Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1558son ansehnlichen und grossen Manne, von vielem Verstande und Bescheidenheit, der
am 25sten Jenner mit diesen Völkern in 3 Haufen in Liefland einbrach, und die
Grenzen von Dörpt, Wirland und der Narve durchstreifen lies, wobey die
Vortruppen und Freicompagnien überal Furcht und Schrecken ausbreiteten. Er
selbst zog sich gleich wieder nach Plescow zurück.

Aus Plescow schickte er ein Schreiben an den Bischof zu Dörpt, in wel-
chem er ihm und den Ständen die Unbesonnenheit vorstelte, wodurch sie das Blut
so vieler Unschuldigen auf sich ladeten. Da sie sich doch nicht im Stande befän-
ben Gegenwehr zu thun, so möchten sie fernerm Unheil vorbeugen, und durch ih-
re Gesandten den Zins einliefern, er wolle denselben durch seine Fürsprache beim
Czaar zu mindern und einen anständigen Frieden zu vermitteln suchen. Dis
Schreiben fruchtete nebst andern Zwangsmitteln gleichwol so viel, daß die geistli-
chen und weltlichen Stände sich zu Wenden auf Oculi versamleten, und Dien-
stags nach Judica verschiedene Sachen ausmachten. Man verglich sich dahin,
daß eine Reformation angestellet und alle Misbräuche der Lehre und Cerimonien
abgeschaffet würden. Man bestimte die Gesandten nach Rußland, und im Fal
kein Friede zu erhalten, wurde berathschlaget, wie viel man Compagnien anwerben
müsse. Man schickte einige Abgeordnete nach Moscau ein frey Geleite auszu-
wirken, die auch bald wieder zu Hause eintrafen; worauf die Gesandten, unter
welchen Christoph Luggenhusen und der Stadtsecretair Groß mit war, den
Frieden beim Czaar um 60000 Thlr. behandelten. Der Bischof von Dörpt hatte
seinen Bedienten Christoph Lustfer durch einige Versprechungen dahin ver-
mocht, daß er mit gieng, und das Beste seines Stiftes mit in Obacht nahm, zu-
mal da in Dörpt der traurige Anblick so vieler unglücklichen Leute die gröste Be-
stürzung verursachte. Denn da Czigaley ins Dörptische rückte, gieng es an
ein so entsetzlich Flüchten von 10 bis 20 Meilen her nach der Stadt, daß alle
Strassen, Kirchhöfe und Vorstädte von elenden Menschen wimmelten, deren
bey 10000 mit Weib und Kindern in den Stadtgraben zu Dörpt lagen, und
wegen des strengen Winters theils erfroren, theils verhungerten, theils von den
annähernden Russen niedergehauen wurden. Die Leute in der Stadt konten nie-
mand einnehmen, sondern verkrochen sich selbst, und dankten GOtt, daß sie den
Feind mit dem groben Geschütze von den Mauren abhalten konten. Der längst
erwünschte Friede war nun in Rußland zu Stande gekommen; da es aber zum
Geldzahlen kam, war nichts bey der Hand. Die Gesandten vermeinten zwar
von den rußischen Kaufleuten in Moscau so viel aufzunehmen; allein der Czaar
hatte seinen Unterthanen bey Leibesstrafe allen Vorschus untersagen lassen: weil
er befürchtete, die Liefländer würden seinen Leuten das Wort eben so langsam
halten als ihm; wie er denn auch den Gesandten ihre Täuschung in heftigen Aus-
drücken vorwarf, sie bis zur Ankunft des Wechsels als Geissel dazu bleiben nö-
thigte, und 6 Meilen von Moscau nach Zerna verschickte.

Den Gesandten blieb also nichts mehr übrig, als daß sie einen Russen heim-
lich um 60 Thlr. erkauften, welcher des dörptischen Secretairs Fridrich
Grossens
Bericht schriftlich überbringen muste. Der Russe gab den Brief in
Plescow an Lustfern ab, der ihn dem dörptischen Secretair Valentin

Neu-
leren bedeuten sol, weil er ehmals 7 Raubschiffe angeführet habe. Ein seltsamer Grund!
