[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Erzbisch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers. über die Lübecker, als diese zur Zeit des Krieges den Russen contrebande Waaren zuführten. Privilegien aber werden auch an Fremde und Ausländer ertheilet, derglei- chen Riga bey vielen Potentaten erhalten hatte, ohne derselben Oberherschaft unterwor- fen zu werden. e) Auf den Rechtshandel, welchen Reinhold von Rosen und Reinhold von Vie- tinghoff vor der Reichskammer 1524 geführet haben. Mynsinger singul. obseru. centuria IV. obseru. 54, und Gylmann in praeiudiciis camerae Imperialis p. 31. A. Dieser einzelne Fal, wenn er auch richtig wäre, würde dennoch zum Beweis des Hauptsatzes unzulänglich seyn. Die Streitigkeiten zwischen dem Meister und Erz- bischof zur Zeit der Reformation verstatteten keinen unparteiischen Richter für beider- seitige Vasallen, die sich deswegen an den algemeinen Schiedsrichter der Christenheit wandten. Aber auch diese Freiheit unter Privatpersonen lief gegen die Landesstatuten nach welchen kein Urteil ausser Landes, wie ehemals geschehen, gesuchet werden durfte. Und als der Gegenpart die Ungültigkeit des Gerichts zu Speier zeigte, ward dieser Proces ganz zurück gewiesen. Wolte man zu diesen Einwürfen noch einige hinzufügen, z. Ex. daß Liefland zu seinem Contingent 50 Fl. an das Reich erlegen müssen, daß die Stände sich auf des römischen Reichs Hülfe bezogen, daß der Kaiser Liefland ausdrücklich seine und des Reichs Provinz nenne; so kan unserm Satze daraus kein Nachtheil erwachsen. Denn 1) ist es was gewönliches, daß ein freies Volk dem andern für seine Bürg- schaft eine gewisse Summe abträget. Liefland hatte vorher solche Schutzbündnisse mit Schweden errichtet, ohne daß das römische Reich dabey befraget worden. 50 Fl. die nicht einmal ordentlich entrichtet wurden, thaten dem Schutz des Reichs nicht Genüge, geschweige, daß sie als eine Erkentlichkeit des Lehntragers angese- hen werden könten. Höchstens zeigen sie so viel an, daß zwischen dem Reiche und Liefland eine Art der Verbindung gewesen: wie weit diese aber gegangen, wird sich bald aus den kaiserlichen Briefen zeigen. 2) Daß der Kaiser Liefland seine und des Reichs Provinz nennet, ist kein un- bequemer Ausdruck, weil auch Schutzländer Provinzen des Reichs seyn können. Alle diplomata protectoria des Kaisers hatten zur Absicht, den liefländischen Ständen Ansehen und Schutz zu verschaffen; weiter gieng diese Hülfe nicht. Und wenn auch der Kaiser Liefland seinen und des Reichs Augapfel genennet hätte, so mus doch die Rich- tigkeit dieses Satzes mehr aus dem kaiserlichen Betragen als den Worten erkläret wer- den. Da die Noth am grösten war, so rechnete der Kaiser die Liefländer zur gesam- ten Christenheit, und entschuldigte sich, daß er dieselbe nicht aller Orten schützen könne, welches er auch mit der That bestätigte. 3) Am allerwenigsten beweisen es die durch die Grösse der Noth erpresten Worte der hochbedrängten Liefländer, welche hinter diesem Palladio die Freiheit ihres Lan- des zu behaupten hoften. Sie suchten mit äusserster Bemühung den Schutz beim Kai- ser, den sie bey keinem Nachbar ohne Unterwerfung erlangen konten. Denn gegen die Unterwerfung fand sich überal Schutz für sie. Sie müssen also ununterworfen gewe- sen seyn. Fürnemlich hatte Kettler darauf zu dringen, daß das Reich ihm entweder helfen, oder ihm in seinen Verträgen freie Hände