Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Weib. Du brauchst Dich aber darüber nicht zu beklagen, es ist Dein Beruf. So lange ich lebe, gebe ich Dir auch Obdach, Kleidung und Nahrung; findet sich Jemand, der Dich haben will, so gebe ich Dich Dem, der Dir auch Obdach, Kleidung und Nahrung geben wird; und wenn nicht -- und wenn ich sterbe und es hat sich Niemand gefunden, der sich mit Deiner Ernährung belasten will -- nun? -- Nun? so fragten auch die Frauen; und als Antwort erfolgte dann stets ein geseufztes: Nun! so hast Du ja Allerlei gelernt und wirst Dir schon helfen! -- Aber wie? aber womit? aber was habe ich denn gelernt? -- - Die Männer sahen den Balken in ihrem eigenen Auge nicht! Sie wollten ihn nicht sehen! Sie wollten es nicht sehen, daß wirklich, soweit es seinen Lebensunterhalt betraf, der Neger, den man bei dem Tode seines Herrn zu fernerer Arbeit gegen fernere Ernährung verkaufte, in gewissem Sinne besser daran war, als das weiße Frauenzimmer in den civilisirten Staaten, das seinen Ernährer verlor, keine Arbeit ordentlich verstand, und eben deshalb, da es von den Erben nicht verkauft werden konnte, nur zu oft dahin gerieth, sich je nach ihrem Stande, ein für allemal an den Ersten Besten, oder sich alltäglich zu verkaufen und in diesem letzteren Falle meist ein Ende zu nehmen, von welchem die Phantasie es aus keuscher Selbstsucht in der Regel sehr gerathen findet, das Auge abzuwenden. Weib. Du brauchst Dich aber darüber nicht zu beklagen, es ist Dein Beruf. So lange ich lebe, gebe ich Dir auch Obdach, Kleidung und Nahrung; findet sich Jemand, der Dich haben will, so gebe ich Dich Dem, der Dir auch Obdach, Kleidung und Nahrung geben wird; und wenn nicht — und wenn ich sterbe und es hat sich Niemand gefunden, der sich mit Deiner Ernährung belasten will — nun? — Nun? so fragten auch die Frauen; und als Antwort erfolgte dann stets ein geseufztes: Nun! so hast Du ja Allerlei gelernt und wirst Dir schon helfen! — Aber wie? aber womit? aber was habe ich denn gelernt? — – Die Männer sahen den Balken in ihrem eigenen Auge nicht! Sie wollten ihn nicht sehen! Sie wollten es nicht sehen, daß wirklich, soweit es seinen Lebensunterhalt betraf, der Neger, den man bei dem Tode seines Herrn zu fernerer Arbeit gegen fernere Ernährung verkaufte, in gewissem Sinne besser daran war, als das weiße Frauenzimmer in den civilisirten Staaten, das seinen Ernährer verlor, keine Arbeit ordentlich verstand, und eben deshalb, da es von den Erben nicht verkauft werden konnte, nur zu oft dahin gerieth, sich je nach ihrem Stande, ein für allemal an den Ersten Besten, oder sich alltäglich zu verkaufen und in diesem letzteren Falle meist ein Ende zu nehmen, von welchem die Phantasie es aus keuscher Selbstsucht in der Regel sehr gerathen findet, das Auge abzuwenden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="15"/> Weib. Du brauchst Dich aber darüber nicht zu beklagen, es ist Dein Beruf. So lange ich lebe, gebe ich Dir auch Obdach, Kleidung und Nahrung; findet sich Jemand, der Dich haben will, so gebe ich Dich Dem, der Dir auch Obdach, Kleidung und Nahrung geben wird; und wenn nicht — und wenn ich sterbe und es hat sich Niemand gefunden, der sich mit Deiner Ernährung belasten will — nun? — Nun? so fragten auch die Frauen; und als Antwort erfolgte dann stets ein geseufztes: Nun! so hast Du ja Allerlei gelernt und wirst Dir schon helfen! — Aber wie? aber womit? aber was habe ich denn gelernt? — –</p> <p>Die Männer sahen den Balken in ihrem eigenen Auge nicht! Sie wollten ihn nicht sehen! Sie wollten es nicht sehen, daß wirklich, soweit es seinen Lebensunterhalt betraf, der Neger, den man bei dem Tode seines Herrn zu fernerer Arbeit gegen fernere Ernährung verkaufte, in gewissem Sinne besser daran war, als das weiße Frauenzimmer in den civilisirten Staaten, das seinen Ernährer verlor, keine Arbeit ordentlich verstand, und eben deshalb, da es von den Erben nicht verkauft werden konnte, nur zu oft dahin gerieth, sich je nach ihrem Stande, ein für allemal an den Ersten Besten, oder sich alltäglich zu verkaufen und in diesem letzteren Falle meist ein Ende zu nehmen, von welchem die Phantasie es aus keuscher Selbstsucht in der Regel sehr gerathen findet, das Auge abzuwenden.</p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0025]
Weib. Du brauchst Dich aber darüber nicht zu beklagen, es ist Dein Beruf. So lange ich lebe, gebe ich Dir auch Obdach, Kleidung und Nahrung; findet sich Jemand, der Dich haben will, so gebe ich Dich Dem, der Dir auch Obdach, Kleidung und Nahrung geben wird; und wenn nicht — und wenn ich sterbe und es hat sich Niemand gefunden, der sich mit Deiner Ernährung belasten will — nun? — Nun? so fragten auch die Frauen; und als Antwort erfolgte dann stets ein geseufztes: Nun! so hast Du ja Allerlei gelernt und wirst Dir schon helfen! — Aber wie? aber womit? aber was habe ich denn gelernt? — –
Die Männer sahen den Balken in ihrem eigenen Auge nicht! Sie wollten ihn nicht sehen! Sie wollten es nicht sehen, daß wirklich, soweit es seinen Lebensunterhalt betraf, der Neger, den man bei dem Tode seines Herrn zu fernerer Arbeit gegen fernere Ernährung verkaufte, in gewissem Sinne besser daran war, als das weiße Frauenzimmer in den civilisirten Staaten, das seinen Ernährer verlor, keine Arbeit ordentlich verstand, und eben deshalb, da es von den Erben nicht verkauft werden konnte, nur zu oft dahin gerieth, sich je nach ihrem Stande, ein für allemal an den Ersten Besten, oder sich alltäglich zu verkaufen und in diesem letzteren Falle meist ein Ende zu nehmen, von welchem die Phantasie es aus keuscher Selbstsucht in der Regel sehr gerathen findet, das Auge abzuwenden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/25 |
Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/25>, abgerufen am 16.07.2024. |