Die Schreibart damaliger Zeiten litte es nicht anders, als diesen Man wie einen
Phalaris und seinen Herrn den Czaar wie den andern Nero zu schildern. Breden-
bach
meinet, daß er die Belagerung von Dörpt regieret habe, welches den mehre-
sten Zeugnissen entgegen ist. Neustädt ist allen diesen Männern näher gewesen, und
rühmte auch das Lobenswürdige an seinen Feinden; ob er gleich manche barbarische
Ausschweifungen wütender Soldaten nicht verschweiget. Wenn man dem Camera-
rius
glauben darf, so waren unter der tartarischen Reuterey viel Weibespersonen,
die theils ihr eigen Pferd ritten, theils hinter ihren Männern aufsassen. Sie waren
schon alte Vetteln, sollen aber ganz unbarmherzig auf die Deutschen zugeschlagen ha-
ben. So sabelhaft schreibt doch noch kein Geschichtschreiber von Liefland.

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1558ſon anſehnlichen und groſſen Manne, von vielem Verſtande und Beſcheidenheit, der
am 25ſten Jenner mit dieſen Voͤlkern in 3 Haufen in Liefland einbrach, und die
Grenzen von Doͤrpt, Wirland und der Narve durchſtreifen lies, wobey die
Vortruppen und Freicompagnien uͤberal Furcht und Schrecken ausbreiteten. Er
ſelbſt zog ſich gleich wieder nach Pleſcow zuruͤck.

Aus Pleſcow ſchickte er ein Schreiben an den Biſchof zu Doͤrpt, in wel-
chem er ihm und den Staͤnden die Unbeſonnenheit vorſtelte, wodurch ſie das Blut
ſo vieler Unſchuldigen auf ſich ladeten. Da ſie ſich doch nicht im Stande befaͤn-
ben Gegenwehr zu thun, ſo moͤchten ſie fernerm Unheil vorbeugen, und durch ih-
re Geſandten den Zins einliefern, er wolle denſelben durch ſeine Fuͤrſprache beim
Czaar zu mindern und einen anſtaͤndigen Frieden zu vermitteln ſuchen. Dis
Schreiben fruchtete nebſt andern Zwangsmitteln gleichwol ſo viel, daß die geiſtli-
chen und weltlichen Staͤnde ſich zu Wenden auf Oculi verſamleten, und Dien-
ſtags nach Judica verſchiedene Sachen ausmachten. Man verglich ſich dahin,
daß eine Reformation angeſtellet und alle Misbraͤuche der Lehre und Cerimonien
abgeſchaffet wuͤrden. Man beſtimte die Geſandten nach Rußland, und im Fal
kein Friede zu erhalten, wurde berathſchlaget, wie viel man Compagnien anwerben
muͤſſe. Man ſchickte einige Abgeordnete nach Moſcau ein frey Geleite auszu-
wirken, die auch bald wieder zu Hauſe eintrafen; worauf die Geſandten, unter
welchen Chriſtoph Luggenhuſen und der Stadtſecretair Groß mit war, den
Frieden beim Czaar um 60000 Thlr. behandelten. Der Biſchof von Doͤrpt hatte
ſeinen Bedienten Chriſtoph Luſtfer durch einige Verſprechungen dahin ver-
mocht, daß er mit gieng, und das Beſte ſeines Stiftes mit in Obacht nahm, zu-
mal da in Doͤrpt der traurige Anblick ſo vieler ungluͤcklichen Leute die groͤſte Be-
ſtuͤrzung verurſachte. Denn da Czigaley ins Doͤrptiſche ruͤckte, gieng es an
ein ſo entſetzlich Fluͤchten von 10 bis 20 Meilen her nach der Stadt, daß alle
Straſſen, Kirchhoͤfe und Vorſtaͤdte von elenden Menſchen wimmelten, deren
bey 10000 mit Weib und Kindern in den Stadtgraben zu Doͤrpt lagen, und
wegen des ſtrengen Winters theils erfroren, theils verhungerten, theils von den
annaͤhernden Ruſſen niedergehauen wurden. Die Leute in der Stadt konten nie-
mand einnehmen, ſondern verkrochen ſich ſelbſt, und dankten GOtt, daß ſie den
Feind mit dem groben Geſchuͤtze von den Mauren abhalten konten. Der laͤngſt
erwuͤnſchte Friede war nun in Rußland zu Stande gekommen; da es aber zum
Geldzahlen kam, war nichts bey der Hand. Die Geſandten vermeinten zwar
von den rußiſchen Kaufleuten in Moſcau ſo viel aufzunehmen; allein der Czaar
hatte ſeinen Unterthanen bey Leibesſtrafe allen Vorſchus unterſagen laſſen: weil
er befuͤrchtete, die Lieflaͤnder wuͤrden ſeinen Leuten das Wort eben ſo langſam
halten als ihm; wie er denn auch den Geſandten ihre Taͤuſchung in heftigen Aus-
druͤcken vorwarf, ſie bis zur Ankunft des Wechſels als Geiſſel dazu bleiben noͤ-
thigte, und 6 Meilen von Moſcau nach Zerna verſchickte.

Den Geſandten blieb alſo nichts mehr uͤbrig, als daß ſie einen Ruſſen heim-
lich um 60 Thlr. erkauften, welcher des doͤrptiſchen Secretairs Fridrich
Groſſens
Bericht ſchriftlich uͤberbringen muſte. Der Ruſſe gab den Brief in
Pleſcow an Luſtfern ab, der ihn dem doͤrptiſchen Secretair Valentin

Neu-
leren bedeuten ſol, weil er ehmals 7 Raubſchiffe angefuͤhret habe. Ein ſeltſamer Grund!
Die Schreibart damaliger Zeiten litte es nicht anders, als dieſen Man wie einen
Phalaris und ſeinen Herrn den Czaar wie den andern Nero zu ſchildern. Breden-
bach
meinet, daß er die Belagerung von Doͤrpt regieret habe, welches den mehre-
ſten Zeugniſſen entgegen iſt. Neuſtaͤdt iſt allen dieſen Maͤnnern naͤher geweſen, und
ruͤhmte auch das Lobenswuͤrdige an ſeinen Feinden; ob er gleich manche barbariſche
Ausſchweifungen wuͤtender Soldaten nicht verſchweiget. Wenn man dem Camera-
rius
glauben darf, ſo waren unter der tartariſchen Reuterey viel Weibesperſonen,
die theils ihr eigen Pferd ritten, theils hinter ihren Maͤnnern aufſaſſen. Sie waren
ſchon alte Vetteln, ſollen aber ganz unbarmherzig auf die Deutſchen zugeſchlagen ha-
ben. So ſabelhaft ſchreibt doch noch kein Geſchichtſchreiber von Liefland.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0248" n="230"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben und Thaten der liefla&#x0364;ndi&#x017F;chen Ordensmei&#x017F;ter,</hi></fw><lb/><note place="left">1558</note>&#x017F;on an&#x017F;ehnlichen und gro&#x017F;&#x017F;en Manne, von vielem Ver&#x017F;tande und Be&#x017F;cheidenheit, der<lb/>
am 25&#x017F;ten Jenner mit die&#x017F;en Vo&#x0364;lkern in 3 Haufen in <hi rendition="#fr">Liefland</hi> einbrach, und die<lb/>
Grenzen von <hi rendition="#fr">Do&#x0364;rpt, Wirland</hi> und der <hi rendition="#fr">Narve</hi> durch&#x017F;treifen lies, wobey die<lb/>
Vortruppen und Freicompagnien u&#x0364;beral Furcht und Schrecken ausbreiteten. Er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zog &#x017F;ich gleich wieder nach <hi rendition="#fr">Ple&#x017F;cow</hi> zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
        <p>Aus <hi rendition="#fr">Ple&#x017F;cow</hi> &#x017F;chickte er ein Schreiben an den Bi&#x017F;chof zu <hi rendition="#fr">Do&#x0364;rpt,</hi> in wel-<lb/>
chem er ihm und den Sta&#x0364;nden die Unbe&#x017F;onnenheit vor&#x017F;telte, wodurch &#x017F;ie das Blut<lb/>
&#x017F;o vieler Un&#x017F;chuldigen auf &#x017F;ich ladeten. Da &#x017F;ie &#x017F;ich doch nicht im Stande befa&#x0364;n-<lb/>
ben Gegenwehr zu thun, &#x017F;o mo&#x0364;chten &#x017F;ie fernerm Unheil vorbeugen, und durch ih-<lb/>
re Ge&#x017F;andten den Zins einliefern, er wolle den&#x017F;elben durch &#x017F;eine Fu&#x0364;r&#x017F;prache beim<lb/>
Czaar zu mindern und einen an&#x017F;ta&#x0364;ndigen Frieden zu vermitteln &#x017F;uchen. Dis<lb/>
Schreiben fruchtete neb&#x017F;t andern Zwangsmitteln gleichwol &#x017F;o viel, daß die gei&#x017F;tli-<lb/>
chen und weltlichen Sta&#x0364;nde &#x017F;ich zu <hi rendition="#fr">Wenden</hi> auf <hi rendition="#fr">Oculi</hi> ver&#x017F;amleten, und Dien-<lb/>
&#x017F;tags nach <hi rendition="#fr">Judica</hi> ver&#x017F;chiedene Sachen ausmachten. Man verglich &#x017F;ich dahin,<lb/>
daß eine Reformation ange&#x017F;tellet und alle Misbra&#x0364;uche der Lehre und Cerimonien<lb/>
abge&#x017F;chaffet wu&#x0364;rden. Man be&#x017F;timte die Ge&#x017F;andten nach <hi rendition="#fr">Rußland,</hi> und im Fal<lb/>
kein Friede zu erhalten, wurde berath&#x017F;chlaget, wie viel man Compagnien anwerben<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Man &#x017F;chickte einige Abgeordnete nach <hi rendition="#fr">Mo&#x017F;cau</hi> ein frey Geleite auszu-<lb/>
wirken, die auch bald wieder zu Hau&#x017F;e eintrafen; worauf die Ge&#x017F;andten, unter<lb/>
welchen <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;toph Luggenhu&#x017F;en</hi> und der Stadt&#x017F;ecretair <hi rendition="#fr">Groß</hi> mit war, den<lb/>
Frieden beim Czaar um 60000 Thlr. behandelten. Der Bi&#x017F;chof von <hi rendition="#fr">Do&#x0364;rpt</hi> hatte<lb/>
&#x017F;einen Bedienten <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;toph Lu&#x017F;tfer</hi> durch einige Ver&#x017F;prechungen dahin ver-<lb/>
mocht, daß er mit gieng, und das Be&#x017F;te &#x017F;eines Stiftes mit in Obacht nahm, zu-<lb/>
mal da in <hi rendition="#fr">Do&#x0364;rpt</hi> der traurige Anblick &#x017F;o vieler unglu&#x0364;cklichen Leute die gro&#x0364;&#x017F;te Be-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rzung verur&#x017F;achte. Denn da <hi rendition="#fr">Czigaley</hi> ins <hi rendition="#fr">Do&#x0364;rpti&#x017F;che</hi> ru&#x0364;ckte, gieng es an<lb/>
ein &#x017F;o ent&#x017F;etzlich Flu&#x0364;chten von 10 bis 20 Meilen her nach der Stadt, daß alle<lb/>
Stra&#x017F;&#x017F;en, Kirchho&#x0364;fe und Vor&#x017F;ta&#x0364;dte von elenden Men&#x017F;chen wimmelten, deren<lb/>
bey 10000 mit Weib und Kindern in den Stadtgraben zu <hi rendition="#fr">Do&#x0364;rpt</hi> lagen, und<lb/>
wegen des &#x017F;trengen Winters theils erfroren, theils verhungerten, theils von den<lb/>
anna&#x0364;hernden <hi rendition="#fr">Ru&#x017F;&#x017F;en</hi> niedergehauen wurden. Die Leute in der Stadt konten nie-<lb/>
mand einnehmen, &#x017F;ondern verkrochen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und dankten GOtt, daß &#x017F;ie den<lb/>
Feind mit dem groben Ge&#x017F;chu&#x0364;tze von den Mauren abhalten konten. Der la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
erwu&#x0364;n&#x017F;chte Friede war nun in <hi rendition="#fr">Rußland</hi> zu Stande gekommen; da es aber zum<lb/>
Geldzahlen kam, war nichts bey der Hand. Die Ge&#x017F;andten vermeinten zwar<lb/>
von den <hi rendition="#fr">rußi&#x017F;chen</hi> Kaufleuten in <hi rendition="#fr">Mo&#x017F;cau</hi> &#x017F;o viel aufzunehmen; allein der Czaar<lb/>
hatte &#x017F;einen Unterthanen bey Leibes&#x017F;trafe allen Vor&#x017F;chus unter&#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en: weil<lb/>
er befu&#x0364;rchtete, die <hi rendition="#fr">Liefla&#x0364;nder</hi> wu&#x0364;rden &#x017F;einen Leuten das Wort eben &#x017F;o lang&#x017F;am<lb/>
halten als ihm; wie er denn auch den Ge&#x017F;andten ihre Ta&#x0364;u&#x017F;chung in heftigen Aus-<lb/>
dru&#x0364;cken vorwarf, &#x017F;ie bis zur Ankunft des Wech&#x017F;els als Gei&#x017F;&#x017F;el dazu bleiben no&#x0364;-<lb/>
thigte, und 6 Meilen von <hi rendition="#fr">Mo&#x017F;cau</hi> nach <hi rendition="#fr">Zerna</hi> ver&#x017F;chickte.</p><lb/>
        <p>Den Ge&#x017F;andten blieb al&#x017F;o nichts mehr u&#x0364;brig, als daß &#x017F;ie einen <hi rendition="#fr">Ru&#x017F;&#x017F;en</hi> heim-<lb/>
lich um 60 Thlr. erkauften, welcher des <hi rendition="#fr">do&#x0364;rpti&#x017F;chen</hi> Secretairs <hi rendition="#fr">Fridrich<lb/>
Gro&#x017F;&#x017F;ens</hi> Bericht &#x017F;chriftlich u&#x0364;berbringen mu&#x017F;te. Der <hi rendition="#fr">Ru&#x017F;&#x017F;e</hi> gab den Brief in<lb/><hi rendition="#fr">Ple&#x017F;cow</hi> an <hi rendition="#fr">Lu&#x017F;tfern</hi> ab, der ihn dem <hi rendition="#fr">do&#x0364;rpti&#x017F;chen</hi> Secretair <hi rendition="#fr">Valentin</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Neu-</hi></fw><lb/><note xml:id="i24" prev="#i23" place="foot" n="f)">leren bedeuten &#x017F;ol, weil er ehmals 7 Raub&#x017F;chiffe angefu&#x0364;hret habe. Ein &#x017F;elt&#x017F;amer Grund!<lb/>
Die Schreibart damaliger Zeiten litte es nicht anders, als die&#x017F;en Man wie einen<lb/><hi rendition="#fr">Phalaris</hi> und &#x017F;einen Herrn den Czaar wie den andern <hi rendition="#fr">Nero</hi> zu &#x017F;childern. <hi rendition="#fr">Breden-<lb/>
bach</hi> meinet, daß er die Belagerung von <hi rendition="#fr">Do&#x0364;rpt</hi> regieret habe, welches den mehre-<lb/>
&#x017F;ten Zeugni&#x017F;&#x017F;en entgegen i&#x017F;t. <hi rendition="#fr">Neu&#x017F;ta&#x0364;dt</hi> i&#x017F;t allen die&#x017F;en Ma&#x0364;nnern na&#x0364;her gewe&#x017F;en, und<lb/>
ru&#x0364;hmte auch das Lobenswu&#x0364;rdige an &#x017F;einen Feinden; ob er gleich manche barbari&#x017F;che<lb/>
Aus&#x017F;chweifungen wu&#x0364;tender Soldaten nicht ver&#x017F;chweiget. Wenn man dem <hi rendition="#fr">Camera-<lb/>
rius</hi> glauben darf, &#x017F;o waren unter der <hi rendition="#fr">tartari&#x017F;chen</hi> Reuterey viel Weibesper&#x017F;onen,<lb/>
die theils ihr eigen Pferd ritten, theils hinter ihren Ma&#x0364;nnern auf&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en. Sie waren<lb/>
&#x017F;chon alte Vetteln, &#x017F;ollen aber ganz unbarmherzig auf die <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chen</hi> zuge&#x017F;chlagen ha-<lb/>
ben. So &#x017F;abelhaft &#x017F;chreibt doch noch kein Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber von <hi rendition="#fr">Liefland.</hi></note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0248] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, ſon anſehnlichen und groſſen Manne, von vielem Verſtande und Beſcheidenheit, der am 25ſten Jenner mit dieſen Voͤlkern in 3 Haufen in Liefland einbrach, und die Grenzen von Doͤrpt, Wirland und der Narve durchſtreifen lies, wobey die Vortruppen und Freicompagnien uͤberal Furcht und Schrecken ausbreiteten. Er ſelbſt zog ſich gleich wieder nach Pleſcow zuruͤck. 1558 Aus Pleſcow ſchickte er ein Schreiben an den Biſchof zu Doͤrpt, in wel- chem er ihm und den Staͤnden die Unbeſonnenheit vorſtelte, wodurch ſie das Blut ſo vieler Unſchuldigen auf ſich ladeten. Da ſie ſich doch nicht im Stande befaͤn- ben Gegenwehr zu thun, ſo moͤchten ſie fernerm Unheil vorbeugen, und durch ih- re Geſandten den Zins einliefern, er wolle denſelben durch ſeine Fuͤrſprache beim Czaar zu mindern und einen anſtaͤndigen Frieden zu vermitteln ſuchen. Dis Schreiben fruchtete nebſt andern Zwangsmitteln gleichwol ſo viel, daß die geiſtli- chen und weltlichen Staͤnde ſich zu Wenden auf Oculi verſamleten, und Dien- ſtags nach Judica verſchiedene Sachen ausmachten. Man verglich