Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.solchen Vorstellungen nicht mehr überlassen, denn er wußte, daß es jetzt kaum eine Familie zu ernähren, geschweige denn für zwei ein Auskommen zu bieten vermochte. Er hatte überhaupt die letzten beiden Jahre nicht viel an sich zu denken Zeit gehabt, und im Grunde niemals viel auf sein Empfinden Acht gegeben. Das wurde ihm klar, als er nun in nächtlicher Einsamkeit über die Erlebnisse des heutigen Tages nachsann. Er begriff nicht, wie es möglich sei, daß er Adele liebte, denn Alles, was sie that, hatte ihm von Anfang an mißfallen. Er hatte sich immer zwingen müssen, sie nicht zu tadeln. Nur hübsch hatte er sie gefunden, sehr hübsch! und gutmüthig, sehr gutmüthig! Aber das hieß doch nicht ein Mädchen lieben, wenn man es wohlgestalt und guten Herzens fand? Er ging ärgerlich auf und nieder. Mit einem Male blieb er stehen, schlug sich vor die Stirn und sagte: "Samuel! Samuel! sei doch kein solchen Vorstellungen nicht mehr überlassen, denn er wußte, daß es jetzt kaum eine Familie zu ernähren, geschweige denn für zwei ein Auskommen zu bieten vermochte. Er hatte überhaupt die letzten beiden Jahre nicht viel an sich zu denken Zeit gehabt, und im Grunde niemals viel auf sein Empfinden Acht gegeben. Das wurde ihm klar, als er nun in nächtlicher Einsamkeit über die Erlebnisse des heutigen Tages nachsann. Er begriff nicht, wie es möglich sei, daß er Adele liebte, denn Alles, was sie that, hatte ihm von Anfang an mißfallen. Er hatte sich immer zwingen müssen, sie nicht zu tadeln. Nur hübsch hatte er sie gefunden, sehr hübsch! und gutmüthig, sehr gutmüthig! Aber das hieß doch nicht ein Mädchen lieben, wenn man es wohlgestalt und guten Herzens fand? Er ging ärgerlich auf und nieder. Mit einem Male blieb er stehen, schlug sich vor die Stirn und sagte: “Samuel! Samuel! sei doch kein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="90"/> solchen Vorstellungen nicht mehr überlassen, denn er wußte, daß es jetzt kaum eine Familie zu ernähren, geschweige denn für zwei ein Auskommen zu bieten vermochte. Er hatte überhaupt die letzten beiden Jahre nicht viel an sich zu denken Zeit gehabt, und im Grunde niemals viel auf sein Empfinden Acht gegeben. Das wurde ihm klar, als er nun in nächtlicher Einsamkeit über die Erlebnisse des heutigen Tages nachsann. Er begriff nicht, wie es möglich sei, daß er Adele liebte, denn Alles, was sie that, hatte ihm von Anfang an mißfallen. Er hatte sich immer zwingen müssen, sie nicht zu tadeln. Nur hübsch hatte er sie gefunden, sehr hübsch! und gutmüthig, sehr gutmüthig! Aber das hieß doch nicht ein Mädchen lieben, wenn man es wohlgestalt und guten Herzens fand?</p> <p> Er ging ärgerlich auf und nieder. Mit einem Male blieb er stehen, schlug sich vor die Stirn und sagte: “Samuel! Samuel! sei doch kein </p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0100]
solchen Vorstellungen nicht mehr überlassen, denn er wußte, daß es jetzt kaum eine Familie zu ernähren, geschweige denn für zwei ein Auskommen zu bieten vermochte. Er hatte überhaupt die letzten beiden Jahre nicht viel an sich zu denken Zeit gehabt, und im Grunde niemals viel auf sein Empfinden Acht gegeben. Das wurde ihm klar, als er nun in nächtlicher Einsamkeit über die Erlebnisse des heutigen Tages nachsann. Er begriff nicht, wie es möglich sei, daß er Adele liebte, denn Alles, was sie that, hatte ihm von Anfang an mißfallen. Er hatte sich immer zwingen müssen, sie nicht zu tadeln. Nur hübsch hatte er sie gefunden, sehr hübsch! und gutmüthig, sehr gutmüthig! Aber das hieß doch nicht ein Mädchen lieben, wenn man es wohlgestalt und guten Herzens fand?
Er ging ärgerlich auf und nieder. Mit einem Male blieb er stehen, schlug sich vor die Stirn und sagte: “Samuel! Samuel! sei doch kein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie".
(2013-02-04T11:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
archive.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-04T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-02-04T11:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |