Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Lebens- und Staatsverhältnisse auseinandersetzen und vielleicht gleich darauf mit echt niederdeutschen Humor die drolligsten Geschichten im Kölner Volksdialecte erzählen hören, der kannte sie nicht in ihrer ganzen Wesenheit. Dabei war sie die Gastfreiheit selbst, und nie habe ich eine Frau die Gesellschaft in einem Salon besser zusammenhalten und unscheinbarer leiten sehen, als sie. Neben ihr fanden sich in jenem Winter noch eine Anzahl von bedeutenden Frauen in ihrer Gesellschaft: Frauen, die alle als Künstlerinnen ihre Stellung in der Welt behaupteten. Irre ich nicht, so wird Frau Somerville die Aelteste unter Ihnen gewesen sein. Sie war mittelgroß, eine Engländerin in jedem Zuge ihres Aeußern, ruhig, selbstbewußt, aber freundlich und zwanglos im Verkehr. Sie hatte zwei Töchter mit sich, große, junonische Gestalten, die immer zur Rechten und zur Linken der Mutter, mit dem entschiedenen Schritt der Engländerinnen, die Arme über einander gelegt, den Fächer in der Hand, in den Saal zu treten pflegten. Es waren ebenfalls sehr gebildete Frauenzimmer. Jahre hindurch hatte ich nichts von ihnen allen gehört, als daß sie sich in Italien aufhielten. Im Frühjahr von 1867, als wir in Neapel waren und den Vorsatz hegten, dort vielleicht einen längeren Aufenthalt zu machen, sprachen wir mit dem in Neapel ansässigen vortrefflichen Arzte Dr. Pincoffs von den Vorzügen und Nachtheilen, welche das Klima von Neapel während der kälteren Jahreszeit für den Leidenden Lebens- und Staatsverhältnisse auseinandersetzen und vielleicht gleich darauf mit echt niederdeutschen Humor die drolligsten Geschichten im Kölner Volksdialecte erzählen hören, der kannte sie nicht in ihrer ganzen Wesenheit. Dabei war sie die Gastfreiheit selbst, und nie habe ich eine Frau die Gesellschaft in einem Salon besser zusammenhalten und unscheinbarer leiten sehen, als sie. Neben ihr fanden sich in jenem Winter noch eine Anzahl von bedeutenden Frauen in ihrer Gesellschaft: Frauen, die alle als Künstlerinnen ihre Stellung in der Welt behaupteten. Irre ich nicht, so wird Frau Somerville die Aelteste unter Ihnen gewesen sein. Sie war mittelgroß, eine Engländerin in jedem Zuge ihres Aeußern, ruhig, selbstbewußt, aber freundlich und zwanglos im Verkehr. Sie hatte zwei Töchter mit sich, große, junonische Gestalten, die immer zur Rechten und zur Linken der Mutter, mit dem entschiedenen Schritt der Engländerinnen, die Arme über einander gelegt, den Fächer in der Hand, in den Saal zu treten pflegten. Es waren ebenfalls sehr gebildete Frauenzimmer. Jahre hindurch hatte ich nichts von ihnen allen gehört, als daß sie sich in Italien aufhielten. Im Frühjahr von 1867, als wir in Neapel waren und den Vorsatz hegten, dort vielleicht einen längeren Aufenthalt zu machen, sprachen wir mit dem in Neapel ansässigen vortrefflichen Arzte Dr. Pincoffs von den Vorzügen und Nachtheilen, welche das Klima von Neapel während der kälteren Jahreszeit für den Leidenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="60"/> Lebens- und Staatsverhältnisse auseinandersetzen und vielleicht gleich darauf mit echt niederdeutschen Humor die drolligsten Geschichten im Kölner Volksdialecte erzählen hören, der kannte sie nicht in ihrer ganzen Wesenheit. Dabei war sie die Gastfreiheit selbst, und nie habe ich eine Frau die Gesellschaft in einem Salon besser zusammenhalten und unscheinbarer leiten sehen, als sie.</p> <p>Neben ihr fanden sich in jenem Winter noch eine Anzahl von bedeutenden Frauen in ihrer Gesellschaft: Frauen, die alle als Künstlerinnen ihre Stellung in der Welt behaupteten. Irre ich nicht, so wird Frau Somerville die Aelteste unter Ihnen gewesen sein. Sie war mittelgroß, eine Engländerin in jedem Zuge ihres Aeußern, ruhig, selbstbewußt, aber freundlich und zwanglos im Verkehr. Sie hatte zwei Töchter mit sich, große, junonische Gestalten, die immer zur Rechten und zur Linken der Mutter, mit dem entschiedenen Schritt der Engländerinnen, die Arme über einander gelegt, den Fächer in der Hand, in den Saal zu treten pflegten. Es waren ebenfalls sehr gebildete Frauenzimmer. Jahre hindurch hatte ich nichts von ihnen allen gehört, als daß sie sich in Italien aufhielten. Im Frühjahr von 1867, als wir in Neapel waren und den Vorsatz hegten, dort vielleicht einen längeren Aufenthalt zu machen, sprachen wir mit dem in Neapel ansässigen vortrefflichen Arzte Dr. Pincoffs von den Vorzügen und Nachtheilen, welche das Klima von Neapel während der kälteren Jahreszeit für den Leidenden </p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0070]
Lebens- und Staatsverhältnisse auseinandersetzen und vielleicht gleich darauf mit echt niederdeutschen Humor die drolligsten Geschichten im Kölner Volksdialecte erzählen hören, der kannte sie nicht in ihrer ganzen Wesenheit. Dabei war sie die Gastfreiheit selbst, und nie habe ich eine Frau die Gesellschaft in einem Salon besser zusammenhalten und unscheinbarer leiten sehen, als sie.
Neben ihr fanden sich in jenem Winter noch eine Anzahl von bedeutenden Frauen in ihrer Gesellschaft: Frauen, die alle als Künstlerinnen ihre Stellung in der Welt behaupteten. Irre ich nicht, so wird Frau Somerville die Aelteste unter Ihnen gewesen sein. Sie war mittelgroß, eine Engländerin in jedem Zuge ihres Aeußern, ruhig, selbstbewußt, aber freundlich und zwanglos im Verkehr. Sie hatte zwei Töchter mit sich, große, junonische Gestalten, die immer zur Rechten und zur Linken der Mutter, mit dem entschiedenen Schritt der Engländerinnen, die Arme über einander gelegt, den Fächer in der Hand, in den Saal zu treten pflegten. Es waren ebenfalls sehr gebildete Frauenzimmer. Jahre hindurch hatte ich nichts von ihnen allen gehört, als daß sie sich in Italien aufhielten. Im Frühjahr von 1867, als wir in Neapel waren und den Vorsatz hegten, dort vielleicht einen längeren Aufenthalt zu machen, sprachen wir mit dem in Neapel ansässigen vortrefflichen Arzte Dr. Pincoffs von den Vorzügen und Nachtheilen, welche das Klima von Neapel während der kälteren Jahreszeit für den Leidenden
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/70>, abgerufen am 23.07.2024. |