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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Erzb. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Hinrichs von Galen.
bey dem Stern von der dritten Grösse ihres Flügels. Von da eilte er nach den1556
Arcturus, dem Cepheus, der Andromeda, näherte sich dem Nordpol,
und beugte von da nach den Widder, worauf er im April mit dem Saturn,
Mars,
der Venus und Sonne zusammen kam, sich noch einige Zeit vor der
Sonnen Aufgang sehen lies, und kurz darauf verschwand e).

Mitlerweile wurden des Erzbischofs mit Ziffern und Caracteren geschriebene
Briefe an seinen Bruder, Herzog Albrecht zu Preussen, in welchen er densel-
ben um Hülfstruppen ersuchet, und ihnen die Häfen Dünemünde, Pernaw und
Salis zur Landung der Völker angewiesen hatte, in Curland aufgefangen. Da ein
Ordenssecretarius dieses Geheimnis wolte entdeckt haben; so wurde sogleich überal Lerm
geblasen, der Erzbischof von den Ständen für einen Feind des Landes erkläret, und
ihm von der Stadt der Eid aufgekündiget, worüber Galen am 8ten Jun. zu
Wenden eiren Revers ausstellete. Dieser nahm indessen zur Ausführung seines
Unternehmens den Comtur zu Vellin, Wilhelm von Fürstenberg zum Coad-
iutor in dem Meisteramte. Der Landmarschal Caspar von Münster, welcher
ordentlicher Weise die nächste Anwartschaft darauf hatte, protestirte gegen diese Wahl,
und setzte an Fürstenbergen aus, daß er sich mit den Pohlen nicht vertragen
könne, wie er denn schon als Comtur des Grenzschlosses Düneburg sich zu ver-
schiedenen Malen mit diesen Nachbarn überworfen hätte. Daher rieth er, man
möchte lieber Gotthard Kettlern annehmen; welcher Meinung auch bald meh-
rere von den Mitgebietigern beipflichteten. Und dieser Rath wäre für Liefland
damals freilich der beste gewesen.

Um aber doch seinen Willen zu haben, und dem Ordensmeister einen Possen
zu spielen, so rückte der Landmarschal Münster mit seinen Hofleuten in Sege-
wolde
vor das Schlos Dunemünde, und als der dasige Comtur Jürgen
von Brabeck auf geheimen Befehl des Ordensmeisters Feuer zu geben drohete,
wandte er sich nach Ascherade. Hier wolte ihn auch niemand einlassen, wes-
halb er sich denn zu der erzbischöflichen Partey schlug, und nach Kokenhausen
gieng. Nun wolte ihn zwar der Orden als einen öffentlichen Feind ausgeliefert
wissen; allein der Erzbischof erwies den zu Lemsel versamleten Stiftsräthen die
Rechtmäßigkeit seiner Beschützung, und schickte den Landmarschal Münster als
seinen Gesandten nach Preussen. Hier gab man ihm Schuld, daß er daselbst
wichtige Händel angesponnen, die das gemeine Geschrey in Liefland noch grösser
machte, ob er gleich in der That nur aus einer persönlichen Rache gegen die Or-
densgebietiger, die ihn in der Wahl übergangen, die Vortheile des Erzbischofs et-
was zu hitzig verfochte, aber schlechten Dank dafür erlangte f).

Nun-
e) Diesen Cometen hatte der Erzbischof mit näherm Recht auf seine Gefangenschaft zu deu-
ten, als Carl der Vte auf seinen Todesfal. Jederman prophezeite dem armen
Lieflande hieraus wenig guts, und die Schriftsteller haben auch gleich die Erfüllung
entdeckt. Man könte hieraus beinahe einen Aberglauben schliessen: nur dieses steht
im Wege, daß die Leute damals weder klüger noch besser wurden, zum offenbaren Be-
weis, daß schon die alten Liefländer nicht mehr an Cometen geglaubet haben, zumal
an diesen, weil er ziemlich spät kam, und Liefland in seinem völligen Untergange an-
traf. Die Historie aller liefländischen Cometen hat uns ein Curländer, Joh. Sven-
burg,
zu Riga in 4 auf 4 Bogen 1665 drucken lassen. Er fängt sie von 1314 an. Der
im Jahr 1529 war der glücklichste, ein Vorbote so vieler Portugalöser, die Pletten-
berg
prägen lassen. Dergleichen sind nicht viele mehr erschienen.
