Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.mit Rosen im Haare durch die Ballsäle geflogen waren, umschwärmt und umschmeichelt von jungen Männern, uns, wenn wir Abends die Blumen aus dem Haare nahmen, doch fragen mußten: aber was wird aus uns, wenn keiner von diesen Männern uns zur Frau nimmt und versorgt? In dem Glauben, Liebespflichten gegen die Töchter zu erfüllen, gaben und geben die Väter ihnen, ihrem eignen falschen Ehrgefühle zu genügen und um die Standesgenossen an einen Wohlstand glauben zu lassen, der doch nicht ausreicht, die Töchter lebenslang in müßigem Wohlleben zu erhalten, oft die gewissenloseste Erziehung von der Welt. Unser ganzes Schicksal wurde auf einen Zufall gestellt; auf den Zufall, ob unsere Liebenswürdigkeit oder unsere Schönheit einen Mann so weit zu reizen und zu fesseln im Stande wären, daß er uns zu besitzen wünschen, und sich deshalb mit der Sorge für unsern standesmäßigen Unterhalt beladen würde. Unsere Väter, sammt und sonders Männer, die sich für leichtsinnig halten würden, wenn sie ihr Haus nicht gegen Feuer- und Hagelschaden versichern, wenn sie ihr Schiff, das sie auf das Meer schicken, nicht in eine Assecuranz einschreiben lassen, die sich es zum höchsten Unrecht anrechnen würden, sich in eine Unternehmung einzulassen, deren Ende sie nicht mit ziemlicher Gewißheit berechnen können, führen uns in das Leben ein, ohne irgend voraussehen zu können, was aus uns werden wird; und mit Rosen im Haare durch die Ballsäle geflogen waren, umschwärmt und umschmeichelt von jungen Männern, uns, wenn wir Abends die Blumen aus dem Haare nahmen, doch fragen mußten: aber was wird aus uns, wenn keiner von diesen Männern uns zur Frau nimmt und versorgt? In dem Glauben, Liebespflichten gegen die Töchter zu erfüllen, gaben und geben die Väter ihnen, ihrem eignen falschen Ehrgefühle zu genügen und um die Standesgenossen an einen Wohlstand glauben zu lassen, der doch nicht ausreicht, die Töchter lebenslang in müßigem Wohlleben zu erhalten, oft die gewissenloseste Erziehung von der Welt. Unser ganzes Schicksal wurde auf einen Zufall gestellt; auf den Zufall, ob unsere Liebenswürdigkeit oder unsere Schönheit einen Mann so weit zu reizen und zu fesseln im Stande wären, daß er uns zu besitzen wünschen, und sich deshalb mit der Sorge für unsern standesmäßigen Unterhalt beladen würde. Unsere Väter, sammt und sonders Männer, die sich für leichtsinnig halten würden, wenn sie ihr Haus nicht gegen Feuer- und Hagelschaden versichern, wenn sie ihr Schiff, das sie auf das Meer schicken, nicht in eine Assecuranz einschreiben lassen, die sich es zum höchsten Unrecht anrechnen würden, sich in eine Unternehmung einzulassen, deren Ende sie nicht mit ziemlicher Gewißheit berechnen können, führen uns in das Leben ein, ohne irgend voraussehen zu können, was aus uns werden wird; und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0029" n="19"/> mit Rosen im Haare durch die Ballsäle geflogen waren, umschwärmt und umschmeichelt von jungen Männern, uns, wenn wir Abends die Blumen aus dem Haare nahmen, doch fragen mußten: aber was wird aus uns, wenn keiner von diesen Männern uns zur Frau nimmt und versorgt?</p> <p>In dem Glauben, Liebespflichten gegen die Töchter zu erfüllen, gaben und geben die Väter ihnen, ihrem eignen falschen Ehrgefühle zu genügen und um die Standesgenossen an einen Wohlstand glauben zu lassen, der doch nicht ausreicht, die Töchter lebenslang in müßigem Wohlleben zu erhalten, oft die gewissenloseste Erziehung von der Welt. Unser ganzes Schicksal wurde auf einen Zufall gestellt; auf den Zufall, ob unsere Liebenswürdigkeit oder unsere Schönheit einen Mann so weit zu reizen und zu fesseln im Stande wären, daß er uns zu besitzen wünschen, und sich deshalb mit der Sorge für unsern standesmäßigen Unterhalt beladen würde. Unsere Väter, sammt und sonders Männer, die sich für leichtsinnig halten würden, wenn sie ihr Haus nicht gegen Feuer- und Hagelschaden versichern, wenn sie ihr Schiff, das sie auf das Meer schicken, nicht in eine Assecuranz einschreiben lassen, die sich es zum höchsten Unrecht anrechnen würden, sich in eine Unternehmung einzulassen, deren Ende sie nicht mit ziemlicher Gewißheit berechnen können, führen uns in das Leben ein, ohne irgend voraussehen zu können, was aus uns werden wird; und </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0029]
mit Rosen im Haare durch die Ballsäle geflogen waren, umschwärmt und umschmeichelt von jungen Männern, uns, wenn wir Abends die Blumen aus dem Haare nahmen, doch fragen mußten: aber was wird aus uns, wenn keiner von diesen Männern uns zur Frau nimmt und versorgt?
In dem Glauben, Liebespflichten gegen die Töchter zu erfüllen, gaben und geben die Väter ihnen, ihrem eignen falschen Ehrgefühle zu genügen und um die Standesgenossen an einen Wohlstand glauben zu lassen, der doch nicht ausreicht, die Töchter lebenslang in müßigem Wohlleben zu erhalten, oft die gewissenloseste Erziehung von der Welt. Unser ganzes Schicksal wurde auf einen Zufall gestellt; auf den Zufall, ob unsere Liebenswürdigkeit oder unsere Schönheit einen Mann so weit zu reizen und zu fesseln im Stande wären, daß er uns zu besitzen wünschen, und sich deshalb mit der Sorge für unsern standesmäßigen Unterhalt beladen würde. Unsere Väter, sammt und sonders Männer, die sich für leichtsinnig halten würden, wenn sie ihr Haus nicht gegen Feuer- und Hagelschaden versichern, wenn sie ihr Schiff, das sie auf das Meer schicken, nicht in eine Assecuranz einschreiben lassen, die sich es zum höchsten Unrecht anrechnen würden, sich in eine Unternehmung einzulassen, deren Ende sie nicht mit ziemlicher Gewißheit berechnen können, führen uns in das Leben ein, ohne irgend voraussehen zu können, was aus uns werden wird; und
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/29>, abgerufen am 16.02.2025. |