[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Erzbisch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers. theilig fiel. Und so machten es auch die Pohlen, die doch endlich nach langem1560Zaudern den Kronunterkanzler Philip Padenewski und den Waywoden von Vilna, Nicolaus Radzivil, Herzog von Olika, nach Seleburg schick- ten, welche mit den Häuptern des Landes in nähere Unterhandlung traten, die haltbarsten Plätze besichtigten, und nach und nach den Besatzungsvölkern Befehl zum Anzuge ertheilten. Kettler muste auch die 4 Schlösser Goldingen, Ha- senpot, Durben und Windau um 80000 Gulden an Pohlen versetzen, um nur so viel in die Hände zu bekommen, daß er die deutschen Soldaten be- friedigen konte, die nicht mehr von guten und bösen Worten leben konten, und deren etliche schon mit fliegenden Fahnen aus dem Lande ziehen wolten. Jm Lan- de war für diese armen Leute auch um Geld nicht viel zu haben, da alles verheeret lag, und viele adeliche Besitzer nicht mehr den Roßdienst zu leisten im Stande waren. Der Hunger, welcher sonst den beherztesten Kerl feige machen kan, band selbst dem Ordensmeister die Hände, daß er dasjenige mit seinen Soldaten nicht auszuführen vermochte, wozu sein nie gebeugter Muth den gehörigen Nach- druck und Standhaftigkeit besas. Solche kümmerlichen Umstände brachten diesen um das Wohl des Or- Die Ankunft des Herzogs Magnus von Hollstein, welcher am 14ten Der c) Dieser noch nicht 20 jährige junge Prinz hatte einen starken Anhang von dem Adel, der ihn für einen über die See ihnen zugeführten Schutzherrn von Liefland hielt, aber auch das Schicksal, daß die ehmaligen Räthe des Stifts Dörpt aus Grol gegen den Ordensmeister ihm allerhand Anschläge in den Kopf setzten, zu deren glücklichen Ausfüh- rung der Nachdruck fehlte. Sein Herr Bruder, der König Friedrich, schickte Ge- sandten an den Czaar mit, um ihm diesen Prinz bestens zu empfelen, nnd wegen der Niederreissung der rußischen Kirchen in Liefland eine Vermittelung zu treffen. Aber die Gesandten gelangten nicht zu ihrem Zweck; welches der König für kein gut Zeichen hielt, und daher seinen Bruder Magnus zum Coadiutor des Stifts Hildes- heim erwehlen lies, welche Wahl aber der dasige Bischof Burchard hintertrieb. Er gieng 1561 wieder nach Dännemark, wo ihm der König Ueppigkeit, Schulden und andre Fehler vorrückte, welches doch seine Frau Mutter alles wieder ins Gerade brachte. Der König schrieb an ihn nach Oesel, und an die dasige Geistlichkeit, sie möchten in Religionssachen bescheiden und sanftmüthig zu Werke gehen; wodurch denn die Reformation vollends zu Stande kam. Seine Rechnung auf die dänische Hülfe schlug ihm fehl, und den schwedischen Schutz hatte er ausgeschlagen, welches seinen Absichten zu grossem Nachtheil gereichte. Die Begebenheiten dieses Herrn, sein ab- wechselndes Glück, seine Vermählung mit einer rußischen Prinzeßin Eudoxia, die ihm völlig ähnlich gesehen haben sol, oder nach andern mit Maria *) eines Wal- demar Andrewitz Prinzeßin Tochter, seine übrigen Verdrieslichkeiten und das Ende derselben gehören