Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.englische und französische Roman, darüber geht es nur zu häufig nicht hinaus. Die Frauen der alten adeligen Familien, die Frauen der Gelehrten, der weniger bemittelten Familien in den kleinen Städten, in den Provinzen, in den Pfarrhäusern, sind in Betracht ihres wahren Werthes jenen Anderen in der großen Masse vielfach überlegen, und doch ist der Einfluß des reichen Bürgerstandes ein so großer; doch finden die Männer desselben in der gewinnbringenden Arbeit ihre Ehre. Und für die Frauen dieser selben Stände sollte die Arbeit etwas Erniedrigendes sein? Welch' eine wunderbare Logik! Sie ist eben so falsch, wie die vorhin erwähnte Behauptung vieler Männer, daß geistig entwickelte und selbständige Frauen keiner wahren Hingebung fähig seien. Ich möchte umgekehrt fragen: Was hat Euch eine Frau, die kein eigenes Geistesleben führt, die nichts Rechtes weiß und nichts Rechtes kann, was hat sie Euch hinzugeben als eben ihren Körper? Und begehrt Ihr von der Ehe nichts als Befriedigung Eures sinnlichen Verlangens? Bedürft Ihr nicht der ernsten Erzieherin für Eure Söhne, der vorsichtigen Beratherin für Eure Töchter, der klugen Verwalterin Eures Erwerbes? -- Kam die Stunde der Entmuthigung nie an Euch heran, in der Ihr an Eurem Weibe mehr zu haben wünschtet, als ein hülfloses Wesen, das rathlos Euer Leid und Eure Sorge beweinte und dessen ohnmächtiger Kummer Euch das Herz noch mehr belastete? Ist niemals Krankheit über englische und französische Roman, darüber geht es nur zu häufig nicht hinaus. Die Frauen der alten adeligen Familien, die Frauen der Gelehrten, der weniger bemittelten Familien in den kleinen Städten, in den Provinzen, in den Pfarrhäusern, sind in Betracht ihres wahren Werthes jenen Anderen in der großen Masse vielfach überlegen, und doch ist der Einfluß des reichen Bürgerstandes ein so großer; doch finden die Männer desselben in der gewinnbringenden Arbeit ihre Ehre. Und für die Frauen dieser selben Stände sollte die Arbeit etwas Erniedrigendes sein? Welch' eine wunderbare Logik! Sie ist eben so falsch, wie die vorhin erwähnte Behauptung vieler Männer, daß geistig entwickelte und selbständige Frauen keiner wahren Hingebung fähig seien. Ich möchte umgekehrt fragen: Was hat Euch eine Frau, die kein eigenes Geistesleben führt, die nichts Rechtes weiß und nichts Rechtes kann, was hat sie Euch hinzugeben als eben ihren Körper? Und begehrt Ihr von der Ehe nichts als Befriedigung Eures sinnlichen Verlangens? Bedürft Ihr nicht der ernsten Erzieherin für Eure Söhne, der vorsichtigen Beratherin für Eure Töchter, der klugen Verwalterin Eures Erwerbes? — Kam die Stunde der Entmuthigung nie an Euch heran, in der Ihr an Eurem Weibe mehr zu haben wünschtet, als ein hülfloses Wesen, das rathlos Euer Leid und Eure Sorge beweinte und dessen ohnmächtiger Kummer Euch das Herz noch mehr belastete? Ist niemals Krankheit über <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0117" n="107"/> englische und französische Roman, darüber geht es nur zu häufig nicht hinaus. Die Frauen der alten adeligen Familien, die Frauen der Gelehrten, der weniger bemittelten Familien in den kleinen Städten, in den Provinzen, in den Pfarrhäusern, sind in Betracht ihres wahren Werthes jenen Anderen in der großen Masse vielfach überlegen, und doch ist der Einfluß des reichen Bürgerstandes ein so großer; doch finden die Männer desselben in der gewinnbringenden Arbeit ihre Ehre. Und für die Frauen dieser selben Stände sollte die Arbeit etwas Erniedrigendes sein? Welch' eine wunderbare Logik! Sie ist eben so falsch, wie die vorhin erwähnte Behauptung vieler Männer, daß geistig entwickelte und selbständige Frauen keiner wahren Hingebung fähig seien.</p> <p>Ich möchte umgekehrt fragen: Was hat Euch eine Frau, die kein eigenes Geistesleben führt, die nichts Rechtes weiß und nichts Rechtes kann, was hat sie Euch hinzugeben als eben ihren Körper? Und begehrt Ihr von der Ehe nichts als Befriedigung Eures sinnlichen Verlangens? Bedürft Ihr nicht der ernsten Erzieherin für Eure Söhne, der vorsichtigen Beratherin für Eure Töchter, der klugen Verwalterin Eures Erwerbes? — Kam die Stunde der Entmuthigung nie an Euch heran, in der Ihr an Eurem Weibe mehr zu haben wünschtet, als ein hülfloses Wesen, das rathlos Euer Leid und Eure Sorge beweinte und dessen ohnmächtiger Kummer Euch das Herz noch mehr belastete? Ist niemals Krankheit über </p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0117]
englische und französische Roman, darüber geht es nur zu häufig nicht hinaus. Die Frauen der alten adeligen Familien, die Frauen der Gelehrten, der weniger bemittelten Familien in den kleinen Städten, in den Provinzen, in den Pfarrhäusern, sind in Betracht ihres wahren Werthes jenen Anderen in der großen Masse vielfach überlegen, und doch ist der Einfluß des reichen Bürgerstandes ein so großer; doch finden die Männer desselben in der gewinnbringenden Arbeit ihre Ehre. Und für die Frauen dieser selben Stände sollte die Arbeit etwas Erniedrigendes sein? Welch' eine wunderbare Logik! Sie ist eben so falsch, wie die vorhin erwähnte Behauptung vieler Männer, daß geistig entwickelte und selbständige Frauen keiner wahren Hingebung fähig seien.
Ich möchte umgekehrt fragen: Was hat Euch eine Frau, die kein eigenes Geistesleben führt, die nichts Rechtes weiß und nichts Rechtes kann, was hat sie Euch hinzugeben als eben ihren Körper? Und begehrt Ihr von der Ehe nichts als Befriedigung Eures sinnlichen Verlangens? Bedürft Ihr nicht der ernsten Erzieherin für Eure Söhne, der vorsichtigen Beratherin für Eure Töchter, der klugen Verwalterin Eures Erwerbes? — Kam die Stunde der Entmuthigung nie an Euch heran, in der Ihr an Eurem Weibe mehr zu haben wünschtet, als ein hülfloses Wesen, das rathlos Euer Leid und Eure Sorge beweinte und dessen ohnmächtiger Kummer Euch das Herz noch mehr belastete? Ist niemals Krankheit über
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/117>, abgerufen am 16.02.2025. |