lassen möchte. Das Beispiel des Hochmeisters Albrechts in Preussen hatte ihn gewitziget, als welcher 1532 in die Acht erkläret wurde; nicht weil er sich vom deutschen Reiche losgerissen, sondern, wie es im Decret heist, weil er den Orden verlassen, und dessen gemeinschaftliche Güter für seine Person zu Lehn genommen. Sonst waren auch gewisse Vorrechte auf deutschem Grund und Boden damit verknüpft, wenn man sich unter den Schutzgenossen des Reichs befand. Die Liefländer waren also ein freies Volk, das nie etwas anders beim Kaiser gesucht als die Schutznehmung. 4) Haben die Stände in Liefland sich allerdings mit diesem Titel bey der Un- terwerfung Vortheile zu wege gebracht, die sie vielleicht ohne solche Berufung auf das römische Reich nicht erhalten haben würden. Die Stadt Riga beweiset solches am deutlichsten. Sie berief sich auf den Kaiser, und lebte 20 Jahr in besondrer Freiheit. Daß sie aber dem Kaiser nicht unterthan gewesen, ist daraus klar, weil sie mitlerwei- le F f f f 2
Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers. uͤber die Luͤbecker, als dieſe zur Zeit des Krieges den Ruſſen contrebande Waaren zufuͤhrten. Privilegien aber werden auch an Fremde und Auslaͤnder ertheilet, derglei- chen Riga bey vielen Potentaten erhalten hatte, ohne derſelben Oberherſchaft unterwor- fen zu werden. ε) Auf den Rechtshandel, welchen Reinhold von Roſen und Reinhold von Vie- tinghoff vor der Reichskammer 1524 gefuͤhret haben. Mynſinger ſingul. obſeru. centuria IV. obſeru. 54, und Gylmann in praeiudiciis camerae Imperialis p. 31. A. Dieſer einzelne Fal, wenn er auch richtig waͤre, wuͤrde dennoch zum Beweis des Hauptſatzes unzulaͤnglich ſeyn. Die Streitigkeiten zwiſchen dem Meiſter und Erz- biſchof zur Zeit der Reformation verſtatteten keinen unparteiiſchen Richter fuͤr beider- ſeitige Vaſallen, die ſich deswegen an den algemeinen Schiedsrichter der Chriſtenheit wandten. Aber auch dieſe Freiheit unter Privatperſonen lief gegen die Landesſtatuten nach welchen kein Urteil auſſer Landes, wie ehemals geſchehen, geſuchet werden durfte. Und als der Gegenpart die Unguͤltigkeit des Gerichts zu Speier zeigte, ward dieſer Proces ganz zuruͤck gewieſen. Wolte man zu dieſen Einwuͤrfen noch einige hinzufuͤgen, z. Ex. daß Liefland zu ſeinem Contingent 50 Fl. an das Reich erlegen muͤſſen, daß die Staͤnde ſich auf des roͤmiſchen Reichs Huͤlfe bezogen, daß der Kaiſer Liefland ausdruͤcklich ſeine und des Reichs Provinz nenne; ſo kan unſerm Satze daraus kein Nachtheil erwachſen. Denn 1) iſt es was gewoͤnliches, daß ein freies Volk dem andern fuͤr ſeine Buͤrg- ſchaft eine gewiſſe Summe abtraͤget. Liefland hatte vorher ſolche Schutzbuͤndniſſe mit Schweden errichtet, ohne daß das roͤmiſche Reich dabey befraget worden. 50 Fl. die nicht einmal ordentlich entrichtet wurden, thaten dem Schutz des Reichs nicht Genuͤge, geſchweige, daß ſie als eine Erkentlichkeit des Lehntragers angeſe- hen werden koͤnten. Hoͤchſtens zeigen ſie ſo viel an, daß zwiſchen dem Reiche und Liefland eine Art der Verbindung geweſen: wie weit dieſe aber gegangen, wird ſich bald aus den kaiſerlichen Briefen zeigen. 