Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Forderungen eingenommen hat, den sie nun auch sicherlich behaupten wird, bis sie ihre vernunftgemäße und gerechte Erledigung gefunden haben wird. Es war bald nach der Juli-Revolution, als man innerhalb unserer gebildeten bürgerlichen Gesellschaft zuerst von der Frauen-Emancipation zu sprechen anfing. Die Vorstellung wie die Bezeichnung kamen aus Frankreich, zum größten Theile aus französischen Romanen zu uns herüber und fielen mit der Theorie von der sogenannten Emancipation des Fleisches zusammen, welcher damals in verschiedenen deutschen Romanen, leichtfertigen Andenkens, das Wort geredet wurde. Die einen wie die anderen Romane waren in ihrem tiefsten Innern unsittlich, und wie uns Jüngere der Reiz der Darstellung und die einzelnen Züge von Wahrheit in den französischen und deutschen Dichtungen auch blenden und über ihre Begriffsverwirrung täuschen konnten, hatten die reifen Köpfe in der Nation vollkommen Recht, wenn sie ihr Verdammungsurtheil aussprachen gegen diese dichterische Verklärung der Frauen-Emancipation und der Emancipation des Fleisches, welcher der St. Simonismus vorgearbeitet hatte; da Beide im Wesentlichen nichts Anderes predigten, als die Schrankenlosigkeit des sinnlichen Genusses zwischen Mann und Weib. Es galt deshalb auch, als ich jung war, beinahe für unanständig, von der Emancipation der Frauen überhaupt nur zu sprechen, denn man dachte dabei vor Allem an jene französischen Forderungen eingenommen hat, den sie nun auch sicherlich behaupten wird, bis sie ihre vernunftgemäße und gerechte Erledigung gefunden haben wird. Es war bald nach der Juli-Revolution, als man innerhalb unserer gebildeten bürgerlichen Gesellschaft zuerst von der Frauen-Emancipation zu sprechen anfing. Die Vorstellung wie die Bezeichnung kamen aus Frankreich, zum größten Theile aus französischen Romanen zu uns herüber und fielen mit der Theorie von der sogenannten Emancipation des Fleisches zusammen, welcher damals in verschiedenen deutschen Romanen, leichtfertigen Andenkens, das Wort geredet wurde. Die einen wie die anderen Romane waren in ihrem tiefsten Innern unsittlich, und wie uns Jüngere der Reiz der Darstellung und die einzelnen Züge von Wahrheit in den französischen und deutschen Dichtungen auch blenden und über ihre Begriffsverwirrung täuschen konnten, hatten die reifen Köpfe in der Nation vollkommen Recht, wenn sie ihr Verdammungsurtheil aussprachen gegen diese dichterische Verklärung der Frauen-Emancipation und der Emancipation des Fleisches, welcher der St. Simonismus vorgearbeitet hatte; da Beide im Wesentlichen nichts Anderes predigten, als die Schrankenlosigkeit des sinnlichen Genusses zwischen Mann und Weib. Es galt deshalb auch, als ich jung war, beinahe für unanständig, von der Emancipation der Frauen überhaupt nur zu sprechen, denn man dachte dabei vor Allem an jene französischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0103" n="93"/> Forderungen eingenommen hat, den sie nun auch sicherlich behaupten wird, bis sie ihre vernunftgemäße und gerechte Erledigung gefunden haben wird.</p> <p>Es war bald nach der Juli-Revolution, als man innerhalb unserer gebildeten bürgerlichen Gesellschaft zuerst von der Frauen-Emancipation zu sprechen anfing. Die Vorstellung wie die Bezeichnung kamen aus Frankreich, zum größten Theile aus französischen Romanen zu uns herüber und fielen mit der Theorie von der sogenannten Emancipation des Fleisches zusammen, welcher damals in verschiedenen deutschen Romanen, leichtfertigen Andenkens, das Wort geredet wurde. Die einen wie die anderen Romane waren in ihrem tiefsten Innern unsittlich, und wie uns Jüngere der Reiz der Darstellung und die einzelnen Züge von Wahrheit in den französischen und deutschen Dichtungen auch blenden und über ihre Begriffsverwirrung täuschen konnten, hatten die reifen Köpfe in der Nation vollkommen Recht, wenn sie ihr Verdammungsurtheil aussprachen gegen diese dichterische Verklärung der Frauen-Emancipation und der Emancipation des Fleisches, welcher der St. Simonismus vorgearbeitet hatte; da Beide im Wesentlichen nichts Anderes predigten, als die Schrankenlosigkeit des sinnlichen Genusses zwischen Mann und Weib. Es galt deshalb auch, als ich jung war, beinahe für unanständig, von der Emancipation der Frauen überhaupt nur zu sprechen, denn man dachte dabei vor Allem an jene französischen </p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0103]
Forderungen eingenommen hat, den sie nun auch sicherlich behaupten wird, bis sie ihre vernunftgemäße und gerechte Erledigung gefunden haben wird.
Es war bald nach der Juli-Revolution, als man innerhalb unserer gebildeten bürgerlichen Gesellschaft zuerst von der Frauen-Emancipation zu sprechen anfing. Die Vorstellung wie die Bezeichnung kamen aus Frankreich, zum größten Theile aus französischen Romanen zu uns herüber und fielen mit der Theorie von der sogenannten Emancipation des Fleisches zusammen, welcher damals in verschiedenen deutschen Romanen, leichtfertigen Andenkens, das Wort geredet wurde. Die einen wie die anderen Romane waren in ihrem tiefsten Innern unsittlich, und wie uns Jüngere der Reiz der Darstellung und die einzelnen Züge von Wahrheit in den französischen und deutschen Dichtungen auch blenden und über ihre Begriffsverwirrung täuschen konnten, hatten die reifen Köpfe in der Nation vollkommen Recht, wenn sie ihr Verdammungsurtheil aussprachen gegen diese dichterische Verklärung der Frauen-Emancipation und der Emancipation des Fleisches, welcher der St. Simonismus vorgearbeitet hatte; da Beide im Wesentlichen nichts Anderes predigten, als die Schrankenlosigkeit des sinnlichen Genusses zwischen Mann und Weib. Es galt deshalb auch, als ich jung war, beinahe für unanständig, von der Emancipation der Frauen überhaupt nur zu sprechen, denn man dachte dabei vor Allem an jene französischen
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/103>, abgerufen am 16.02.2025. |