Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.sie sich nur im Theater, nur im Gesellschafts- und im Ballsaale, nur unter ihrer Mütter, Väter, Männer und Brüder Augen anständig behaupten, so müssen sie eben unter deren Aufsicht bleiben; aber es kann denn auch von ihrer Emancipation die Rede nicht mehr sein. Wer frei sein will, wer nach eigenem Ermessen handeln will, darf keinen Beistand, keine Vorrechte begehren, muß sich selbst genug sein, und tragen und leisten, was seine Mitgenossen leisten. Ich meine, nicht ein Jota von dem Wissen und Können, das der Staat von den Männern verlangt, die er in dem Dienste für das Allgemeine verwendet, soll den Frauen erlassen bleiben, die in gleicher Weise verwendet zu werden wünschen; denn Nachsicht und Bevorzugung sind eben auch nicht Gleichstellung, und nur die wirkliche Gleichstellung ist haltbar und förderlich, weil sie allein die Sicherheit gewährt, daß nur tüchtige und befähigte Frauen in die Reihen der arbeitenden Männer treten. Ich glaube nicht, daß bei uns in Deutschland der Zudrang zu Emancipation, zu Handel, Gewerbe und Wissenschaft von Seiten der Frauen auf weit hinaus ein so großer sein wird, daß man darüber zu klagen haben dürfte; das hindert jedoch nicht, daß es gerecht und nothwendig ist, die Schranken fortzuräumen, welche die Frauen bisher davon zurückhalten konnten. Meine Schweizerin hat in ihrem Brief Recht: "mögen sie sich versuchen!" Und ich füge noch hinzu: Hat man den sie sich nur im Theater, nur im Gesellschafts- und im Ballsaale, nur unter ihrer Mütter, Väter, Männer und Brüder Augen anständig behaupten, so müssen sie eben unter deren Aufsicht bleiben; aber es kann denn auch von ihrer Emancipation die Rede nicht mehr sein. Wer frei sein will, wer nach eigenem Ermessen handeln will, darf keinen Beistand, keine Vorrechte begehren, muß sich selbst genug sein, und tragen und leisten, was seine Mitgenossen leisten. Ich meine, nicht ein Jota von dem Wissen und Können, das der Staat von den Männern verlangt, die er in dem Dienste für das Allgemeine verwendet, soll den Frauen erlassen bleiben, die in gleicher Weise verwendet zu werden wünschen; denn Nachsicht und Bevorzugung sind eben auch nicht Gleichstellung, und nur die wirkliche Gleichstellung ist haltbar und förderlich, weil sie allein die Sicherheit gewährt, daß nur tüchtige und befähigte Frauen in die Reihen der arbeitenden Männer treten. Ich glaube nicht, daß bei uns in Deutschland der Zudrang zu Emancipation, zu Handel, Gewerbe und Wissenschaft von Seiten der Frauen auf weit hinaus ein so großer sein wird, daß man darüber zu klagen haben dürfte; das hindert jedoch nicht, daß es gerecht und nothwendig ist, die Schranken fortzuräumen, welche die Frauen bisher davon zurückhalten konnten. Meine Schweizerin hat in ihrem Brief Recht: »mögen sie sich versuchen!« Und ich füge noch hinzu: Hat man den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0140" n="130"/> sie sich nur im Theater, nur im Gesellschafts- und im Ballsaale, nur unter ihrer Mütter, Väter, Männer und Brüder Augen anständig behaupten, so müssen sie eben unter deren Aufsicht bleiben; aber es kann denn auch von ihrer Emancipation die Rede nicht mehr sein. Wer frei sein will, wer nach eigenem Ermessen handeln will, darf keinen Beistand, keine Vorrechte begehren, muß sich selbst genug sein, und tragen und leisten, was seine Mitgenossen leisten. Ich meine, nicht ein Jota von dem Wissen und Können, das der Staat von den Männern verlangt, die er in dem Dienste für das Allgemeine verwendet, soll den Frauen erlassen bleiben, die in gleicher Weise verwendet zu werden wünschen; denn Nachsicht und Bevorzugung sind eben auch nicht Gleichstellung, und nur die wirkliche Gleichstellung ist haltbar und förderlich, weil sie allein die Sicherheit gewährt, daß nur tüchtige und befähigte Frauen in die Reihen der arbeitenden Männer treten.</p> <p>Ich glaube nicht, daß bei uns in Deutschland der Zudrang zu Emancipation, zu Handel, Gewerbe und Wissenschaft von Seiten der Frauen auf weit hinaus ein so großer sein wird, daß man darüber zu klagen haben dürfte; das hindert jedoch nicht, daß es gerecht und nothwendig ist, die Schranken fortzuräumen, welche die Frauen bisher davon zurückhalten konnten. Meine Schweizerin hat in ihrem Brief Recht: »mögen sie sich versuchen!« Und ich füge noch hinzu: Hat man den </p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0140]
sie sich nur im Theater, nur im Gesellschafts- und im Ballsaale, nur unter ihrer Mütter, Väter, Männer und Brüder Augen anständig behaupten, so müssen sie eben unter deren Aufsicht bleiben; aber es kann denn auch von ihrer Emancipation die Rede nicht mehr sein. Wer frei sein will, wer nach eigenem Ermessen handeln will, darf keinen Beistand, keine Vorrechte begehren, muß sich selbst genug sein, und tragen und leisten, was seine Mitgenossen leisten. Ich meine, nicht ein Jota von dem Wissen und Können, das der Staat von den Männern verlangt, die er in dem Dienste für das Allgemeine verwendet, soll den Frauen erlassen bleiben, die in gleicher Weise verwendet zu werden wünschen; denn Nachsicht und Bevorzugung sind eben auch nicht Gleichstellung, und nur die wirkliche Gleichstellung ist haltbar und förderlich, weil sie allein die Sicherheit gewährt, daß nur tüchtige und befähigte Frauen in die Reihen der arbeitenden Männer treten.
Ich glaube nicht, daß bei uns in Deutschland der Zudrang zu Emancipation, zu Handel, Gewerbe und Wissenschaft von Seiten der Frauen auf weit hinaus ein so großer sein wird, daß man darüber zu klagen haben dürfte; das hindert jedoch nicht, daß es gerecht und nothwendig ist, die Schranken fortzuräumen, welche die Frauen bisher davon zurückhalten konnten. Meine Schweizerin hat in ihrem Brief Recht: »mögen sie sich versuchen!« Und ich füge noch hinzu: Hat man den
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/140>, abgerufen am 23.07.2024. |