[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister, 1558rischen Gnadenbrief den Narvischen überbrächte. Und also beurlaubten sich bei-de Abgeordnete, fanden aber bey ihrer Zurückkunft die Stadt in ganz andern Umständen. Der vellinsche Comtur, Gotthard Kettler, und der revelsche Comtur Zwey Tage nach Einäscherung der Stadt Narva kamen die Abgeordneten, seln g) Der alte Krumhausen wird von Henningen in der liefländischen Chronik S. 27
und von andern mit unter die Verräther von Liefland gerechnet. Und warum nicht? Es war ja auf der Tortur von andern auf ihn bekant, daß er dem Czaar ein Präsent mit 10 grossen Oliven gemacht. Doch die 5 Söhne dieses Mannes, Johan, Jo- chim, Michael, Melchior und Abraham retteten die Ehre ihres Vaters, durch einen Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, 1558riſchen Gnadenbrief den Narviſchen uͤberbraͤchte. Und alſo beurlaubten ſich bei-de Abgeordnete, fanden aber bey ihrer Zuruͤckkunft die Stadt in ganz andern Umſtaͤnden. Der vellinſche Comtur, Gotthard Kettler, und der revelſche Comtur Zwey Tage nach Einaͤſcherung der Stadt Narva kamen die Abgeordneten, ſeln g) Der alte Krumhauſen wird von Henningen in der lieflaͤndiſchen Chronik S. 27
und von andern mit unter die Verraͤther von Liefland gerechnet. Und warum nicht? Es war ja auf der Tortur von andern auf ihn bekant, daß er dem Czaar ein Praͤſent mit 10 groſſen Oliven gemacht. Doch die 5 Soͤhne dieſes Mannes, Johan, Jo- chim, Michael, Melchior und Abraham retteten die Ehre ihres Vaters, durch einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0250" n="232"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,</hi></fw><lb/><note place="left">1558</note>riſchen Gnadenbrief den <hi rendition="#fr">Narviſchen</hi> uͤberbraͤchte. 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Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
riſchen Gnadenbrief den Narviſchen uͤberbraͤchte. Und alſo beurlaubten ſich bei-
de Abgeordnete, fanden aber bey ihrer Zuruͤckkunft die Stadt in ganz andern
Umſtaͤnden.
1558
Der vellinſche Comtur, Gotthard Kettler, und der revelſche Comtur
Franz von Segehafen, genant Azel, waren mit etlichen 800 Man und einigem
Feldgeſchuͤtze auf dem Wege Narva zu entſetzen; dieſes machte einige Conſtabler
von der narviſchen Beſatzung ſo uͤbermuͤthig, daß ſie auf eine hoͤchſt unbeſonne-
ne Weiſe unter die in Jvanogrod an einem Feſttage bezechten Ruſſen ihr gro-
bes Geſchuͤtz losbranten, und viele toͤdteten. Die Ruſſen geriethen daruͤber in
groſſe Beſtuͤrzung, und holten von ihren Befehlshabern Befehl zur Gegenwehr
ein’ weil ſie den Stilſtand zu beobachten hatten. Zum Ungluͤck der armen Stadt
kam in des Barbiers Cordt Ulken Hauſe ploͤtzlich Feuer aus, welches unter den
mehrentheils hoͤlzernen Haͤuſern recht wuͤtend um ſich grif und ſie in Aſche legte.
Bey dieſer Unordnung ſchwammen die Ruſſen uͤber den Strom, drungen in die
Stadt hinein, beſetzten die Thore und halfen noch manches retten. Die Buͤrger-
ſchaft und Beſatzung fluͤchtete nach dem Schloſſe. Hier erboten ſie ſich ſo gleich
zur Uebergabe, unter der Bedingung eines freien Abzugs, welcher ihnen auch von
den Ruſſen zugeſtanden wurde. Kettler lag 3 Meilen von der Stadt hinter
3 Bergen, ſahe ſich aber viel zu ſchwach den Entſatz zu wagen: doch glaubte er,
dieſe Vormauer von Eſtland koͤnne ihrer Veſtigkeit wegen den grimmigſten An-
grif aushalten, zumal da eine auf Kundſchaft ausgeſchickte Parthey die Nachricht
uͤberbrachte, daß ſie nur eine halbe Meile von der Stadt geweſen, in welcher das
Feuer gluͤcklich gedaͤmpfet worden, und alles auſſer Gefahr ſey. Doch da man
im Lager erſt recht ruhen wolte, ſo kam ſchon die Buͤrgerſchaft und Garniſon aus
Narva bey ihnen an, und legte von ihrer Uebergabe den warhaftigen Bericht ab.
Die Narviſchen beklagten ſich uͤber die ausgebliebene Huͤlfe, Kettler hingegen,
der dieſen ſo unvermutheten Verluſt nicht begreifen konte, fiel auf die Gedanken,
die Stadt muͤſte durch Verraͤtherey uͤbergeben ſeyn, davon er die Urheber zu ent-
decken ſich bemuͤhte. Die Eroberung dieſes haltbaren Platzes, ſo am 12ten May
geſchahe, verurſachte in den benachbarten Oertern ein ſolches Schrecken, daß eine
Unordnung auf die andre folgte, und man dieſelbe billig fuͤr den Anfang aller wi-
derwaͤrtigen Begebenheiten damaliger Zeit halten kan.
Zwey Tage nach Einaͤſcherung der Stadt Narva kamen die Abgeordneten,
Krumhauſen und Deden, aus Moſcau mit dem czaariſchen Gnadenbriefe
zuruͤck, und ſahen ihr Hab und Gut unter der noch rauchenden Aſche verzehret.
Sie begaben ſich laut ihrem Verſprechen nach Jvanogrod und baten um die Frei-
heit der eingelieferten Geiſſeln, weil der Czaar die Stadt ſeiner Gnade verſichert.
Man verſprach auch ſie loszugeben, wenn Krumhauſen den Gnadenbrief den
ausgezogenen Einwohnern den Augenblick nachſchicken wuͤrde, damit ſie ſich wieder
anbauen und die Handlung nach Rußland fortſetzen moͤchten. Ein Buͤrger,
Namens Hans Bernd, ſtelte vor, daß es keine Lieflaͤnder, ſondern nur
Fremde waͤren, die bisher nach Rußland gehandelt haͤtten, worauf er auch in
Freiheit kam, dabey aber angeloben muſte, die czaariſche Begnadigung der Stadt
an Kettlern abzugeben. Der unſchuldige Man erhielt ein ſchlechtes Botenlohn,
indem ihn Kettler nach Revel abfuͤhren lies, wo er auf dem Schloſſe lange Zeit
gefangen ſitzen muſte. Die Beſchuldigung der Verraͤtherey traf endlich Krum-
hauſen ſelbſt, in welchen Verdacht ſo gar der Vogt, der Rath und die ganze
Gemeine verwickelt wurde g). Denn die in Jvanogrod nachgebliebenen Geiſ-
ſeln
g) Der alte Krumhauſen wird von Henningen in der lieflaͤndiſchen Chronik S. 27
und von andern mit unter die Verraͤther von Liefland gerechnet. Und warum nicht?
Es war ja auf der Tortur von andern auf ihn bekant, daß er dem Czaar ein Praͤſent
mit 10 groſſen Oliven gemacht. Doch die 5 Soͤhne dieſes Mannes, Johan, Jo-
chim, Michael, Melchior und Abraham retteten die Ehre ihres Vaters, durch
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