2) Daß der Kaiſer Liefland ſeine und des Reichs Provinz nennet, iſt kein un- bequemer Ausdruck, weil auch Schutzlaͤnder Provinzen des Reichs ſeyn koͤnnen. Alle diplomata protectoria des Kaiſers hatten zur Abſicht, den lieflaͤndiſchen Staͤnden Anſehen und Schutz zu verſchaffen; weiter gieng dieſe Huͤlfe nicht. Und wenn auch der Kaiſer Liefland ſeinen und des Reichs Augapfel genennet haͤtte, ſo mus doch die Rich- tigkeit dieſes Satzes mehr aus dem kaiſerlichen Betragen als den Worten erklaͤret wer- den. Da die Noth am groͤſten war, ſo rechnete der Kaiſer die Lieflaͤnder zur geſam- ten Chriſtenheit, und entſchuldigte ſich, daß er dieſelbe nicht aller Orten ſchuͤtzen koͤnne, welches er auch mit der That beſtaͤtigte. 3) Am allerwenigſten beweiſen es die durch die Groͤſſe der Noth erpreſten Worte der hochbedraͤngten Lieflaͤnder, welche hinter dieſem Palladio die Freiheit ihres Lan- des zu behaupten hoften. Sie ſuchten mit aͤuſſerſter Bemuͤhung den Schutz beim Kai- ſer, den ſie bey keinem Nachbar ohne Unterwerfung erlangen konten. Denn gegen die Unterwerfung fand ſich uͤberal Schutz fuͤr ſie. Sie muͤſſen alſo ununterworfen gewe- ſen ſeyn. Fuͤrnemlich hatte Kettler darauf zu dringen, daß das Reich ihm entweder helfen, oder ihm in ſeinen Vertraͤgen freie Haͤnde laſſen moͤchte. Das Beiſpiel des Hochmeiſters Albrechts in Preuſſen hatte ihn gewitziget, als welcher 1532 in die Acht erklaͤret wurde; nicht weil er ſich vom deutſchen Reiche losgeriſſen, ſondern, wie es im Decret heiſt, weil er den Orden verlaſſen, und deſſen gemeinſchaftliche Guͤter fuͤr ſeine Perſon zu Lehn genommen. Sonſt waren auch gewiſſe Vorrechte auf deutſchem Grund und Boden damit verknuͤpft, wenn man ſich unter den Schutzgenoſſen des Reichs befand. Die Lieflaͤnder waren alſo ein freies Volk, das nie etwas anders beim Kaiſer geſucht als die Schutznehmung. 4) Haben die Staͤnde in Liefland ſich allerdings mit dieſem Titel bey der Un- terwerfung Vortheile zu wege gebracht, die ſie vielleicht ohne ſolche Berufung auf das roͤmiſche Reich nicht erhalten haben wuͤrden. Die Stadt Riga beweiſet ſolches am deutlichſten. Sie berief ſich auf den Kaiſer, und lebte 20 Jahr in beſondrer Freiheit. Daß ſie aber dem Kaiſer nicht unterthan geweſen, iſt daraus klar, weil ſie mitlerwei- le F f f f 2
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zufuͤhrten. Privilegien aber werden auch an Fremde und Auslaͤnder ertheilet, derglei-
chen Riga bey vielen Potentaten erhalten hatte, ohne derſelben Oberherſchaft unterwor-
fen zu werden.
ε) Auf den Rechtshandel, welchen Reinhold von Roſen und Reinhold von Vie-
tinghoff vor der Reichskammer 1524 gefuͤhret haben. Mynſinger ſingul. obſeru.
centuria IV. obſeru. 54, und Gylmann in praeiudiciis camerae Imperialis p. 31.
A. Dieſer einzelne Fal, wenn er auch richtig waͤre, wuͤrde dennoch zum Beweis
des Hauptſatzes unzulaͤnglich ſeyn. Die Streitigkeiten zwiſchen dem Meiſter und Erz-
biſchof zur Zeit der Reformation verſtatteten keinen unparteiiſchen Richter fuͤr beider-
ſeitige Vaſallen, die ſich deswegen an den algemeinen Schiedsrichter der Chriſtenheit
wandten. Aber auch dieſe Freiheit unter Privatperſonen lief gegen die Landesſtatuten
nach welchen kein Urteil auſſer Landes, wie ehemals geſchehen, geſuchet werden durfte.
Und als der Gegenpart die Unguͤltigkeit des Gerichts zu Speier zeigte, ward dieſer
Proces ganz zuruͤck gewieſen.
Wolte man zu dieſen Einwuͤrfen noch einige hinzufuͤgen, z. Ex. daß Liefland zu
ſeinem Contingent 50 Fl. an das Reich erlegen muͤſſen, daß die Staͤnde ſich auf des
roͤmiſchen Reichs Huͤlfe bezogen, daß der Kaiſer Liefland ausdruͤcklich ſeine und des
Reichs Provinz nenne; ſo kan unſerm Satze daraus kein Nachtheil erwachſen.