in den folgenden Theil. Daß Magnus, als nachmaliger König von Liefland, wovon man eine Münze aufzeigen wil, auf alle seine Titel ohne Pfand keine hundert Mark geborgt bekommen können, meldet unter andern der Baron von Holberg in der dänischen Reichshistorie B. II, S. 515 u. f. Die ungeheure Be- schreibung seiner Person, welche der catholische Fabricius von ihm gemacht, ist den däni- *) Da sowol die rittershusische als hammelmannische Genealogie, ja selbst Chyträus S. 618 in dem Verwandschaftsnamen dieser Prinzeßin Maria irren sollen: so wollen wir dieselbe aus einer Hand- R r r 2
Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers. theilig fiel. Und ſo machten es auch die Pohlen, die doch endlich nach langem1560Zaudern den Kronunterkanzler Philip Padenewski und den Waywoden von Vilna, Nicolaus Radzivil, Herzog von Olika, nach Seleburg ſchick- ten, welche mit den Haͤuptern des Landes in naͤhere Unterhandlung traten, die haltbarſten Plaͤtze beſichtigten, und nach und nach den Beſatzungsvoͤlkern Befehl zum Anzuge ertheilten. Kettler muſte auch die 4 Schloͤſſer Goldingen, Ha- ſenpot, Durben und Windau um 80000 Gulden an Pohlen verſetzen, um nur ſo viel in die Haͤnde zu bekommen, daß er die deutſchen Soldaten be- friedigen konte, die nicht mehr von guten und boͤſen Worten leben konten, und deren etliche ſchon mit fliegenden Fahnen aus dem Lande ziehen wolten. Jm Lan- de war fuͤr dieſe armen Leute auch um Geld nicht viel zu haben, da alles verheeret lag, und viele adeliche Beſitzer nicht mehr den Roßdienſt zu leiſten im Stande waren. Der Hunger, welcher ſonſt den beherzteſten Kerl feige machen kan, band ſelbſt dem Ordensmeiſter die Haͤnde, daß er dasjenige mit ſeinen Soldaten nicht auszufuͤhren vermochte, wozu ſein nie gebeugter Muth den gehoͤrigen Nach- druck und Standhaftigkeit beſas. Solche kuͤmmerlichen Umſtaͤnde brachten dieſen um das Wohl des Or- Die Ankunft des Herzogs Magnus von Hollſtein, welcher am 14ten Der c) Dieſer noch nicht 20 jaͤhrige junge Prinz hatte einen ſtarken Anhang von dem Adel, der ihn fuͤr einen uͤber die See ihnen zugefuͤhrten Schutzherrn von Liefland hielt, aber auch das Schickſal, daß die ehmaligen Raͤthe des Stifts Doͤrpt aus Grol gegen den Ordensmeiſter ihm allerhand Anſchlaͤge in den Kopf ſetzten, zu deren gluͤcklichen Ausfuͤh- rung der Nachdruck fehlte. Sein Herr Bruder, der Koͤnig Friedrich, ſchickte Ge- ſandten an den Czaar mit, um ihm dieſen Prinz beſtens zu empfelen, nnd wegen der Niederreiſſung der rußiſchen Kirchen in Liefland eine Vermittelung zu treffen. Aber die Geſandten gelangten nicht zu ihrem Zweck; welches der Koͤnig fuͤr kein gut Zeichen hielt, und daher ſeinen Bruder Magnus zum Coadiutor des Stifts Hildes- heim erwehlen lies, welche Wahl aber der daſige Biſchof Burchard hintertrieb. Er gieng 1561 wieder nach Daͤnnemark, wo ihm der Koͤnig Ueppigkeit, Schulden und andre Fehler vorruͤckte, welches doch ſeine Frau Mutter alles wieder ins Gerade brachte. Der Koͤnig ſchrieb an ihn nach Oeſel, und an die daſige Geiſtlichkeit, ſie moͤchten in Religionsſachen