Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.hätten, daß ich wirklich Theilnahme für das traurige Schicksal der Frauen innerhalb unserer jetzigen gesellschaftlichen Verhältnisse hege. Sie wollten eben "auf ihre Facon selig werden" und nicht auf die meine, und ich bin ihnen immer sehr prosaisch vorgekommen, wenn ich ihnen den Rath gegeben habe, es doch mit einem bürgerlichen Gewerbe zu versuchen, da man Schriftsteller und Dichter nicht wie Graveur oder Putzhändler werden könne. Ich fand keinen Glauben bei ihnen, wenn ich ihnen versicherte, daß ich für mein Theil mit freiem Sinne und leichtem Herzen in einem Thee- oder Wäscheladen gestanden haben würde, wenn mein dichterisches Vermögen in einer Zeit erloschen wäre, in welcher ich es noch nöthig gehabt hätte, für mein Brod und meine Zukunft zu sorgen; und während sie Alle über ihre Abhängigkeit, sei es von zu beengten Familienverhältnissen oder über die Abhängigkeit von den Familien klagten, denen sie als Lehrerinnen oder Gesellschafterinnen dienten, meinten sie, daß ich ihnen eine Selbsterniedrigung zumuthe, wenn ich ihnen den Rath ertheilte, tagüber in einem Gewerbe zu arbeiten, um Abends das unschätzbare Gefühl der Selbstständigkeit zu genießen und sich sagen zu können, daß sie sich mit ihrer Gewerbthätigkeit wohl am Ende ein sorgenfreies und völlig unabhängiges Leben erringen könnten. Böser Wille lag in diesem Gebahren der Mädchen hätten, daß ich wirklich Theilnahme für das traurige Schicksal der Frauen innerhalb unserer jetzigen gesellschaftlichen Verhältnisse hege. Sie wollten eben »auf ihre Façon selig werden« und nicht auf die meine, und ich bin ihnen immer sehr prosaisch vorgekommen, wenn ich ihnen den Rath gegeben habe, es doch mit einem bürgerlichen Gewerbe zu versuchen, da man Schriftsteller und Dichter nicht wie Graveur oder Putzhändler werden könne. Ich fand keinen Glauben bei ihnen, wenn ich ihnen versicherte, daß ich für mein Theil mit freiem Sinne und leichtem Herzen in einem Thee- oder Wäscheladen gestanden haben würde, wenn mein dichterisches Vermögen in einer Zeit erloschen wäre, in welcher ich es noch nöthig gehabt hätte, für mein Brod und meine Zukunft zu sorgen; und während sie Alle über ihre Abhängigkeit, sei es von zu beengten Familienverhältnissen oder über die Abhängigkeit von den Familien klagten, denen sie als Lehrerinnen oder Gesellschafterinnen dienten, meinten sie, daß ich ihnen eine Selbsterniedrigung zumuthe, wenn ich ihnen den Rath ertheilte, tagüber in einem Gewerbe zu arbeiten, um Abends das unschätzbare Gefühl der Selbstständigkeit zu genießen und sich sagen zu können, daß sie sich mit ihrer Gewerbthätigkeit wohl am Ende ein sorgenfreies und völlig unabhängiges Leben erringen könnten. Böser Wille lag in diesem Gebahren der Mädchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="5"/> hätten, daß ich wirklich Theilnahme für das traurige Schicksal der Frauen innerhalb unserer jetzigen gesellschaftlichen Verhältnisse hege. Sie wollten eben »auf <hi rendition="#g">ihre</hi> Façon selig werden« und nicht auf die meine, und ich bin ihnen immer sehr prosaisch vorgekommen, wenn ich ihnen den Rath gegeben habe, es doch mit einem bürgerlichen Gewerbe zu versuchen, da man Schriftsteller und Dichter nicht wie Graveur oder Putzhändler werden könne.</p> <p>Ich fand keinen Glauben bei ihnen, wenn ich ihnen versicherte, daß ich für mein Theil mit freiem Sinne und leichtem Herzen in einem Thee- oder Wäscheladen gestanden haben würde, wenn mein dichterisches Vermögen in einer Zeit erloschen wäre, in welcher ich es noch nöthig gehabt hätte, für mein Brod und meine Zukunft zu sorgen; und während sie Alle über ihre Abhängigkeit, sei es von zu beengten Familienverhältnissen oder über die Abhängigkeit von den Familien klagten, denen sie als Lehrerinnen oder Gesellschafterinnen dienten, meinten sie, daß ich ihnen eine Selbsterniedrigung zumuthe, wenn ich ihnen den Rath ertheilte, tagüber in einem Gewerbe zu arbeiten, um Abends das unschätzbare Gefühl der Selbstständigkeit zu genießen und sich sagen zu können, daß sie sich mit ihrer Gewerbthätigkeit wohl am Ende ein sorgenfreies und völlig unabhängiges Leben erringen könnten.</p> <p>Böser Wille lag in diesem Gebahren der Mädchen </p> </div> </body> </text> </TEI> [5/0015]
hätten, daß ich wirklich Theilnahme für das traurige Schicksal der Frauen innerhalb unserer jetzigen gesellschaftlichen Verhältnisse hege. Sie wollten eben »auf ihre Façon selig werden« und nicht auf die meine, und ich bin ihnen immer sehr prosaisch vorgekommen, wenn ich ihnen den Rath gegeben habe, es doch mit einem bürgerlichen Gewerbe zu versuchen, da man Schriftsteller und Dichter nicht wie Graveur oder Putzhändler werden könne.
Ich fand keinen Glauben bei ihnen, wenn ich ihnen versicherte, daß ich für mein Theil mit freiem Sinne und leichtem Herzen in einem Thee- oder Wäscheladen gestanden haben würde, wenn mein dichterisches Vermögen in einer Zeit erloschen wäre, in welcher ich es noch nöthig gehabt hätte, für mein Brod und meine Zukunft zu sorgen; und während sie Alle über ihre Abhängigkeit, sei es von zu beengten Familienverhältnissen oder über die Abhängigkeit von den Familien klagten, denen sie als Lehrerinnen oder Gesellschafterinnen dienten, meinten sie, daß ich ihnen eine Selbsterniedrigung zumuthe, wenn ich ihnen den Rath ertheilte, tagüber in einem Gewerbe zu arbeiten, um Abends das unschätzbare Gefühl der Selbstständigkeit zu genießen und sich sagen zu können, daß sie sich mit ihrer Gewerbthätigkeit wohl am Ende ein sorgenfreies und völlig unabhängiges Leben erringen könnten.
Böser Wille lag in diesem Gebahren der Mädchen
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