ſich dahin, daß eine Reformation angeſtellet und alle Misbraͤuche der Lehre und Cerimonien abgeſchaffet wuͤrden. Man beſtimte die Geſandten nach Rußland, und im Fal kein Friede zu erhalten, wurde berathſchlaget, wie viel man Compagnien anwerben muͤſſe. Man ſchickte einige Abgeordnete nach Moſcau ein frey Geleite auszu- wirken, die auch bald wieder zu Hauſe eintrafen; worauf die Geſandten, unter welchen Chriſtoph Luggenhuſen und der Stadtſecretair Groß mit war, den Frieden beim Czaar um 60000 Thlr. behandelten. Der Biſchof von Doͤrpt hatte ſeinen Bedienten Chriſtoph Luſtfer durch einige Verſprechungen dahin ver- mocht, daß er mit gieng, und das Beſte ſeines Stiftes mit in Obacht nahm, zu- mal da in Doͤrpt der traurige Anblick ſo vieler ungluͤcklichen Leute die groͤſte Be- ſtuͤrzung verurſachte. Denn da Czigaley ins Doͤrptiſche ruͤckte, gieng es an ein ſo entſetzlich Fluͤchten von 10 bis 20 Meilen her nach der Stadt, daß alle Straſſen, Kirchhoͤfe und Vorſtaͤdte von elenden Menſchen wimmelten, deren bey 10000 mit Weib und Kindern in den Stadtgraben zu Doͤrpt lagen, und wegen des ſtrengen Winters theils erfroren, theils verhungerten, theils von den annaͤhernden Ruſſen niedergehauen wurden. Die Leute in der Stadt konten nie- mand einnehmen, ſondern verkrochen ſich ſelbſt, und dankten GOtt, daß ſie den Feind mit dem groben Geſchuͤtze von den Mauren abhalten konten. Der laͤngſt erwuͤnſchte Friede war nun in Rußland zu Stande gekommen; da es aber zum Geldzahlen kam, war nichts bey der Hand. Die Geſandten vermeinten zwar von den rußiſchen Kaufleuten in Moſcau ſo viel aufzunehmen; allein der Czaar hatte ſeinen Unterthanen bey Leibesſtrafe allen Vorſchus unterſagen laſſen: weil er befuͤrchtete, die Lieflaͤnder wuͤrden ſeinen Leuten das Wort eben ſo langſam halten als ihm; wie er denn auch den Geſandten ihre Taͤuſchung in heftigen Aus- druͤcken vorwarf, ſie bis zur Ankunft des Wechſels als Geiſſel dazu bleiben noͤ- thigte, und 6 Meilen von Moſcau nach Zerna verſchickte. Den Geſandten blieb alſo nichts mehr uͤbrig, als daß ſie einen Ruſſen heim- lich um 60 Thlr. erkauften, welcher des doͤrptiſchen Secretairs Fridrich Groſſens Bericht ſchriftlich uͤberbringen muſte. Der Ruſſe gab den Brief in Pleſcow an Luſtfern ab, der ihn dem doͤrptiſchen Secretair Valentin Neu- f) f) leren bedeuten ſol, weil er ehmals 7 Raubſchiffe angefuͤhret habe. Ein ſeltſamer Grund! Die Schreibart damaliger Zeiten litte es nicht anders, als dieſen Man wie einen Phalaris und ſeinen Herrn den Czaar wie den andern Nero zu ſchildern. Breden- bach meinet, daß er die Belagerung von Doͤrpt regieret habe, welches den mehre- ſten Zeugniſſen entgegen iſt. Neuſtaͤdt iſt allen dieſen Maͤnnern naͤher geweſen, und ruͤhmte auch das Lobenswuͤrdige an ſeinen Feinden; ob er gleich manche barbariſche Ausſchweifungen wuͤtender Soldaten nicht verſchweiget. Wenn man dem Camera- rius glauben darf, ſo waren unter der tartariſchen Reuterey viel Weibesperſonen, die theils ihr eigen Pferd ritten, theils hinter ihren Maͤnnern aufſaſſen. Sie waren ſchon alte Vetteln, ſollen aber ganz unbarmherzig auf die Deutſchen zugeſchlagen ha- ben. So ſabelhaft ſchreibt doch noch kein Geſchichtſchreiber von Liefland.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/248
Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/248>, abgerufen am 23.11.2024.