Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Gewerbwesen und der Emancipation der Frauen zur Arbeit wirklich die Wege bahnen will. Ich meine damit natürlich nicht, daß man in die gebildete Gesellschaft ungebildete Frauen und Mädchen aufnehmen solle, nur weil sie sich ihr Brot erwerben und in dem oder jenem Fache geschickte Arbeiterinnen sind; aber ich meine, daß man diejenigen gebildeten Mädchen und Frauen, die sich zum Betrieb eines bürgerlichen Gewerbes entschließen, nicht um deswillen von der gebildeten Gesellschaft, in welcher sie bis dahin zu leben gewohnt gewesen sind, ausschließen soll, wie das bisher fast durchweg der Fall gewesen ist. Ich könnte auch dafür eine Menge von Beispielen anführen; aber ich will nur eines herausgreifen, weil in diesem alle Personen, die es betrifft, nicht mehr am Leben sind. In Berlin lebte im Hause eines Seehandlungs-Präsidenten als Gesellschafterin der edeln und höchst gebildeten Frau desselben ein junges Mädchen aus angesehener Familie. Auguste war klein, reizend, geistreich, die Frau vom Hause hatte ein Vergnügen daran, sie elegant gekleidet, sie bewundert zu sehen, und sie ward in der That von ihrem achtzehnten bis achtundzwanzigsten Jahre in einer Weise von den jungen und alten Männern des großen gesellschaftlichen Kreises lebhaft gefeiert, so daß man nicht begreifen konnte, wie es zuging, daß sie sich noch immer nicht verheirathete. Sie war ein sittlicher Charakter, das gaben alle Männer zu; aber sie Gewerbwesen und der Emancipation der Frauen zur Arbeit wirklich die Wege bahnen will. Ich meine damit natürlich nicht, daß man in die gebildete Gesellschaft ungebildete Frauen und Mädchen aufnehmen solle, nur weil sie sich ihr Brot erwerben und in dem oder jenem Fache geschickte Arbeiterinnen sind; aber ich meine, daß man diejenigen gebildeten Mädchen und Frauen, die sich zum Betrieb eines bürgerlichen Gewerbes entschließen, nicht um deswillen von der gebildeten Gesellschaft, in welcher sie bis dahin zu leben gewohnt gewesen sind, ausschließen soll, wie das bisher fast durchweg der Fall gewesen ist. Ich könnte auch dafür eine Menge von Beispielen anführen; aber ich will nur eines herausgreifen, weil in diesem alle Personen, die es betrifft, nicht mehr am Leben sind. In Berlin lebte im Hause eines Seehandlungs-Präsidenten als Gesellschafterin der edeln und höchst gebildeten Frau desselben ein junges Mädchen aus angesehener Familie. Auguste war klein, reizend, geistreich, die Frau vom Hause hatte ein Vergnügen daran, sie elegant gekleidet, sie bewundert zu sehen, und sie ward in der That von ihrem achtzehnten bis achtundzwanzigsten Jahre in einer Weise von den jungen und alten Männern des großen gesellschaftlichen Kreises lebhaft gefeiert, so daß man nicht begreifen konnte, wie es zuging, daß sie sich noch immer nicht verheirathete. Sie war ein sittlicher Charakter, das gaben alle Männer zu; aber sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="49"/> Gewerbwesen und der Emancipation der Frauen zur Arbeit wirklich die Wege bahnen will. Ich meine damit natürlich nicht, daß man in die gebildete Gesellschaft ungebildete Frauen und Mädchen aufnehmen solle, nur weil sie sich ihr Brot erwerben und in dem oder jenem Fache geschickte Arbeiterinnen sind; aber ich meine, daß man diejenigen gebildeten Mädchen und Frauen, die sich zum Betrieb eines bürgerlichen Gewerbes entschließen, nicht um deswillen von der gebildeten Gesellschaft, in welcher sie bis dahin zu leben gewohnt gewesen sind, ausschließen soll, wie das bisher fast durchweg der Fall gewesen ist. Ich könnte auch dafür eine Menge von Beispielen anführen; aber ich will nur eines herausgreifen, weil in diesem alle Personen, die es betrifft, nicht mehr am Leben sind.</p> <p>In Berlin lebte im Hause eines Seehandlungs-Präsidenten als Gesellschafterin der edeln und höchst gebildeten Frau desselben ein junges Mädchen aus angesehener Familie. Auguste war klein, reizend, geistreich, die Frau vom Hause hatte ein Vergnügen daran, sie elegant gekleidet, sie bewundert zu sehen, und sie ward in der That von ihrem achtzehnten bis achtundzwanzigsten Jahre in einer Weise von den jungen und alten Männern des großen gesellschaftlichen Kreises lebhaft gefeiert, so daß man nicht begreifen konnte, wie es zuging, daß sie sich noch immer nicht verheirathete. Sie war ein sittlicher Charakter, das gaben alle Männer zu; aber sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0059]
Gewerbwesen und der Emancipation der Frauen zur Arbeit wirklich die Wege bahnen will. Ich meine damit natürlich nicht, daß man in die gebildete Gesellschaft ungebildete Frauen und Mädchen aufnehmen solle, nur weil sie sich ihr Brot erwerben und in dem oder jenem Fache geschickte Arbeiterinnen sind; aber ich meine, daß man diejenigen gebildeten Mädchen und Frauen, die sich zum Betrieb eines bürgerlichen Gewerbes entschließen, nicht um deswillen von der gebildeten Gesellschaft, in welcher sie bis dahin zu leben gewohnt gewesen sind, ausschließen soll, wie das bisher fast durchweg der Fall gewesen ist. Ich könnte auch dafür eine Menge von Beispielen anführen; aber ich will nur eines herausgreifen, weil in diesem alle Personen, die es betrifft, nicht mehr am Leben sind.
In Berlin lebte im Hause eines Seehandlungs-Präsidenten als Gesellschafterin der edeln und höchst gebildeten Frau desselben ein junges Mädchen aus angesehener Familie. Auguste war klein, reizend, geistreich, die Frau vom Hause hatte ein Vergnügen daran, sie elegant gekleidet, sie bewundert zu sehen, und sie ward in der That von ihrem achtzehnten bis achtundzwanzigsten Jahre in einer Weise von den jungen und alten Männern des großen gesellschaftlichen Kreises lebhaft gefeiert, so daß man nicht begreifen konnte, wie es zuging, daß sie sich noch immer nicht verheirathete. Sie war ein sittlicher Charakter, das gaben alle Männer zu; aber sie
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