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Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.

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Mein Gott!" rief Samuel, "so spät!" -- und in dem Augenblicke trat der Hausknecht ein, zu melden, daß die Droschke da sei.

Adele war schon aufgestanden, Samuel reichte ihr den Schawl, den Schirm, den Pompadour, er war ihr so behülflich, als sei's ihm lieb, daß sie nur gehe. Wenigestens schien es Adelen so, und dennoch meinte Samuel, sie haste sich doch gar zu sehr, das Zimmer zu verlassen, damit er nur nicht zu ihr sprechen könne. Des Mißverstehens war kein Ende zwischen ihnen, weil Jeder glaubte, der Andere müsse ja in seinem Herzen lesen.

Auf dem ganzen Wege empfanden Beide ihr Schweigen als ein wahres Unglück, aber Keiner fand das rechte Wort und Jeder grollte auf den Anderen.

Endlich, auf dem Bahnhof sprachen sie: vom guten Wetter, von den guten Wegen, von der Eisenbahnfrequenz im Sommer. Indeß es klang

Mein Gott!” rief Samuel, “so spät!” — und in dem Augenblicke trat der Hausknecht ein, zu melden, daß die Droschke da sei.

Adele war schon aufgestanden, Samuel reichte ihr den Schawl, den Schirm, den Pompadour, er war ihr so behülflich, als sei’s ihm lieb, daß sie nur gehe. Wenigestens schien es Adelen so, und dennoch meinte Samuel, sie haste sich doch gar zu sehr, das Zimmer zu verlassen, damit er nur nicht zu ihr sprechen könne. Des Mißverstehens war kein Ende zwischen ihnen, weil Jeder glaubte, der Andere müsse ja in seinem Herzen lesen.

Auf dem ganzen Wege empfanden Beide ihr Schweigen als ein wahres Unglück, aber Keiner fand das rechte Wort und Jeder grollte auf den Anderen.

Endlich, auf dem Bahnhof sprachen sie: vom guten Wetter, von den guten Wegen, von der Eisenbahnfrequenz im Sommer. Indeß es klang

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[258/0268] Mein Gott!” rief Samuel, “so spät!” — und in dem Augenblicke trat der Hausknecht ein, zu melden, daß die Droschke da sei. Adele war schon aufgestanden, Samuel reichte ihr den Schawl, den Schirm, den Pompadour, er war ihr so behülflich, als sei’s ihm lieb, daß sie nur gehe. Wenigestens schien es Adelen so, und dennoch meinte Samuel, sie haste sich doch gar zu sehr, das Zimmer zu verlassen, damit er nur nicht zu ihr sprechen könne. Des Mißverstehens war kein Ende zwischen ihnen, weil Jeder glaubte, der Andere müsse ja in seinem Herzen lesen. Auf dem ganzen Wege empfanden Beide ihr Schweigen als ein wahres Unglück, aber Keiner fand das rechte Wort und Jeder grollte auf den Anderen. Endlich, auf dem Bahnhof sprachen sie: vom guten Wetter, von den guten Wegen, von der Eisenbahnfrequenz im Sommer. Indeß es klang

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_adele_1864/268>, abgerufen am 25.11.2024.