beſcheiden und ſanftmuͤthig zu Werke gehen; wodurch denn die Reformation vollends zu Stande kam. Seine Rechnung auf die daͤniſche Huͤlfe ſchlug ihm fehl, und den ſchwediſchen Schutz hatte er ausgeſchlagen, welches ſeinen Abſichten zu groſſem Nachtheil gereichte. Die Begebenheiten dieſes Herrn, ſein ab- wechſelndes Gluͤck, ſeine Vermaͤhlung mit einer rußiſchen Prinzeßin Eudoxia, die ihm voͤllig aͤhnlich geſehen haben ſol, oder nach andern mit Maria *) eines Wal- demar Andrewitz Prinzeßin Tochter, ſeine uͤbrigen Verdrieslichkeiten und das Ende derſelben gehoͤren in den folgenden Theil. Daß Magnus, als nachmaliger Koͤnig von Liefland, wovon man eine Muͤnze aufzeigen wil, auf alle ſeine Titel ohne Pfand keine hundert Mark geborgt bekommen koͤnnen, meldet unter andern der Baron von Holberg in der daͤniſchen Reichshiſtorie B. II, S. 515 u. f. Die ungeheure Be- ſchreibung ſeiner Perſon, welche der catholiſche Fabricius von ihm gemacht, iſt den daͤni- *) Da ſowol die rittershuſiſche als hammelmanniſche Genealogie, ja ſelbſt Chytraͤus S. 618 in dem Verwandſchaftsnamen dieſer Prinzeßin Maria irren ſollen: ſo wollen wir dieſelbe aus einer Hand- R r r 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0269" n="251"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.</hi></fw><lb/> theilig fiel. Und ſo machten es auch die <hi rendition="#fr">Pohlen,</hi> die doch endlich nach langem<note place="right">1560</note><lb/> Zaudern den Kronunterkanzler <hi rendition="#fr">Philip Padenewski</hi> und den Waywoden von<lb/><hi rendition="#fr">Vilna, Nicolaus Radzivil,</hi> Herzog von <hi rendition="#fr">Olika,</hi> nach <hi rendition="#fr">Seleburg</hi> ſchick-<lb/> ten, welche mit den Haͤuptern des Landes in naͤhere Unterhandlung traten, die<lb/> haltbarſten Plaͤtze beſichtigten, und nach und nach den Beſatzungsvoͤlkern Befehl<lb/> zum Anzuge ertheilten. <hi rendition="#fr">Kettler</hi> muſte auch die 4 Schloͤſſer <hi rendition="#fr">Goldingen, Ha-<lb/> ſenpot, Durben</hi> und <hi rendition="#fr">Windau</hi> um 80000 Gulden an <hi rendition="#fr">Pohlen</hi> verſetzen,<lb/> um nur ſo viel in die Haͤnde zu bekommen, daß er die <hi rendition="#fr">deutſchen</hi> Soldaten be-<lb/> friedigen konte, die nicht mehr von guten und boͤſen Worten leben konten, und<lb/> deren etliche ſchon mit fliegenden Fahnen aus dem Lande ziehen wolten. Jm Lan-<lb/> de war fuͤr dieſe armen Leute auch um Geld nicht viel zu haben, da alles verheeret<lb/> lag, und viele adeliche Beſitzer nicht mehr den Roßdienſt zu leiſten im Stande<lb/> waren. Der Hunger, welcher ſonſt den beherzteſten Kerl feige machen kan,<lb/> band ſelbſt dem Ordensmeiſter die Haͤnde, daß er dasjenige mit ſeinen Soldaten<lb/> nicht auszufuͤhren vermochte, wozu ſein nie gebeugter Muth den gehoͤrigen Nach-<lb/> druck und Standhaftigkeit beſas.