Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864."Fähigkeit? Talent? Wie kommen Sie darauf, jetzt darauf?" fragte er wie Einer, der an seinen eigenen Sinnen irre wird. "Wie ich darauf komme? -- Sie wissen also noch nicht?" "Was soll ich wissen? was um Gottes willen?" rief er. "Das Lob," nahm die Mutter das Wort, "das glänzende Lob, das man Adelen ertheilt." Sie hielt ihm eine Zeitschrift vor, er sah auf der ersten Seite die Ueberschrift: "Des Dichters Genius, ein Roman," und legte das Blatt schweigend aus der Hand. "So!" sagte er, "also der Roman war's! der Roman ist erschienen! das ist ja schön!" Er hätte gern mehr gesprochen, etwas Anderes gesagt, aber der Hals war ihm wie zugeschnürt, und er dankte Gott, daß er noch so viel vorgebracht. Er hatte eine so süße Täuschung, eine so bittere Enttäuschung erlitten, und in Keinem “Fähigkeit? Talent? Wie kommen Sie darauf, jetzt darauf?” fragte er wie Einer, der an seinen eigenen Sinnen irre wird. “Wie ich darauf komme? — Sie wissen also noch nicht?” “Was soll ich wissen? was um Gottes willen?” rief er. “Das Lob,” nahm die Mutter das Wort, “das glänzende Lob, das man Adelen ertheilt.” Sie hielt ihm eine Zeitschrift vor, er sah auf der ersten Seite die Ueberschrift: “Des Dichters Genius, ein Roman,” und legte das Blatt schweigend aus der Hand. “So!” sagte er, “also der Roman war’s! der Roman ist erschienen! das ist ja schön!” Er hätte gern mehr gesprochen, etwas Anderes gesagt, aber der Hals war ihm wie zugeschnürt, und er dankte Gott, daß er noch so viel vorgebracht. Er hatte eine so süße Täuschung, eine so bittere Enttäuschung erlitten, und in Keinem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0115" n="105"/> <p> “Fähigkeit? Talent? Wie kommen Sie darauf, jetzt darauf?” fragte er wie Einer, der an seinen eigenen Sinnen irre wird.</p> <p> “Wie ich darauf komme? — Sie wissen also noch nicht?”</p> <p> “Was soll ich wissen? was um Gottes willen?” rief er.</p> <p> “Das Lob,” nahm die Mutter das Wort, “das glänzende Lob, das man Adelen ertheilt.” Sie hielt ihm eine Zeitschrift vor, er sah auf der ersten Seite die Ueberschrift: “Des Dichters Genius, ein Roman,” und legte das Blatt schweigend aus der Hand.</p> <p> “So!” sagte er, “also der Roman war’s! der Roman ist erschienen! das ist ja schön!” Er hätte gern mehr gesprochen, etwas Anderes gesagt, aber der Hals war ihm wie zugeschnürt, und er dankte Gott, daß er noch so viel vorgebracht. Er hatte eine so süße Täuschung, eine so bittere Enttäuschung erlitten, und in Keinem </p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0115]
“Fähigkeit? Talent? Wie kommen Sie darauf, jetzt darauf?” fragte er wie Einer, der an seinen eigenen Sinnen irre wird.
“Wie ich darauf komme? — Sie wissen also noch nicht?”
“Was soll ich wissen? was um Gottes willen?” rief er.
“Das Lob,” nahm die Mutter das Wort, “das glänzende Lob, das man Adelen ertheilt.” Sie hielt ihm eine Zeitschrift vor, er sah auf der ersten Seite die Ueberschrift: “Des Dichters Genius, ein Roman,” und legte das Blatt schweigend aus der Hand.
“So!” sagte er, “also der Roman war’s! der Roman ist erschienen! das ist ja schön!” Er hätte gern mehr gesprochen, etwas Anderes gesagt, aber der Hals war ihm wie zugeschnürt, und er dankte Gott, daß er noch so viel vorgebracht. Er hatte eine so süße Täuschung, eine so bittere Enttäuschung erlitten, und in Keinem
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