Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.nicht Anlaß gegeben, sich darüber zu beschweren, daß wir in einem selbständigen Berufe wie die Männer gearbeitet haben und arbeiten. Und wenn wir auch vielleicht weniger Zeit und nicht die Mittel, und nicht mehr Sinn als nöthig gehabt haben, uns der Eleganz und Mode in dem Grade zu befleißigen, wie die reichen müßigen Gegnerinnen der Frauen-Emancipation, so ist sicherlich das Empfinden, mit dem wir irgend ein für unser Haus und die Unseren von dem Ertrage unserer Arbeit erkauftes Stück von Hausrath oder sonstigem Bedarf, bei schlechtem Wetter und in sehr gewöhnlicher Kleidung über die Straße selbst nach Hause getragen haben, ganz gewiß nicht weniger weiblich, nicht weniger hoch und nicht weniger beglückend und ehrenwerth gewesen, als die lächelnde Heiterkeit, mit welcher die reichen und müßigen Frauen auf Kosten ihrer Männer ihr Haus versorgen. Ich bin keine neidische Feindin des Reichthums und der Reichen, ich habe auch keinen Grund irgend einer Art dazu; aber ich lehne mich auf gegen das Vorurtheil der begüterten Frauen, das die wahre Weiblichkeit im Müßiggang und in der Sorgenfreiheit sucht -- ja! sie bis zu einem solchen Grade in dem Müßiggange sucht, daß ich im großen Ganzen nirgend weniger wahre Bildung, nirgend weniger Lust sich zu unterrichten, weniger Theilnahme an dem Geistigen und Allgemeinen gefunden habe, als in den Kreisen der reichen bürgerlichen Frauen. Die Oper, das Clavier, ein bischen Gesang und der nicht Anlaß gegeben, sich darüber zu beschweren, daß wir in einem selbständigen Berufe wie die Männer gearbeitet haben und arbeiten. Und wenn wir auch vielleicht weniger Zeit und nicht die Mittel, und nicht mehr Sinn als nöthig gehabt haben, uns der Eleganz und Mode in dem Grade zu befleißigen, wie die reichen müßigen Gegnerinnen der Frauen-Emancipation, so ist sicherlich das Empfinden, mit dem wir irgend ein für unser Haus und die Unseren von dem Ertrage unserer Arbeit erkauftes Stück von Hausrath oder sonstigem Bedarf, bei schlechtem Wetter und in sehr gewöhnlicher Kleidung über die Straße selbst nach Hause getragen haben, ganz gewiß nicht weniger weiblich, nicht weniger hoch und nicht weniger beglückend und ehrenwerth gewesen, als die lächelnde Heiterkeit, mit welcher die reichen und müßigen Frauen auf Kosten ihrer Männer ihr Haus versorgen. Ich bin keine neidische Feindin des Reichthums und der Reichen, ich habe auch keinen Grund irgend einer Art dazu; aber ich lehne mich auf gegen das Vorurtheil der begüterten Frauen, das die wahre Weiblichkeit im Müßiggang und in der Sorgenfreiheit sucht — ja! sie bis zu einem solchen Grade in dem Müßiggange sucht, daß ich im großen Ganzen nirgend weniger wahre Bildung, nirgend weniger Lust sich zu unterrichten, weniger Theilnahme an dem Geistigen und Allgemeinen gefunden habe, als in den Kreisen der reichen bürgerlichen Frauen. Die Oper, das Clavier, ein bischen Gesang und der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="106"/> nicht Anlaß gegeben, sich darüber zu beschweren, daß wir in einem selbständigen Berufe wie die Männer gearbeitet haben und arbeiten. Und wenn wir auch vielleicht weniger Zeit und nicht die Mittel, und nicht mehr Sinn als nöthig gehabt haben, uns der Eleganz und Mode in dem Grade zu befleißigen, wie die reichen müßigen Gegnerinnen der Frauen-Emancipation, so ist sicherlich das Empfinden, mit dem wir irgend ein für unser Haus und die Unseren von dem Ertrage unserer Arbeit erkauftes Stück von Hausrath oder sonstigem Bedarf, bei schlechtem Wetter und in sehr gewöhnlicher Kleidung über die Straße selbst nach Hause getragen haben, ganz gewiß nicht weniger weiblich, nicht weniger hoch und nicht weniger beglückend und ehrenwerth gewesen, als die lächelnde Heiterkeit, mit welcher die reichen und müßigen Frauen auf Kosten ihrer Männer ihr Haus versorgen.</p> <p>Ich bin keine neidische Feindin des Reichthums und der Reichen, ich habe auch keinen Grund irgend einer Art dazu; aber ich lehne mich auf gegen das Vorurtheil der begüterten Frauen, das die wahre Weiblichkeit im Müßiggang und in der Sorgenfreiheit sucht — ja! sie bis zu einem solchen Grade in dem Müßiggange sucht, daß ich im großen Ganzen nirgend weniger wahre Bildung, nirgend weniger Lust sich zu unterrichten, weniger Theilnahme an dem Geistigen und Allgemeinen gefunden habe, als in den Kreisen der reichen bürgerlichen Frauen. Die Oper, das Clavier, ein bischen Gesang und der </p> </div> </body> </text> </TEI> [106/0116]
nicht Anlaß gegeben, sich darüber zu beschweren, daß wir in einem selbständigen Berufe wie die Männer gearbeitet haben und arbeiten. Und wenn wir auch vielleicht weniger Zeit und nicht die Mittel, und nicht mehr Sinn als nöthig gehabt haben, uns der Eleganz und Mode in dem Grade zu befleißigen, wie die reichen müßigen Gegnerinnen der Frauen-Emancipation, so ist sicherlich das Empfinden, mit dem wir irgend ein für unser Haus und die Unseren von dem Ertrage unserer Arbeit erkauftes Stück von Hausrath oder sonstigem Bedarf, bei schlechtem Wetter und in sehr gewöhnlicher Kleidung über die Straße selbst nach Hause getragen haben, ganz gewiß nicht weniger weiblich, nicht weniger hoch und nicht weniger beglückend und ehrenwerth gewesen, als die lächelnde Heiterkeit, mit welcher die reichen und müßigen Frauen auf Kosten ihrer Männer ihr Haus versorgen.
Ich bin keine neidische Feindin des Reichthums und der Reichen, ich habe auch keinen Grund irgend einer Art dazu; aber ich lehne mich auf gegen das Vorurtheil der begüterten Frauen, das die wahre Weiblichkeit im Müßiggang und in der Sorgenfreiheit sucht — ja! sie bis zu einem solchen Grade in dem Müßiggange sucht, daß ich im großen Ganzen nirgend weniger wahre Bildung, nirgend weniger Lust sich zu unterrichten, weniger Theilnahme an dem Geistigen und Allgemeinen gefunden habe, als in den Kreisen der reichen bürgerlichen Frauen. Die Oper, das Clavier, ein bischen Gesang und der
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/116>, abgerufen am 16.02.2025. |