Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.werden zu lassen, und die wohlhabenden Handwerkerfamilien hatten auch keinen höheren Ehrgeiz, als ihre Kinder studiren zu lassen und sie in die Beamtencarriere zu bringen. Der Sohn eines Studirten mußte wieder ein Studirter werden und das ging so fort, bis das Angebot für die Stellen, welche von Studirten besetzt werden konnten, so übermäßig geworden war, daß der Staat selbst die Eltern davor warnen mußte, ihre Söhne auf solche Lebenswege zu führen. Damals entschlossen sich denn die niedern Beamten, die kleinern Kaufleute zuerst, es für ihre Söhne mit dem Gewerbstand zu versuchen, und wie dann diese jungen wohl erzogenen, wohl unterrichteten und für das Gewerbe eigens herangebildeten Männer dem Gewerbe durch ihre Kenntnisse einen mächtigen Aufschwung zu geben anfingen, wie das Handwerk sich hier auf die Wissenschaft zu stützen, dort sich zur Kunst zu erheben begann und nebenher seinen Mann ganz anders ernährte als das überall nur eng bemessene Gehalt der Beamten, da war nachher mit einem Male die ganze Anschauung verändert und das Vorurtheil besiegt. Die kümmerlichen Realschulen mußten in großem Maßstabe umgestaltet werden, und die Familie eines Regierungsrathes, eines Professors schämt sich jetzt nicht mehr, wenn ihr Sohn als Zimmermannslehrling mit dem Schurzfell um die Hüften einen Handwagen voll Holz durch die Straßen zieht, oder als Gärtner die Mistkarre über die Felder führt. werden zu lassen, und die wohlhabenden Handwerkerfamilien hatten auch keinen höheren Ehrgeiz, als ihre Kinder studiren zu lassen und sie in die Beamtencarriere zu bringen. Der Sohn eines Studirten mußte wieder ein Studirter werden und das ging so fort, bis das Angebot für die Stellen, welche von Studirten besetzt werden konnten, so übermäßig geworden war, daß der Staat selbst die Eltern davor warnen mußte, ihre Söhne auf solche Lebenswege zu führen. Damals entschlossen sich denn die niedern Beamten, die kleinern Kaufleute zuerst, es für ihre Söhne mit dem Gewerbstand zu versuchen, und wie dann diese jungen wohl erzogenen, wohl unterrichteten und für das Gewerbe eigens herangebildeten Männer dem Gewerbe durch ihre Kenntnisse einen mächtigen Aufschwung zu geben anfingen, wie das Handwerk sich hier auf die Wissenschaft zu stützen, dort sich zur Kunst zu erheben begann und nebenher seinen Mann ganz anders ernährte als das überall nur eng bemessene Gehalt der Beamten, da war nachher mit einem Male die ganze Anschauung verändert und das Vorurtheil besiegt. Die kümmerlichen Realschulen mußten in großem Maßstabe umgestaltet werden, und die Familie eines Regierungsrathes, eines Professors schämt sich jetzt nicht mehr, wenn ihr Sohn als Zimmermannslehrling mit dem Schurzfell um die Hüften einen Handwagen voll Holz durch die Straßen zieht, oder als Gärtner die Mistkarre über die Felder führt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="37"/> werden zu lassen, und die wohlhabenden Handwerkerfamilien hatten auch keinen höheren Ehrgeiz, als ihre Kinder studiren zu lassen und sie in die Beamtencarriere zu bringen. Der Sohn eines Studirten mußte wieder ein Studirter werden und das ging so fort, bis das Angebot für die Stellen, welche von Studirten besetzt werden konnten, so übermäßig geworden war, daß der Staat selbst die Eltern davor warnen mußte, ihre Söhne auf solche Lebenswege zu führen.</p> <p>Damals entschlossen sich denn die niedern Beamten, die kleinern Kaufleute zuerst, es für ihre Söhne mit dem Gewerbstand zu versuchen, und wie dann diese jungen wohl erzogenen, wohl unterrichteten und für das Gewerbe eigens herangebildeten Männer dem Gewerbe durch ihre Kenntnisse einen mächtigen Aufschwung zu geben anfingen, wie das Handwerk sich hier auf die Wissenschaft zu stützen, dort sich zur Kunst zu erheben begann und nebenher seinen Mann ganz anders ernährte als das überall nur eng bemessene Gehalt der Beamten, da war nachher mit einem Male die ganze Anschauung verändert und das Vorurtheil besiegt. Die kümmerlichen Realschulen mußten in großem Maßstabe umgestaltet werden, und die Familie eines Regierungsrathes, eines Professors schämt sich jetzt nicht mehr, wenn ihr Sohn als Zimmermannslehrling mit dem Schurzfell um die Hüften einen Handwagen voll Holz durch die Straßen zieht, oder als Gärtner die Mistkarre über die Felder führt.</p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0047]
werden zu lassen, und die wohlhabenden Handwerkerfamilien hatten auch keinen höheren Ehrgeiz, als ihre Kinder studiren zu lassen und sie in die Beamtencarriere zu bringen. Der Sohn eines Studirten mußte wieder ein Studirter werden und das ging so fort, bis das Angebot für die Stellen, welche von Studirten besetzt werden konnten, so übermäßig geworden war, daß der Staat selbst die Eltern davor warnen mußte, ihre Söhne auf solche Lebenswege zu führen.
Damals entschlossen sich denn die niedern Beamten, die kleinern Kaufleute zuerst, es für ihre Söhne mit dem Gewerbstand zu versuchen, und wie dann diese jungen wohl erzogenen, wohl unterrichteten und für das Gewerbe eigens herangebildeten Männer dem Gewerbe durch ihre Kenntnisse einen mächtigen Aufschwung zu geben anfingen, wie das Handwerk sich hier auf die Wissenschaft zu stützen, dort sich zur Kunst zu erheben begann und nebenher seinen Mann ganz anders ernährte als das überall nur eng bemessene Gehalt der Beamten, da war nachher mit einem Male die ganze Anschauung verändert und das Vorurtheil besiegt. Die kümmerlichen Realschulen mußten in großem Maßstabe umgestaltet werden, und die Familie eines Regierungsrathes, eines Professors schämt sich jetzt nicht mehr, wenn ihr Sohn als Zimmermannslehrling mit dem Schurzfell um die Hüften einen Handwagen voll Holz durch die Straßen zieht, oder als Gärtner die Mistkarre über die Felder führt.
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/47>, abgerufen am 16.07.2024. |