt mir immer wieder ein, wenn man davon spricht, eine Universität für Frauen zu errichten.</p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [62/0072]
meine Freundin Elisabeth Jerichow ist Mitglied der kopenhagener Academie und Besitzer so und so vieler goldener Preismedaillen — und ich? — Nun, den Satz ergänzen Sie!
Aber es geht uns Frauen eigen! Wir müssen noch immer wie die Neger es besonders darthun, daß wir, wie ich es vorhin nannte, entwicklungsfähig sind. Rahel Varnhagen sagt einmal in irgend einem ihrer Briefe: »Häßliche Frauenzimmer und Jüdinnen sind immer übel daran. Sie müssen erst immer beweisen, daß sie liebenswürdig sind.« Im Großen und Ganzen genommen, befinden sich alle Frauen mit ihrer geistigen Begabung in der gleichen Lage. Man streitet ihnen die Befähigung für diesen und jenen Zweig des Wissens ab und bedenkt nicht, daß ihnen bisher fast jede Gelegenheit versagt war, sich in den Wissenschaften auszubilden. Wir sollen schwimmen und haben es nicht gelernt! Und nun man an die Möglichkeit zu glauben anfängt, daß wir so gut wie die Männer vorwärts kommen könnten — verfällt man wieder in den alten Fehler, für uns ausnahmsweise ganz besondere Unterrichtswege einzuschlagen oder vorzubereiten.
Das ist mir lebhaft entgegengetreten, als man hier in Berlin vor etwa einem Vierteljahre das Victoria-Lyceum eröffnet hat, und fällt mir immer wieder ein, wenn man davon spricht, eine Universität für Frauen zu errichten.
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/72>, abgerufen am 23.07.2024. |