Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Tagespresse gewagt. Ueber Politik haben wir Alle von Kindheit an reden gehört und über alle öffentlichen Fragen disputirt man überall. So greifen wir denn auch ein, wo es Noth thut, und gehen mit unseren Petitionen, wenn es sein muß, direct an die Regierung des Cantons und an den Bundesrath! Nach dem Stimmrechte trachten wir schweizer Frauen nicht. Wir verlangen sociale Gleichberechtigung, so weit sie mit der Sitte verträglich ist; wir wollen freie Entwickelung unserer Fähigkeiten, freie Bewegung. Wenn ein Mädchen Medicin studiren will, so soll sie's thun und zur Praxis zugelassen werden; wenn es sich in der Kunst auszubilden wünscht, so mag es seine Kräfte versuchen. An der Stimmurne haben wir nichts zu thun, weil wir auch nicht Militärdienst thun. Allerdings bleiben wir nicht müßig, wenn unsere Heimath vom Kriege bedroht wird; aber unser Platz ist dann in den Spitälern, an den Ambulancen, bei den kleinen Kindern und überall da, wo die Männer fortgegangen sind, die im Felde stehen!"

So weit die Schweizerin. Der andere Brief, der mir aus St. Louis zugekommen ist, geht in seinen Forderungen weiter, als die knappe, einfach die Thatsachen anführende Bernerin. Meine amerikanische Correspondentin sagt mir, daß sie verheirathet sei, sieben Kinder und eine Anzahl Enkel habe, und sie schreibt mir vornehmlich, um mich zur schriftlichen Betheiligung an

in der Tagespresse gewagt. Ueber Politik haben wir Alle von Kindheit an reden gehört und über alle öffentlichen Fragen disputirt man überall. So greifen wir denn auch ein, wo es Noth thut, und gehen mit unseren Petitionen, wenn es sein muß, direct an die Regierung des Cantons und an den Bundesrath! Nach dem Stimmrechte trachten wir schweizer Frauen nicht. Wir verlangen sociale Gleichberechtigung, so weit sie mit der Sitte verträglich ist; wir wollen freie Entwickelung unserer Fähigkeiten, freie Bewegung. Wenn ein Mädchen Medicin studiren will, so soll sie's thun und zur Praxis zugelassen werden; wenn es sich in der Kunst auszubilden wünscht, so mag es seine Kräfte versuchen. An der Stimmurne haben wir nichts zu thun, weil wir auch nicht Militärdienst thun. Allerdings bleiben wir nicht müßig, wenn unsere Heimath vom Kriege bedroht wird; aber unser Platz ist dann in den Spitälern, an den Ambulancen, bei den kleinen Kindern und überall da, wo die Männer fortgegangen sind, die im Felde stehen!«

So weit die Schweizerin. Der andere Brief, der mir aus St. Louis zugekommen ist, geht in seinen Forderungen weiter, als die knappe, einfach die Thatsachen anführende Bernerin. Meine amerikanische Correspondentin sagt mir, daß sie verheirathet sei, sieben Kinder und eine Anzahl Enkel habe, und sie schreibt mir vornehmlich, um mich zur schriftlichen Betheiligung an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0130" n="120"/>
in der Tagespresse gewagt. Ueber Politik haben wir Alle von Kindheit an reden gehört und über alle öffentlichen Fragen disputirt man überall. So greifen wir denn auch ein, wo es Noth thut, und gehen mit unseren Petitionen, wenn es sein muß, direct an die Regierung des Cantons und an den Bundesrath! Nach dem Stimmrechte trachten wir schweizer Frauen <hi rendition="#g">nicht</hi>. Wir verlangen sociale Gleichberechtigung, so weit sie mit der Sitte verträglich ist; wir wollen freie Entwickelung unserer Fähigkeiten, freie Bewegung. Wenn ein Mädchen Medicin studiren will, so soll sie's thun und zur Praxis zugelassen werden; wenn es sich in der Kunst auszubilden wünscht, so mag es seine Kräfte versuchen. An der Stimmurne haben wir nichts zu thun, weil wir auch nicht Militärdienst thun. Allerdings bleiben wir nicht müßig, wenn unsere Heimath vom Kriege bedroht wird; aber unser Platz ist dann in den Spitälern, an den Ambulancen, bei den kleinen Kindern und überall da, wo die Männer fortgegangen sind, die im Felde stehen!«</p>
        <p>So weit die Schweizerin. Der andere Brief, der mir aus St. Louis zugekommen ist, geht in seinen Forderungen weiter, als die knappe, einfach die Thatsachen anführende Bernerin. Meine amerikanische Correspondentin sagt mir, daß sie verheirathet sei, sieben Kinder und eine Anzahl Enkel habe, und sie schreibt mir vornehmlich, um mich zur schriftlichen Betheiligung an
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0130] in der Tagespresse gewagt. Ueber Politik haben wir Alle von Kindheit an reden gehört und über alle öffentlichen Fragen disputirt man überall. So greifen wir denn auch ein, wo es Noth thut, und gehen mit unseren Petitionen, wenn es sein muß, direct an die Regierung des Cantons und an den Bundesrath! Nach dem Stimmrechte trachten wir schweizer Frauen nicht. Wir verlangen sociale Gleichberechtigung, so weit sie mit der Sitte verträglich ist; wir wollen freie Entwickelung unserer Fähigkeiten, freie Bewegung. Wenn ein Mädchen Medicin studiren will, so soll sie's thun und zur Praxis zugelassen werden; wenn es sich in der Kunst auszubilden wünscht, so mag es seine Kräfte versuchen. An der Stimmurne haben wir nichts zu thun, weil wir auch nicht Militärdienst thun. Allerdings bleiben wir nicht müßig, wenn unsere Heimath vom Kriege bedroht wird; aber unser Platz ist dann in den Spitälern, an den Ambulancen, bei den kleinen Kindern und überall da, wo die Männer fortgegangen sind, die im Felde stehen!« So weit die Schweizerin. Der andere Brief, der mir aus St. Louis zugekommen ist, geht in seinen Forderungen weiter, als die knappe, einfach die Thatsachen anführende Bernerin. Meine amerikanische Correspondentin sagt mir, daß sie verheirathet sei, sieben Kinder und eine Anzahl Enkel habe, und sie schreibt mir vornehmlich, um mich zur schriftlichen Betheiligung an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von zeno.org (2013-01-04T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus zeno.org entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/130
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/130>, abgerufen am 22.11.2024.