Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich und hundert Andere mit mir haben freilich ihre ganze Schulbildung von unserem sechsten bis zu unserem vierzehnten oder sechszehnten Jahre in einer streng disciplinirten Schule erhalten, in welcher wir mit Knaben gemeinsam unterrichtet wurden, ohne daß jemals der kleinste Anlaß vorgekommen wäre, diese Einrichtung zu beanstanden. Trotzdem will ich dieser Gemeinsamkeit der Schulen das Wort durchaus nicht reden; aber diejenigen Frauen, welche sich zu Arbeit und Gewerbe neben die Männer stellen wollen, noch von den Männern abzusondern, das hat keinen Sinn. Die Wissenschaft ist für die Frauen keine andere als für die Männer. Es war schon schlimm genug, jenes System der Frauenbildung, dem wir die zahlreichen "Weltgeschichten für höhere Töchterschulen", die Literaturgeschichten und Philosophien "für die Frauen" zu verdanken hatten, und bei denen es darauf hinauslief, uns eben so viel ungefähres Wissen von den Dingen beizubringen, daß wir mit dem Anschein des Wissens von denselben, über dieselben mitsprechen konnten. Soll dieses System auf den Universitäten für die Frauen seine Fortsetzung erfahren? Oder sind es auch wieder Gründe der sogenannten Sittlichkeit, welche die Gründung besonderer Universitäten für die Frauen nöthig erscheinen lassen? Mich dünkt, wenn die Frauen emancipirt zu werden wünschen, müssen sie ihrer selber vor allen Dingen sicher sein, und es sich zutrauen, ihre Würde selbst zu wahren. Können und wollen sie dieses nicht, können

Ich und hundert Andere mit mir haben freilich ihre ganze Schulbildung von unserem sechsten bis zu unserem vierzehnten oder sechszehnten Jahre in einer streng disciplinirten Schule erhalten, in welcher wir mit Knaben gemeinsam unterrichtet wurden, ohne daß jemals der kleinste Anlaß vorgekommen wäre, diese Einrichtung zu beanstanden. Trotzdem will ich dieser Gemeinsamkeit der Schulen das Wort durchaus nicht reden; aber diejenigen Frauen, welche sich zu Arbeit und Gewerbe neben die Männer stellen wollen, noch von den Männern abzusondern, das hat keinen Sinn. Die Wissenschaft ist für die Frauen keine andere als für die Männer. Es war schon schlimm genug, jenes System der Frauenbildung, dem wir die zahlreichen »Weltgeschichten für höhere Töchterschulen«, die Literaturgeschichten und Philosophien »für die Frauen« zu verdanken hatten, und bei denen es darauf hinauslief, uns eben so viel ungefähres Wissen von den Dingen beizubringen, daß wir mit dem Anschein des Wissens von denselben, über dieselben mitsprechen konnten. Soll dieses System auf den Universitäten für die Frauen seine Fortsetzung erfahren? Oder sind es auch wieder Gründe der sogenannten Sittlichkeit, welche die Gründung besonderer Universitäten für die Frauen nöthig erscheinen lassen? Mich dünkt, wenn die Frauen emancipirt zu werden wünschen, müssen sie ihrer selber vor allen Dingen sicher sein, und es sich zutrauen, ihre Würde selbst zu wahren. Können und wollen sie dieses nicht, können

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="129"/>
Ich und hundert Andere mit mir haben freilich ihre ganze Schulbildung von unserem sechsten bis zu unserem vierzehnten oder sechszehnten Jahre in einer streng disciplinirten Schule erhalten, in welcher wir mit Knaben gemeinsam unterrichtet wurden, ohne daß jemals der kleinste Anlaß vorgekommen wäre, diese Einrichtung zu beanstanden. Trotzdem will ich dieser Gemeinsamkeit der Schulen das Wort durchaus nicht reden; aber diejenigen Frauen, welche sich zu Arbeit und Gewerbe neben die Männer stellen wollen, noch von den Männern abzusondern, das hat keinen Sinn. Die Wissenschaft ist für die Frauen keine andere als für die Männer. Es war schon schlimm genug, jenes System der Frauenbildung, dem wir die zahlreichen »Weltgeschichten für höhere Töchterschulen«, die Literaturgeschichten und Philosophien »für die Frauen« zu verdanken hatten, und bei denen es darauf hinauslief, uns eben so viel ungefähres Wissen von den Dingen beizubringen, daß wir mit dem Anschein des Wissens von denselben, über dieselben mitsprechen konnten. Soll dieses System auf den Universitäten für die Frauen seine Fortsetzung erfahren? Oder sind es auch wieder Gründe der sogenannten Sittlichkeit, welche die Gründung besonderer Universitäten für die Frauen nöthig erscheinen lassen? Mich dünkt, wenn die Frauen emancipirt zu werden wünschen, müssen sie ihrer selber vor allen Dingen sicher sein, und es sich zutrauen, ihre Würde selbst zu wahren. Können und wollen sie dieses nicht, können
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0139] Ich und hundert Andere mit mir haben freilich ihre ganze Schulbildung von unserem sechsten bis zu unserem vierzehnten oder sechszehnten Jahre in einer streng disciplinirten Schule erhalten, in welcher wir mit Knaben gemeinsam unterrichtet wurden, ohne daß jemals der kleinste Anlaß vorgekommen wäre, diese Einrichtung zu beanstanden. Trotzdem will ich dieser Gemeinsamkeit der Schulen das Wort durchaus nicht reden; aber diejenigen Frauen, welche sich zu Arbeit und Gewerbe neben die Männer stellen wollen, noch von den Männern abzusondern, das hat keinen Sinn. Die Wissenschaft ist für die Frauen keine andere als für die Männer. Es war schon schlimm genug, jenes System der Frauenbildung, dem wir die zahlreichen »Weltgeschichten für höhere Töchterschulen«, die Literaturgeschichten und Philosophien »für die Frauen« zu verdanken hatten, und bei denen es darauf hinauslief, uns eben so viel ungefähres Wissen von den Dingen beizubringen, daß wir mit dem Anschein des Wissens von denselben, über dieselben mitsprechen konnten. Soll dieses System auf den Universitäten für die Frauen seine Fortsetzung erfahren? Oder sind es auch wieder Gründe der sogenannten Sittlichkeit, welche die Gründung besonderer Universitäten für die Frauen nöthig erscheinen lassen? Mich dünkt, wenn die Frauen emancipirt zu werden wünschen, müssen sie ihrer selber vor allen Dingen sicher sein, und es sich zutrauen, ihre Würde selbst zu wahren. Können und wollen sie dieses nicht, können

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von zeno.org (2013-01-04T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus zeno.org entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/139
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/139>, abgerufen am 25.11.2024.