f) Der Landmarschal Caspar von Münster gieng nachher nach Pohlen, wo ihn nach
Hennings Urtheil die Rache GOttes verfolgte, daß er sich zu Cauen der Läuse und
Würmer kaum, der bittersten Armuth aber gar nicht erwehren konte, ob er gleich bey
seinem Amte ehemals in Liefland mit 300 Pferden und etlichen Trompetern zur Tage-
fart geritten. Einige gute Leute riethen ihm, die Worte: Ecce homo mit grössen
Buchstaben auf ein Papier zu schreiben, und forne aufs Kleid zu heften, auf ein mal
aber, wenn der litthauische Senat beisammen, sich darzustellen, ob man viel-
leicht mit seinem Zustande Mitleiden haben würde. Er sol es auch gethan haben;
worauf
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Erzb. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Hinrichs von Galen.
bey dem Stern von der dritten Groͤſſe ihres Fluͤgels. Von da eilte er nach den1556
Arcturus, dem Cepheus, der Andromeda, naͤherte ſich dem Nordpol,
und beugte von da nach den Widder, worauf er im April mit dem Saturn,
Mars,
der Venus und Sonne zuſammen kam, ſich noch einige Zeit vor der
Sonnen Aufgang ſehen lies, und kurz darauf verſchwand e).

Mitlerweile wurden des Erzbiſchofs mit Ziffern und Caracteren geſchriebene
Briefe an ſeinen Bruder, Herzog Albrecht zu Preuſſen, in welchen er denſel-
ben um Huͤlfstruppen erſuchet, und ihnen die Haͤfen Duͤnemuͤnde, Pernaw und
Salis zur Landung der Voͤlker angewieſen hatte, in Curland aufgefangen. Da ein
Ordensſecretarius dieſes Geheimnis wolte entdeckt haben; ſo wurde ſogleich uͤberal Lerm
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ihm von der Stadt der Eid aufgekuͤndiget, woruͤber Galen am 8ten Jun. zu
Wenden eiren Revers ausſtellete. Dieſer nahm indeſſen zur Ausfuͤhrung ſeines
Unternehmens den Comtur zu Vellin, Wilhelm von Fuͤrſtenberg zum Coad-
iutor in dem Meiſteramte. Der Landmarſchal Caſpar von Muͤnſter, welcher
ordentlicher Weiſe die naͤchſte Anwartſchaft darauf hatte, proteſtirte gegen dieſe Wahl,
und ſetzte an Fuͤrſtenbergen aus, daß er ſich mit den Pohlen nicht vertragen
koͤnne, wie er denn ſchon als Comtur des Grenzſchloſſes Duͤneburg ſich zu ver-
ſchiedenen Malen mit dieſen Nachbarn uͤberworfen haͤtte. Daher rieth er, man
moͤchte lieber Gotthard Kettlern annehmen; welcher Meinung auch bald meh-
rere von den Mitgebietigern beipflichteten. Und dieſer Rath waͤre fuͤr Liefland
damals freilich der beſte geweſen.

Um aber doch ſeinen Willen zu haben, und dem Ordensmeiſter einen Poſſen
zu ſpielen, ſo ruͤckte der Landmarſchal Muͤnſter mit ſeinen Hofleuten in Sege-
wolde
vor das Schlos Dunemuͤnde, und als der daſige Comtur Juͤrgen
von Brabeck auf geheimen Befehl des Ordensmeiſters Feuer zu geben drohete,
wandte er ſich nach Aſcherade. Hier wolte ihn auch niemand einlaſſen, wes-
halb er ſich denn zu der erzbiſchoͤflichen Partey ſchlug, und nach Kokenhauſen
gieng. Nun wolte ihn zwar der Orden als einen oͤffentlichen Feind ausgeliefert
wiſſen; allein der Erzbiſchof erwies den zu Lemſel verſamleten Stiftsraͤthen die
Rechtmaͤßigkeit ſeiner Beſchuͤtzung, und ſchickte den Landmarſchal Muͤnſter als
ſeinen Geſandten nach Preuſſen. Hier gab man ihm Schuld, daß er daſelbſt
wichtige Haͤndel angeſponnen, die das gemeine Geſchrey in Liefland noch groͤſſer
machte, ob er gleich in der That nur aus einer perſoͤnlichen Rache gegen die Or-
densgebietiger, die ihn in der Wahl uͤbergangen, die Vortheile des Erzbiſchofs et-
was zu hitzig verfochte, aber ſchlechten Dank dafuͤr erlangte f).