</p><lb/> <p>Solche kuͤmmerlichen Umſtaͤnde brachten dieſen um das Wohl des Or-<lb/> dens beſorgten Herrn wie ſchon ehemals alſo auch jetzo in unterſchiedliche Verſuchun-<lb/> gen. Er ſahe ſo gar den Herzog <hi rendition="#fr">Albrecht</hi> von <hi rendition="#fr">Preuſſen</hi> fuͤr einen Mitwerber<lb/> um <hi rendition="#fr">Liefland</hi> an, welche Furcht er doch ziemlich fahren lies, als ihm der Herzog<lb/> unterm 17ten Merz ſchriftlich verſicherte, daß er fuͤr ſeine Perſon, Erben und<lb/> Nachkommen <hi rendition="#fr">Liefland</hi> alle freundſchaftliche Nachbarſchaft verſpreche, und ſich<lb/> des Adels und der Unterthanen auf der ihm verſetzten Vogtey <hi rendition="#fr">Gruben</hi> nicht wei-<lb/> ter, als die Pfandverſchreibung enthalte, anmaſſen wolle.</p><lb/> <p>Die Ankunft des Herzogs <hi rendition="#fr">Magnus</hi> von <hi rendition="#fr">Hollſtein,</hi> welcher am 14ten<lb/> April in den Oſtertagen zu <hi rendition="#fr">Arensburg</hi> ans Land ſtieg, um von der Jnſel <hi rendition="#fr">Oeſel</hi><lb/> Beſitz zu nehmen, duͤnkte <hi rendition="#fr">Kettlern</hi> weit gefaͤhrlicher und bedenklicher zu ſeyn <note xml:id="i39" next="#i40" place="foot" n="c)">Dieſer noch nicht 20 jaͤhrige junge Prinz hatte einen ſtarken Anhang von dem Adel,<lb/> der ihn fuͤr einen uͤber die See ihnen zugefuͤhrten Schutzherrn von <hi rendition="#fr">Liefland</hi> hielt, aber<lb/> auch das Schickſal, daß die ehmaligen Raͤthe des Stifts <hi rendition="#fr">Doͤrpt</hi> aus Grol gegen den<lb/> Ordensmeiſter ihm allerhand Anſchlaͤge in den Kopf ſetzten, zu deren gluͤcklichen Ausfuͤh-<lb/> rung der Nachdruck fehlte. Sein Herr Bruder, der Koͤnig <hi rendition="#fr">Friedrich,</hi> ſchickte Ge-<lb/> ſandten an den Czaar mit, um ihm dieſen Prinz beſtens zu empfelen, nnd wegen der<lb/> Niederreiſſung der <hi rendition="#fr">rußiſchen</hi> Kirchen in <hi rendition="#fr">Liefland</hi> eine Vermittelung zu treffen.<lb/> Aber die Geſandten gelangten nicht zu ihrem Zweck; welches der Koͤnig fuͤr kein gut<lb/> Zeichen hielt, und daher ſeinen Bruder <hi rendition="#fr">Magnus</hi> zum Coadiutor des Stifts <hi rendition="#fr">Hildes-<lb/> heim</hi> erwehlen lies, welche Wahl aber der daſige Biſchof <hi rendition="#fr">Burchard</hi> hintertrieb.<lb/> Er gieng 1561 wieder nach <hi rendition="#fr">Daͤnnemark,</hi> wo ihm der Koͤnig Ueppigkeit, Schulden und<lb/> andre Fehler vorruͤckte, welches doch ſeine Frau Mutter alles wieder ins Gerade<lb/> brachte. Der Koͤnig ſchrieb an ihn nach <hi rendition="#fr">Oeſel,</hi> und an die daſige Geiſtlichkeit, ſie<lb/> moͤchten in Religionsſachen beſcheiden und ſanftmuͤthig zu Werke gehen; wodurch denn<lb/> die Reformation vollends zu Stande kam. Seine Rechnung auf die <hi rendition="#fr">daͤniſche</hi> Huͤlfe<lb/> ſchlug ihm fehl, und den <hi rendition="#fr">ſchwediſchen</hi> Schutz hatte er ausgeſchlagen, welches ſeinen<lb/> Abſichten zu groſſem Nachtheil gereichte. Die Begebenheiten dieſes Herrn, ſein ab-<lb/> wechſelndes Gluͤck, ſeine Vermaͤhlung mit einer <hi rendition="#fr">rußiſchen</hi> Prinzeßin <hi rendition="#fr">Eudoxia,</hi><lb/> die ihm voͤllig aͤhnlich geſehen haben ſol, oder nach andern mit <hi rendition="#fr">Maria</hi> <note xml:id="f62" next="#f63" place="foot" n="*)">Da ſowol die <hi