Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.seinen Farben übertrieben, darin liegt aber weder der Beruf der Frau, noch das wahre Gedeihen des Familienlebens, noch wahre Keuschheit, noch die deutsche Gemüthlichkeit oder gar die Frauenwürde und der wahre Seelenadel eines Menschen! -- Oder wissen die Männer, die nur von den stillen Frauen in der heimlichen Kemnate träumten, die nur die sogenannten kindlichen Seelen in uns schätzen wollten und die von der einfältigen Hilflosigkeit des weiblichen Geschlechtes so entzückt waren, als wären wir Paradiesvögel, die nie die Erde zu berühren brauchen und von bloßem Sonnenschein leben können, wissen diese Männer es etwa anders? Es klingt, als wollte ich spotten oder eine Satyre schreiben; aber es ist schwer, mit Gleichmuth über Dinge zu reden, über die man durch lange Jahre gegen eine hartnäckige Verblendung zu streiten gehabt hat. Und dabei läuft im Grunde Alles, was man gegen die Selbstständigkeit der Frauen vorzubringen pflegte, auf Unwahrheit und Selbstbetrug hinaus: sowohl die Hinweisung auf das Eldorado des Familienlebens, für das die Mädchen ausschließlich berufen sein sollen, als die Vorstellung von den Gefahren, welche aus der gewerbthätigen Arbeit für die Frauen erwachsen können. Einer der gewaltigsten Aufklärer, die bittere Noth, hat in den letzten fünf, sechs Jahren Vielen die Augen über diese Zustände geöffnet, welche bisher durchaus nicht seinen Farben übertrieben, darin liegt aber weder der Beruf der Frau, noch das wahre Gedeihen des Familienlebens, noch wahre Keuschheit, noch die deutsche Gemüthlichkeit oder gar die Frauenwürde und der wahre Seelenadel eines Menschen! — Oder wissen die Männer, die nur von den stillen Frauen in der heimlichen Kemnate träumten, die nur die sogenannten kindlichen Seelen in uns schätzen wollten und die von der einfältigen Hilflosigkeit des weiblichen Geschlechtes so entzückt waren, als wären wir Paradiesvögel, die nie die Erde zu berühren brauchen und von bloßem Sonnenschein leben können, wissen diese Männer es etwa anders? Es klingt, als wollte ich spotten oder eine Satyre schreiben; aber es ist schwer, mit Gleichmuth über Dinge zu reden, über die man durch lange Jahre gegen eine hartnäckige Verblendung zu streiten gehabt hat. Und dabei läuft im Grunde Alles, was man gegen die Selbstständigkeit der Frauen vorzubringen pflegte, auf Unwahrheit und Selbstbetrug hinaus: sowohl die Hinweisung auf das Eldorado des Familienlebens, für das die Mädchen ausschließlich berufen sein sollen, als die Vorstellung von den Gefahren, welche aus der gewerbthätigen Arbeit für die Frauen erwachsen können. Einer der gewaltigsten Aufklärer, die bittere Noth, hat in den letzten fünf, sechs Jahren Vielen die Augen über diese Zustände geöffnet, welche bisher durchaus nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="10"/> seinen Farben übertrieben, darin liegt aber weder der Beruf der Frau, noch das wahre Gedeihen des Familienlebens, noch wahre Keuschheit, noch die deutsche Gemüthlichkeit oder gar die Frauenwürde und der wahre Seelenadel eines Menschen! — Oder wissen die Männer, die nur von den stillen Frauen in der heimlichen Kemnate träumten, die nur die sogenannten kindlichen Seelen in uns schätzen wollten und die von der einfältigen Hilflosigkeit des weiblichen Geschlechtes so entzückt waren, als wären wir Paradiesvögel, die nie die Erde zu berühren brauchen und von bloßem Sonnenschein leben können, wissen diese Männer es etwa anders?</p> <p>Es klingt, als wollte ich spotten oder eine Satyre schreiben; aber es ist schwer, mit Gleichmuth über Dinge zu reden, über die man durch lange Jahre gegen eine hartnäckige Verblendung zu streiten gehabt hat. Und dabei läuft im Grunde Alles, was man gegen die Selbstständigkeit der Frauen vorzubringen pflegte, auf Unwahrheit und Selbstbetrug hinaus: sowohl die Hinweisung auf das Eldorado des Familienlebens, für das die Mädchen ausschließlich berufen sein sollen, als die Vorstellung von den Gefahren, welche aus der gewerbthätigen Arbeit für die Frauen erwachsen können.</p> <p>Einer der gewaltigsten Aufklärer, die bittere Noth, hat in den letzten fünf, sechs Jahren Vielen die Augen über diese Zustände geöffnet, welche bisher durchaus nicht </p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0020]
seinen Farben übertrieben, darin liegt aber weder der Beruf der Frau, noch das wahre Gedeihen des Familienlebens, noch wahre Keuschheit, noch die deutsche Gemüthlichkeit oder gar die Frauenwürde und der wahre Seelenadel eines Menschen! — Oder wissen die Männer, die nur von den stillen Frauen in der heimlichen Kemnate träumten, die nur die sogenannten kindlichen Seelen in uns schätzen wollten und die von der einfältigen Hilflosigkeit des weiblichen Geschlechtes so entzückt waren, als wären wir Paradiesvögel, die nie die Erde zu berühren brauchen und von bloßem Sonnenschein leben können, wissen diese Männer es etwa anders?
Es klingt, als wollte ich spotten oder eine Satyre schreiben; aber es ist schwer, mit Gleichmuth über Dinge zu reden, über die man durch lange Jahre gegen eine hartnäckige Verblendung zu streiten gehabt hat. Und dabei läuft im Grunde Alles, was man gegen die Selbstständigkeit der Frauen vorzubringen pflegte, auf Unwahrheit und Selbstbetrug hinaus: sowohl die Hinweisung auf das Eldorado des Familienlebens, für das die Mädchen ausschließlich berufen sein sollen, als die Vorstellung von den Gefahren, welche aus der gewerbthätigen Arbeit für die Frauen erwachsen können.
Einer der gewaltigsten Aufklärer, die bittere Noth, hat in den letzten fünf, sechs Jahren Vielen die Augen über diese Zustände geöffnet, welche bisher durchaus nicht
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