Nun-
e) Dieſen Cometen hatte der Erzbiſchof mit naͤherm Recht auf ſeine Gefangenſchaft zu deu-
ten, als Carl der Vte auf ſeinen Todesfal. Jederman prophezeite dem armen
Lieflande hieraus wenig guts, und die Schriftſteller haben auch gleich die Erfuͤllung
entdeckt. Man koͤnte hieraus beinahe einen Aberglauben ſchlieſſen: nur dieſes ſteht
im Wege, daß die Leute damals weder kluͤger noch beſſer wurden, zum offenbaren Be-
weis, daß ſchon die alten Lieflaͤnder nicht mehr an Cometen geglaubet haben, zumal
an dieſen, weil er ziemlich ſpaͤt kam, und Liefland in ſeinem voͤlligen Untergange an-
traf. Die Hiſtorie aller lieflaͤndiſchen Cometen hat uns ein Curlaͤnder, Joh. Sven-
burg,
zu Riga in 4 auf 4 Bogen 1665 drucken laſſen. Er faͤngt ſie von 1314 an. Der
im Jahr 1529 war der gluͤcklichſte, ein Vorbote ſo vieler Portugaloͤſer, die Pletten-
berg
praͤgen laſſen. Dergleichen ſind nicht viele mehr erſchienen.
f) Der Landmarſchal Caſpar von Muͤnſter gieng nachher nach Pohlen, wo ihn nach
Hennings Urtheil die Rache GOttes verfolgte, daß er ſich zu Cauen der Laͤuſe und
Wuͤrmer kaum, der bitterſten Armuth aber gar nicht erwehren konte, ob er gleich bey
ſeinem Amte ehemals in Liefland mit 300 Pferden und etlichen Trompetern zur Tage-
fart geritten. Einige gute Leute riethen ihm, die Worte: Ecce homo mit groͤſſen
Buchſtaben auf ein Papier zu ſchreiben, und forne aufs Kleid zu heften, auf ein mal
aber, wenn der litthauiſche Senat beiſammen, ſich darzuſtellen, ob man viel-
leicht mit ſeinem Zuſtande Mitleiden haben wuͤrde. Er ſol es auch gethan haben;
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[219/0237] Erzb. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Hinrichs von Galen. bey dem Stern von der dritten Groͤſſe ihres Fluͤgels. Von da eilte er nach den Arcturus, dem Cepheus, der Andromeda, naͤherte ſich dem Nordpol, und beugte von da nach den Widder, worauf er im April mit dem Saturn, Mars, der Venus und Sonne zuſammen kam, ſich noch einige Zeit vor der Sonnen Aufgang ſehen lies, und kurz darauf verſchwand e). 1556 Mitlerweile wurden des Erzbiſchofs mit Ziffern und Caracteren geſchriebene Briefe an ſeinen Bruder, Herzog Albrecht zu Preuſſen, in welchen er denſel- ben um Huͤlfstruppen erſuchet, und ihnen die Haͤfen Duͤnemuͤnde, Pernaw und Salis zur Landung der Voͤlker angewieſen hatte, in Curland aufgefangen. Da ein Ordensſecretarius dieſes Geheimnis wolte entdeckt haben; ſo wurde ſogleich uͤberal Lerm geblaſen, der Erzbiſchof von den Staͤnden fuͤr einen Feind des Landes erklaͤret, und ihm von der Stadt der Eid aufgekuͤndiget, woruͤber Galen am 8ten Jun. zu Wenden eiren Revers ausſtellete. Dieſer nahm indeſſen zur Ausfuͤhrung ſeines Unternehmens den Comtur zu Vellin, Wilhelm von Fuͤrſtenberg zum Coad- iutor in dem Meiſteramte. Der Landmarſchal Caſpar von Muͤnſter, welcher ordentlicher Weiſe die naͤchſte Anwartſchaft darauf hatte, proteſtirte gegen dieſe Wahl, und ſetzte an Fuͤrſtenbergen aus, daß er ſich mit den Pohlen nicht vertragen koͤnne, wie er denn ſchon als Comtur des