Denn 1) iſt es was gewoͤnliches, daß ein freies Volk dem andern fuͤr ſeine Buͤrg-
ſchaft eine gewiſſe Summe abtraͤget. Liefland hatte vorher ſolche Schutzbuͤndniſſe
mit Schweden errichtet, ohne daß das roͤmiſche Reich dabey befraget worden.
50 Fl. die nicht einmal ordentlich entrichtet wurden, thaten dem Schutz des Reichs
nicht Genuͤge, geſchweige, daß ſie als eine Erkentlichkeit des Lehntragers angeſe-
hen werden koͤnten. Hoͤchſtens zeigen ſie ſo viel an, daß zwiſchen dem Reiche
und Liefland eine Art der Verbindung geweſen: wie weit dieſe aber gegangen, wird
ſich bald aus den kaiſerlichen Briefen zeigen.
2) Daß der Kaiſer Liefland ſeine und des Reichs Provinz nennet, iſt kein un-
bequemer Ausdruck, weil auch Schutzlaͤnder Provinzen des Reichs ſeyn koͤnnen. Alle
diplomata protectoria des Kaiſers hatten zur Abſicht, den lieflaͤndiſchen Staͤnden
Anſehen und Schutz zu verſchaffen; weiter gieng dieſe Huͤlfe nicht. Und wenn auch der
Kaiſer Liefland ſeinen und des Reichs Augapfel genennet haͤtte, ſo mus doch die Rich-
tigkeit dieſes Satzes mehr aus dem kaiſerlichen Betragen als den Worten erklaͤret wer-
den. Da die Noth am groͤſten war, ſo rechnete der Kaiſer die Lieflaͤnder zur geſam-
ten Chriſtenheit, und entſchuldigte ſich, daß er dieſelbe nicht aller Orten ſchuͤtzen koͤnne,
welches er auch mit der That beſtaͤtigte.
3) Am allerwenigſten beweiſen es die durch die Groͤſſe der Noth erpreſten Worte
der hochbedraͤngten Lieflaͤnder, welche hinter dieſem Palladio die Freiheit ihres Lan-
des zu behaupten hoften. Sie ſuchten mit aͤuſſerſter Bemuͤhung den Schutz beim Kai-
ſer, den ſie bey keinem Nachbar ohne Unterwerfung erlangen konten. Denn gegen die
Unterwerfung fand ſich uͤberal Schutz fuͤr ſie. Sie muͤſſen alſo ununterworfen gewe-
ſen ſeyn. Fuͤrnemlich hatte Kettler darauf zu dringen, daß das Reich ihm entweder
helfen, oder ihm in ſeinen Vertraͤgen freie Haͤnde laſſen moͤchte. Das Beiſpiel des
Hochmeiſters Albrechts in Preuſſen hatte ihn gewitziget, als welcher 1532 in die Acht
erklaͤret wurde; nicht weil er ſich vom deutſchen Reiche losgeriſſen, ſondern, wie es im
Decret heiſt, weil er den Orden verlaſſen, und deſſen gemeinſchaftliche Guͤter fuͤr ſeine
Perſon zu Lehn genommen. Sonſt waren auch gewiſſe Vorrechte auf deutſchem
Grund und Boden damit verknuͤpft, wenn man ſich unter den Schutzgenoſſen des
Reichs befand. Die Lieflaͤnder waren alſo ein freies Volk, das nie etwas anders
beim Kaiſer geſucht als die Schutznehmung.
4) Haben die Staͤnde in Liefland ſich allerdings mit dieſem Titel bey der Un-
terwerfung Vortheile zu wege gebracht, die ſie vielleicht ohne ſolche Berufung auf das
roͤmiſche Reich nicht erhalten haben wuͤrden. Die Stadt Riga beweiſet ſolches am
deutlichſten. Sie berief ſich auf den Kaiſer, und lebte 20 Jahr in beſondrer Freiheit.
Daß ſie aber dem Kaiſer nicht unterthan geweſen, iſt daraus klar, weil ſie mitlerwei-
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