rendition="#fr">rittershuſiſche</hi> als <hi rendition="#fr">hammelmanniſche</hi> Genealogie, ja ſelbſt <hi rendition="#fr">Chytraͤus</hi> S. 618 in dem<lb/> Verwandſchaftsnamen dieſer Prinzeßin <hi rendition="#fr">Maria</hi> irren ſollen: ſo wollen wir dieſelbe aus einer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Hand-</fw></note> eines <hi rendition="#fr">Wal-<lb/> demar Andrewitz</hi> Prinzeßin Tochter, ſeine uͤbrigen Verdrieslichkeiten und das Ende<lb/> derſelben gehoͤren in den folgenden Theil. Daß <hi rendition="#fr">Magnus,</hi> als nachmaliger Koͤnig von<lb/><hi rendition="#fr">Liefland,</hi> wovon man eine Muͤnze aufzeigen wil, auf alle ſeine Titel ohne Pfand<lb/> keine hundert Mark geborgt bekommen koͤnnen, meldet unter andern der Baron<lb/> von <hi rendition="#fr">Holberg</hi> in der <hi rendition="#fr">daͤniſchen</hi> Reichshiſtorie B. <hi rendition="#aq">II,</hi> S. 515 u. f. Die ungeheure Be-<lb/> ſchreibung ſeiner Perſon, welche der catholiſche <hi rendition="#fr">Fabricius</hi> von ihm gemacht, iſt den<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">daͤni-</hi></fw></note>.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R r r 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [251/0269]
Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.
theilig fiel. Und ſo machten es auch die Pohlen, die doch endlich nach langem
Zaudern den Kronunterkanzler Philip Padenewski und den Waywoden von
Vilna, Nicolaus Radzivil, Herzog von Olika, nach Seleburg ſchick-
ten, welche mit den Haͤuptern des Landes in naͤhere Unterhandlung traten, die
haltbarſten Plaͤtze beſichtigten, und nach und nach den Beſatzungsvoͤlkern Befehl
zum Anzuge ertheilten. Kettler muſte auch die 4 Schloͤſſer Goldingen, Ha-
ſenpot, Durben und Windau um 80000 Gulden an Pohlen verſetzen,
um nur ſo viel in die Haͤnde zu bekommen, daß er die deutſchen Soldaten be-
friedigen konte, die nicht mehr von guten und boͤſen Worten leben konten, und
deren etliche ſchon mit fliegenden Fahnen aus dem Lande ziehen wolten. Jm Lan-
de war fuͤr dieſe armen Leute auch um Geld nicht viel zu haben, da alles verheeret
lag, und viele adeliche Beſitzer nicht mehr den Roßdienſt zu leiſten im Stande
waren. Der Hunger, welcher ſonſt den beherzteſten Kerl feige machen kan,
band ſelbſt dem Ordensmeiſter die Haͤnde, daß er dasjenige mit ſeinen Soldaten
nicht auszufuͤhren vermochte, wozu ſein nie gebeugter Muth den gehoͤrigen Nach-
druck und Standhaftigkeit beſas.
1560
Solche kuͤmmerlichen Umſtaͤnde brachten dieſen um das Wohl des Or-
dens beſorgten Herrn wie ſchon ehemals alſo auch jetzo in unterſchiedliche Verſuchun-
gen. Er ſahe ſo gar den Herzog Albrecht von Preuſſen fuͤr einen Mitwerber
um Liefland an, welche Furcht er doch ziemlich fahren lies, als ihm der Herzog
unterm 17ten Merz ſchriftlich verſicherte, daß er fuͤr ſeine Perſon, Erben und
Nachkommen Liefland alle freundſchaftliche Nachbarſchaft verſpreche, und ſich
des Adels und der Unterthanen auf der ihm verſetzten Vogtey Gruben nicht wei-
ter, als die Pfandverſchreibung enthalte, anmaſſen wolle.