Grenzſchloſſes Duͤneburg ſich zu ver- ſchiedenen Malen mit dieſen Nachbarn uͤberworfen haͤtte. Daher rieth er, man moͤchte lieber Gotthard Kettlern annehmen; welcher Meinung auch bald meh- rere von den Mitgebietigern beipflichteten. Und dieſer Rath waͤre fuͤr Liefland damals freilich der beſte geweſen. Um aber doch ſeinen Willen zu haben, und dem Ordensmeiſter einen Poſſen zu ſpielen, ſo ruͤckte der Landmarſchal Muͤnſter mit ſeinen Hofleuten in Sege- wolde vor das Schlos Dunemuͤnde, und als der daſige Comtur Juͤrgen von Brabeck auf geheimen Befehl des Ordensmeiſters Feuer zu geben drohete, wandte er ſich nach Aſcherade. Hier wolte ihn auch niemand einlaſſen, wes- halb er ſich denn zu der erzbiſchoͤflichen Partey ſchlug, und nach Kokenhauſen gieng. Nun wolte ihn zwar der Orden als einen oͤffentlichen Feind ausgeliefert wiſſen; allein der Erzbiſchof erwies den zu Lemſel verſamleten Stiftsraͤthen die Rechtmaͤßigkeit ſeiner Beſchuͤtzung, und ſchickte den Landmarſchal Muͤnſter als ſeinen Geſandten nach Preuſſen. Hier gab man ihm Schuld, daß er daſelbſt wichtige Haͤndel angeſponnen, die das gemeine Geſchrey in Liefland noch groͤſſer machte, ob er gleich in der That nur aus einer perſoͤnlichen Rache gegen die Or- densgebietiger, die ihn in der Wahl uͤbergangen, die Vortheile des Erzbiſchofs et- was zu hitzig verfochte, aber ſchlechten Dank dafuͤr erlangte f). Nun- e) Dieſen Cometen hatte der Erzbiſchof mit naͤherm Recht auf ſeine Gefangenſchaft zu deu- ten, als Carl der Vte auf ſeinen Todesfal. Jederman prophezeite dem armen Lieflande hieraus wenig guts, und die Schriftſteller haben auch gleich die Erfuͤllung entdeckt. Man koͤnte hieraus beinahe einen Aberglauben ſchlieſſen: nur dieſes ſteht im Wege, daß die Leute damals weder kluͤger noch beſſer wurden, zum offenbaren Be- weis, daß ſchon die alten Lieflaͤnder nicht mehr an Cometen geglaubet haben, zumal an dieſen, weil er ziemlich ſpaͤt kam, und Liefland in ſeinem voͤlligen Untergange an- traf. Die Hiſtorie aller lieflaͤndiſchen Cometen hat uns ein Curlaͤnder, Joh. Sven- burg, zu Riga in 4 auf 4 Bogen 1665 drucken laſſen. Er faͤngt ſie von 1314 an. Der im Jahr 1529 war der gluͤcklichſte, ein Vorbote ſo vieler Portugaloͤſer, die Pletten- berg praͤgen laſſen. Dergleichen ſind nicht viele mehr erſchienen. f) Der Landmarſchal Caſpar von Muͤnſter gieng nachher nach Pohlen, wo ihn nach Hennings Urtheil die Rache GOttes verfolgte, daß er ſich zu Cauen der Laͤuſe und Wuͤrmer kaum, der bitterſten Armuth aber gar nicht erwehren konte, ob er gleich bey ſeinem Amte ehemals in Liefland mit 300 Pferden und etlichen Trompetern zur Tage- fart geritten. Einige gute Leute riethen ihm, die Worte: Ecce homo mit groͤſſen Buchſtaben auf ein Papier zu ſchreiben, und forne aufs Kleid zu heften, auf ein mal aber, wenn der litthauiſche Senat beiſammen, ſich darzuſtellen, ob man viel- leicht mit ſeinem Zuſtande Mitleiden haben wuͤrde. Er ſol es auch gethan haben; worauf J i i 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/237>, abgerufen am 23.11.2024.