Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.beschränkte Großmuth, die trotzdem oftmals über ihre Absichten, doch niemals über die der Anderen hinausging; ein so großes und liebevolles Herz, daß Jeder, der nur die kleinste Entgegnung zu gewähren vermochte, zehnfach wiederempfing, was er geboten hatte. Dazu eine Stärke und Wahrheit der Einbildungskraft, eine Feinheit der Wahrnehmung, eine Genauigkeit und Bestimmtheit der Beobachtung, denen durch die Tiefe ihres speculativen Geistes und durch ein fast unfehlbares Urtheil in allen praktischen Dingen das Gleichgewicht gehalten wurde. Die Erhabenheit ihres Geistes war so groß, daß die höchsten Ausdrücke der Dichtkunst, der Beredtsamkeit und der Künste überhaupt, neben ihr nur als etwas Natürliches, ihrem ganzen Wesen Angemessenes erschienen etc." Nicht wahr? Es ist etwas Erstrebenswerthes für ein Weib, ein ähnliches Anerkenntniß, ein ähnlicher Nachruhm von den Lippen eines edeln, großen Mannes! Es ist auch etwas Großes um das Wort von Abraham, Lincoln, der sicherlich kein Freund der Phrase war: "Nächst Gott sind es die Frauen, denen unser Land seine Errettung verdankt!" Mich dünkt, solche Lobsprüche sind am Ende doch wohl mehr werth, als das widerwillig gethane Zugeständniß der weiblichen Modewelt, daß man die eleganteste Frau des Ortes, oder wie die Pariser von ihrer Kaiserin sagen, die eleganteste Frau der Zeit gewesen sei. Und nun zum Schlusse, mit meinem Gruße an die beschränkte Großmuth, die trotzdem oftmals über ihre Absichten, doch niemals über die der Anderen hinausging; ein so großes und liebevolles Herz, daß Jeder, der nur die kleinste Entgegnung zu gewähren vermochte, zehnfach wiederempfing, was er geboten hatte. Dazu eine Stärke und Wahrheit der Einbildungskraft, eine Feinheit der Wahrnehmung, eine Genauigkeit und Bestimmtheit der Beobachtung, denen durch die Tiefe ihres speculativen Geistes und durch ein fast unfehlbares Urtheil in allen praktischen Dingen das Gleichgewicht gehalten wurde. Die Erhabenheit ihres Geistes war so groß, daß die höchsten Ausdrücke der Dichtkunst, der Beredtsamkeit und der Künste überhaupt, neben ihr nur als etwas Natürliches, ihrem ganzen Wesen Angemessenes erschienen etc.« Nicht wahr? Es ist etwas Erstrebenswerthes für ein Weib, ein ähnliches Anerkenntniß, ein ähnlicher Nachruhm von den Lippen eines edeln, großen Mannes! Es ist auch etwas Großes um das Wort von Abraham, Lincoln, der sicherlich kein Freund der Phrase war: »Nächst Gott sind es die Frauen, denen unser Land seine Errettung verdankt!« Mich dünkt, solche Lobsprüche sind am Ende doch wohl mehr werth, als das widerwillig gethane Zugeständniß der weiblichen Modewelt, daß man die eleganteste Frau des Ortes, oder wie die Pariser von ihrer Kaiserin sagen, die eleganteste Frau der Zeit gewesen sei. Und nun zum Schlusse, mit meinem Gruße an die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="154"/> beschränkte Großmuth, die trotzdem oftmals über ihre Absichten, doch niemals über die der Anderen hinausging; ein so großes und liebevolles Herz, daß Jeder, der nur die kleinste Entgegnung zu gewähren vermochte, zehnfach wiederempfing, was er geboten hatte. Dazu eine Stärke und Wahrheit der Einbildungskraft, eine Feinheit der Wahrnehmung, eine Genauigkeit und Bestimmtheit der Beobachtung, denen durch die Tiefe ihres speculativen Geistes und durch ein fast unfehlbares Urtheil in allen praktischen Dingen das Gleichgewicht gehalten wurde. Die Erhabenheit ihres Geistes war so groß, daß die höchsten Ausdrücke der Dichtkunst, der Beredtsamkeit und der Künste überhaupt, neben ihr nur als etwas Natürliches, ihrem ganzen Wesen Angemessenes erschienen etc.«</p> <p>Nicht wahr? Es ist etwas Erstrebenswerthes für ein Weib, ein ähnliches Anerkenntniß, ein ähnlicher Nachruhm von den Lippen eines edeln, großen Mannes! Es ist auch etwas Großes um das Wort von Abraham, Lincoln, der sicherlich kein Freund der Phrase war: »Nächst Gott sind es die Frauen, denen unser Land seine Errettung verdankt!« Mich dünkt, solche Lobsprüche sind am Ende doch wohl mehr werth, als das widerwillig gethane Zugeständniß der weiblichen Modewelt, daß man die eleganteste Frau des Ortes, oder wie die Pariser von ihrer Kaiserin sagen, die eleganteste Frau der Zeit gewesen sei.</p> <p>Und nun zum Schlusse, mit meinem Gruße an die </p> </div> </body> </text> </TEI> [154/0164]
beschränkte Großmuth, die trotzdem oftmals über ihre Absichten, doch niemals über die der Anderen hinausging; ein so großes und liebevolles Herz, daß Jeder, der nur die kleinste Entgegnung zu gewähren vermochte, zehnfach wiederempfing, was er geboten hatte. Dazu eine Stärke und Wahrheit der Einbildungskraft, eine Feinheit der Wahrnehmung, eine Genauigkeit und Bestimmtheit der Beobachtung, denen durch die Tiefe ihres speculativen Geistes und durch ein fast unfehlbares Urtheil in allen praktischen Dingen das Gleichgewicht gehalten wurde. Die Erhabenheit ihres Geistes war so groß, daß die höchsten Ausdrücke der Dichtkunst, der Beredtsamkeit und der Künste überhaupt, neben ihr nur als etwas Natürliches, ihrem ganzen Wesen Angemessenes erschienen etc.«
Nicht wahr? Es ist etwas Erstrebenswerthes für ein Weib, ein ähnliches Anerkenntniß, ein ähnlicher Nachruhm von den Lippen eines edeln, großen Mannes! Es ist auch etwas Großes um das Wort von Abraham, Lincoln, der sicherlich kein Freund der Phrase war: »Nächst Gott sind es die Frauen, denen unser Land seine Errettung verdankt!« Mich dünkt, solche Lobsprüche sind am Ende doch wohl mehr werth, als das widerwillig gethane Zugeständniß der weiblichen Modewelt, daß man die eleganteste Frau des Ortes, oder wie die Pariser von ihrer Kaiserin sagen, die eleganteste Frau der Zeit gewesen sei.
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/164>, abgerufen am 23.07.2024. |