Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.völlig Preis gebende Kleidung auf der Straße die Begehrlichkeit jedes Vorübergehenden, und erschrecken dann wie die Kinder, und klagen wie die Kinder über die nothwendigen Folgen Ihres eigenen thörichten Thuns! Sie fürchten, ernstes Arbeiten neben ernsten Männern könne jenen mysteriösen Hauch der zartesten Weiblichkeit von Ihnen abstreifen, und Sie setzen ihre wahre Weiblichkeit und Würde alltäglich ganz freiwillig wahrhaft kränkenden Berührungen und Beleidigungen aus. Aber nicht genug, daß die jetzigen Trachten fast durchgehends schamlos sind, sie sind neben ihrer völligen Unzweckmäßigkeit -- ich denke nur an Ihre sogenannten Hüte -- auch von einer Kostbarkeit, welche die Mittel der meisten Familien um ein Bedeutendes übersteigt; und es wird aller Orten an traurigen Beispielen nicht fehlen, in denen die Putzsucht und der Luxus die Töchter in Schande gestürzt, die Väter zu Ausgaben verleitet haben, an denen sie zu Grunde gegangen sind. Als in ... der Bank-Director wegen Cassen-Defecte in das Gefängniß wandern mußte, schob man sein Verschulden schließlich auf den Luxus seiner Frau und Töchter; und ganz neuerdings sagte mir in einer Gesellschaft ein Banquier, während eine Dame in Brillanten starrend vor uns stand: "Die Brillanten und die points d'Alencons, welche diese Frau heute an sich hat, sind weit mehr werth, als ich ihrem Manne borgen würde! Es ist geradezu lehrreich und dem Auge wohlgefällig, völlig Preis gebende Kleidung auf der Straße die Begehrlichkeit jedes Vorübergehenden, und erschrecken dann wie die Kinder, und klagen wie die Kinder über die nothwendigen Folgen Ihres eigenen thörichten Thuns! Sie fürchten, ernstes Arbeiten neben ernsten Männern könne jenen mysteriösen Hauch der zartesten Weiblichkeit von Ihnen abstreifen, und Sie setzen ihre wahre Weiblichkeit und Würde alltäglich ganz freiwillig wahrhaft kränkenden Berührungen und Beleidigungen aus. Aber nicht genug, daß die jetzigen Trachten fast durchgehends schamlos sind, sie sind neben ihrer völligen Unzweckmäßigkeit — ich denke nur an Ihre sogenannten Hüte — auch von einer Kostbarkeit, welche die Mittel der meisten Familien um ein Bedeutendes übersteigt; und es wird aller Orten an traurigen Beispielen nicht fehlen, in denen die Putzsucht und der Luxus die Töchter in Schande gestürzt, die Väter zu Ausgaben verleitet haben, an denen sie zu Grunde gegangen sind. Als in ... der Bank-Director wegen Cassen-Defecte in das Gefängniß wandern mußte, schob man sein Verschulden schließlich auf den Luxus seiner Frau und Töchter; und ganz neuerdings sagte mir in einer Gesellschaft ein Banquier, während eine Dame in Brillanten starrend vor uns stand: »Die Brillanten und die points d'Alençons, welche diese Frau heute an sich hat, sind weit mehr werth, als ich ihrem Manne borgen würde! Es ist geradezu lehrreich und dem Auge wohlgefällig, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0158" n="148"/> völlig Preis gebende Kleidung auf der Straße die Begehrlichkeit jedes Vorübergehenden, und erschrecken dann wie die Kinder, und klagen wie die Kinder über die nothwendigen Folgen Ihres eigenen thörichten Thuns! Sie fürchten, ernstes Arbeiten neben ernsten Männern könne jenen mysteriösen Hauch der zartesten Weiblichkeit von Ihnen abstreifen, und Sie setzen ihre wahre Weiblichkeit und Würde alltäglich ganz freiwillig wahrhaft kränkenden Berührungen und Beleidigungen aus.</p> <p>Aber nicht genug, daß die jetzigen Trachten fast durchgehends schamlos sind, sie sind neben ihrer völligen Unzweckmäßigkeit — ich denke nur an Ihre sogenannten Hüte — auch von einer Kostbarkeit, welche die Mittel der meisten Familien um ein Bedeutendes übersteigt; und es wird aller Orten an traurigen Beispielen nicht fehlen, in denen die Putzsucht und der Luxus die Töchter in Schande gestürzt, die Väter zu Ausgaben verleitet haben, an denen sie zu Grunde gegangen sind. Als in ... der Bank-Director wegen Cassen-Defecte in das Gefängniß wandern mußte, schob man sein Verschulden schließlich auf den Luxus seiner Frau und Töchter; und ganz neuerdings sagte mir in einer Gesellschaft ein Banquier, während eine Dame in Brillanten starrend vor uns stand: »Die Brillanten und die <hi rendition="#aq">points d'Alençons</hi>, welche diese Frau heute an sich hat, sind weit mehr werth, als ich ihrem Manne borgen würde!</p> <p>Es ist geradezu lehrreich und dem Auge wohlgefällig, </p> </div> </body> </text> </TEI> [148/0158]
völlig Preis gebende Kleidung auf der Straße die Begehrlichkeit jedes Vorübergehenden, und erschrecken dann wie die Kinder, und klagen wie die Kinder über die nothwendigen Folgen Ihres eigenen thörichten Thuns! Sie fürchten, ernstes Arbeiten neben ernsten Männern könne jenen mysteriösen Hauch der zartesten Weiblichkeit von Ihnen abstreifen, und Sie setzen ihre wahre Weiblichkeit und Würde alltäglich ganz freiwillig wahrhaft kränkenden Berührungen und Beleidigungen aus.
Aber nicht genug, daß die jetzigen Trachten fast durchgehends schamlos sind, sie sind neben ihrer völligen Unzweckmäßigkeit — ich denke nur an Ihre sogenannten Hüte — auch von einer Kostbarkeit, welche die Mittel der meisten Familien um ein Bedeutendes übersteigt; und es wird aller Orten an traurigen Beispielen nicht fehlen, in denen die Putzsucht und der Luxus die Töchter in Schande gestürzt, die Väter zu Ausgaben verleitet haben, an denen sie zu Grunde gegangen sind. Als in ... der Bank-Director wegen Cassen-Defecte in das Gefängniß wandern mußte, schob man sein Verschulden schließlich auf den Luxus seiner Frau und Töchter; und ganz neuerdings sagte mir in einer Gesellschaft ein Banquier, während eine Dame in Brillanten starrend vor uns stand: »Die Brillanten und die points d'Alençons, welche diese Frau heute an sich hat, sind weit mehr werth, als ich ihrem Manne borgen würde!
Es ist geradezu lehrreich und dem Auge wohlgefällig,
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/158>, abgerufen am 23.07.2024. |