Die Ankunft des Herzogs Magnus von Hollſtein, welcher am 14ten
April in den Oſtertagen zu Arensburg ans Land ſtieg, um von der Jnſel Oeſel
Beſitz zu nehmen, duͤnkte Kettlern weit gefaͤhrlicher und bedenklicher zu ſeyn c).
Der
c) Dieſer noch nicht 20 jaͤhrige junge Prinz hatte einen ſtarken Anhang von dem Adel,
der ihn fuͤr einen uͤber die See ihnen zugefuͤhrten Schutzherrn von Liefland hielt, aber
auch das Schickſal, daß die ehmaligen Raͤthe des Stifts Doͤrpt aus Grol gegen den
Ordensmeiſter ihm allerhand Anſchlaͤge in den Kopf ſetzten, zu deren gluͤcklichen Ausfuͤh-
rung der Nachdruck fehlte. Sein Herr Bruder, der Koͤnig Friedrich, ſchickte Ge-
ſandten an den Czaar mit, um ihm dieſen Prinz beſtens zu empfelen, nnd wegen der
Niederreiſſung der rußiſchen Kirchen in Liefland eine Vermittelung zu treffen.
Aber die Geſandten gelangten nicht zu ihrem Zweck; welches der Koͤnig fuͤr kein gut
Zeichen hielt, und daher ſeinen Bruder Magnus zum Coadiutor des Stifts Hildes-
heim erwehlen lies, welche Wahl aber der daſige Biſchof Burchard hintertrieb.
Er gieng 1561 wieder nach Daͤnnemark, wo ihm der Koͤnig Ueppigkeit, Schulden und
andre Fehler vorruͤckte, welches doch ſeine Frau Mutter alles wieder ins Gerade
brachte. Der Koͤnig ſchrieb an ihn nach Oeſel, und an die daſige Geiſtlichkeit, ſie
moͤchten in Religionsſachen beſcheiden und ſanftmuͤthig zu Werke gehen; wodurch denn
die Reformation vollends zu Stande kam. Seine Rechnung auf die daͤniſche Huͤlfe
ſchlug ihm fehl, und den ſchwediſchen Schutz hatte er ausgeſchlagen, welches ſeinen
Abſichten zu groſſem Nachtheil gereichte. Die Begebenheiten dieſes Herrn, ſein ab-
wechſelndes Gluͤck, ſeine Vermaͤhlung mit einer rußiſchen Prinzeßin Eudoxia,
die ihm voͤllig aͤhnlich geſehen haben ſol, oder nach andern mit Maria *) eines Wal-
demar Andrewitz Prinzeßin Tochter, ſeine uͤbrigen Verdrieslichkeiten und das Ende
derſelben gehoͤren in den folgenden Theil. Daß Magnus, als nachmaliger Koͤnig von
Liefland, wovon man eine Muͤnze aufzeigen wil, auf alle ſeine Titel ohne Pfand
keine hundert Mark geborgt bekommen koͤnnen, meldet unter andern der Baron
von Holberg in der daͤniſchen Reichshiſtorie B. II, S. 515 u. f. Die ungeheure Be-
ſchreibung ſeiner Perſon, welche der catholiſche Fabricius von ihm gemacht, iſt den
daͤni-
*) Da ſowol die rittershuſiſche als hammelmanniſche Genealogie, ja ſelbſt Chytraͤus S. 618 in dem
Verwandſchaftsnamen dieſer Prinzeßin Maria irren ſollen: ſo wollen wir dieſelbe aus einer
Hand-
R r r 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |