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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1546und dem lemselschen Vergleich zu bleiben, ein ander gemeinschaftlich gegen den
Feind zu beschirmen, und keinen Coadiutor ausser Landes von Macht und Anse-
hen und fürstlichem Stande einzuverschreiben; welcher letztere Punkt in allen Land-
tagen verschrieben, aber auch am wenigsten gehalten wurde.

1547

Am Freitag nach Pauli Bekehrung gab der neue Coadiutor der Stadt Ri-
ga
vor seinem Einzuge in dieselbe zu Neuermühlen mit den feierlichsten Verbin-
dungen die schriftliche Versicherung, die Stadt bey dem allein seligmachenden
Worte GOttes und dem Evangelio, nebst den Ceremonien ihres christlichen Got-
tesdienstes und allen Privilegien, zu schützen, die Klagen wegen des Thorschliessens
abzustellen, und die alte Gerichtbarkeit des Raths gegen das unzeitige Appelliren
zu handhaben. Der Erzbischof stellete schon am Freitage nach Mariä Reinigung
eine gleiche Versicherung von sich, daß die Stadt ihm gutwillig den Eid geleistet,
daher er alles wie der Herr Meister zu halten angelobet, und die jetzige reine Re-
ligion der Stadt mit seinem grössern Jnsiegel bestätiget. Der Ordensmeister
Brüggeney, sein Coadiutor Recke, und der Erzbischof Wilhelm hielten hier-
auf den prächtigsten Einzug mit 2200 Pferden; die Stadt legte an den Coadiu-
tor Recke den Eid ab, und räumte die Häuser der Domherren der Geistlichkeit
wieder ein, welche sie doch nur auf eine kurze Zeit bezogen. Denn am Sontag
Exaudi entstund durch Unvorsichtigkeit einer Bürgerstochter, die ihrem Vater
Klotwachs, oder Wachs im Klumpen schmelzen solte, aber dabey einen jungen
Gesellen zu sprechen hatte, ein Feuer in der Vorburg. Die im Rauch hängenden
Speckseiten flogen nach der Stadt zu, und eine davon zündete den Thurm der
Domkirche an, und legte die herrlichste Spitze an der Ostsee in die Asche *).
Von dem Thurme flog das Feuer in die Vorstadt, wo die Korn und Flachsspei-
cher drauf giengen, die Stiftsstrasse und Kaufmansgasse kam zum Theil mit in
Brand, und wenig Häuser der Domherren wurden gerettet, wodurch dem Propst
Matthias Unverfehrt der Vergleich mit der Stadt leichter wurde. Nach
Schmelzung der grossen Glocken fiel ein Balken ins Kirchengewölbe, der 6 Faden
tief in die Erde drang, wobey man diese Worte zeichnete: Den 21sten May
1547 fiel dieser Balken vom Thurm herunter.

Jn diesem Jahr legten die Liefländer dem Czaar in Rußland wieder ei-
nen Stein des Anstosses in den Weg. Dieser in der Staatsöconomie erfahrne
Herr lies durch seinen Gesandten Hans Schlitte im römischen Reiche an 300
Gelehrte und Künstler mit Anweisung ansehnlicher Besoldungen für seine Länder
aufsuchen. Aerzte und Weltweise, Papiermacher, Bergwerksverständige,
Bauleute, Goldschmiede, Glockengiesser, Brunnenmeister und dergleichen wa-
ren in Deutschland fertig, mit kaiserlicher Erlaubnis nach Rußland zu gehen,
doch unter dem Vorbehalt, weder unter Türken noch Tartern dergleichen Kün-
ste einzuführen, noch sie zum Schaden der Deutschen zu gebrauchen. Es ward
solches von dem römischen Kaiser desto eher bewilliget, je mehr man sich die
eitle Hofnung machte, es würde der Czaar und desselben Kronprinz zur lateini-
schen
Kirche treten. Allein auf der andern Seite glaubten die Liefländer, daß
diese Maximen des rußischen Hofes für ihren Staat gar gefährlich ausfallen
könten. Der Orden hatte auch wirklich so viel beim Kaiser ausgewirkt, daß die-
sem Schlitte mit seinen Leuten die Pässe in Lübeck abgenommen und zurück ge-
sandt wurden, worüber man in Rußland nachdrückliche Beschwerden führete,
die aber kein Gehör fanden. Die Künstler selbst nahmen den Heimweg, ohne
eine neue Erlaubnis vom Kaiser abzuwarten, wiewol sich auch viele nachher heim-
lich in Rußland hinein stahlen. Sal. Henning beschreibet Schlittens Rei-

sege-
*) Auf Weihnachten 1549 wurde schon im Dom die erste Predigt wieder gehalten. Jm Jahr 1595
ward der Hahn und Knopf auf den neuen Thurm gesetzet, welcher Aufsatz auf 9782 Thaler Alb.
und 3 Mark rigisch zu stehen kam. Die Domkirche war 1204 gebauet worden, und im Jahr
1213 oder eher brante sie schon wieder ab. Sie lag in der alten Stadt Riga. Die jetzige ward
damals ausserhalb der Stadt an der Düne gebauet, welcher Raum nachher bey Erweiterung der
Mauer mit in die neue Stadt gebracht ward.

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1546und dem lemſelſchen Vergleich zu bleiben, ein ander gemeinſchaftlich gegen den
Feind zu beſchirmen, und keinen Coadiutor auſſer Landes von Macht und Anſe-
hen und fuͤrſtlichem Stande einzuverſchreiben; welcher letztere Punkt in allen Land-
tagen verſchrieben, aber auch am wenigſten gehalten wurde.

1547

Am Freitag nach Pauli Bekehrung gab der neue Coadiutor der Stadt Ri-
ga
vor ſeinem Einzuge in dieſelbe zu Neuermuͤhlen mit den feierlichſten Verbin-
dungen die ſchriftliche Verſicherung, die Stadt bey dem allein ſeligmachenden
Worte GOttes und dem Evangelio, nebſt den Ceremonien ihres chriſtlichen Got-
tesdienſtes und allen Privilegien, zu ſchuͤtzen, die Klagen wegen des Thorſchlieſſens
abzuſtellen, und die alte Gerichtbarkeit des Raths gegen das unzeitige Appelliren
zu handhaben. Der Erzbiſchof ſtellete ſchon am Freitage nach Mariaͤ Reinigung
eine gleiche Verſicherung von ſich, daß die Stadt ihm gutwillig den Eid geleiſtet,
daher er alles wie der Herr Meiſter zu halten angelobet, und die jetzige reine Re-
ligion der Stadt mit ſeinem groͤſſern Jnſiegel beſtaͤtiget. Der Ordensmeiſter
Bruͤggeney, ſein Coadiutor Recke, und der Erzbiſchof Wilhelm hielten hier-
auf den praͤchtigſten Einzug mit 2200 Pferden; die Stadt legte an den Coadiu-
tor Recke den Eid ab, und raͤumte die Haͤuſer der Domherren der Geiſtlichkeit
wieder ein, welche ſie doch nur auf eine kurze Zeit bezogen. Denn am Sontag
Exaudi entſtund durch Unvorſichtigkeit einer Buͤrgerstochter, die ihrem Vater
Klotwachs, oder Wachs im Klumpen ſchmelzen ſolte, aber dabey einen jungen
Geſellen zu ſprechen hatte, ein Feuer in der Vorburg. Die im Rauch haͤngenden
Speckſeiten flogen nach der Stadt zu, und eine davon zuͤndete den Thurm der
Domkirche an, und legte die herrlichſte Spitze an der Oſtſee in die Aſche *).
Von dem Thurme flog das Feuer in die Vorſtadt, wo die Korn und Flachsſpei-
cher drauf giengen, die Stiftsſtraſſe und Kaufmansgaſſe kam zum Theil mit in
Brand, und wenig Haͤuſer der Domherren wurden gerettet, wodurch dem Propſt
Matthias Unverfehrt der Vergleich mit der Stadt leichter wurde. Nach
Schmelzung der groſſen Glocken fiel ein Balken ins Kirchengewoͤlbe, der 6 Faden
tief in die Erde drang, wobey man dieſe Worte zeichnete: Den 21ſten May
1547 fiel dieſer Balken vom Thurm herunter.

Jn dieſem Jahr legten die Lieflaͤnder dem Czaar in Rußland wieder ei-
nen Stein des Anſtoſſes in den Weg. Dieſer in der Staatsoͤconomie erfahrne
Herr lies durch ſeinen Geſandten Hans Schlitte im roͤmiſchen Reiche an 300
Gelehrte und Kuͤnſtler mit Anweiſung anſehnlicher Beſoldungen fuͤr ſeine Laͤnder
aufſuchen. Aerzte und Weltweiſe, Papiermacher, Bergwerksverſtaͤndige,
Bauleute, Goldſchmiede, Glockengieſſer, Brunnenmeiſter und dergleichen wa-
ren in Deutſchland fertig, mit kaiſerlicher Erlaubnis nach Rußland zu gehen,
doch unter dem Vorbehalt, weder unter Tuͤrken noch Tartern dergleichen Kuͤn-
ſte einzufuͤhren, noch ſie zum Schaden der Deutſchen zu gebrauchen. Es ward
ſolches von dem roͤmiſchen Kaiſer deſto eher bewilliget, je mehr man ſich die
eitle Hofnung machte, es wuͤrde der Czaar und deſſelben Kronprinz zur lateini-
ſchen
Kirche treten. Allein auf der andern Seite glaubten die Lieflaͤnder, daß
dieſe Maximen des rußiſchen Hofes fuͤr ihren Staat gar gefaͤhrlich ausfallen
koͤnten. Der Orden hatte auch wirklich ſo viel beim Kaiſer ausgewirkt, daß die-
ſem Schlitte mit ſeinen Leuten die Paͤſſe in Luͤbeck abgenommen und zuruͤck ge-
ſandt wurden, woruͤber man in Rußland nachdruͤckliche Beſchwerden fuͤhrete,
die aber kein Gehoͤr fanden. Die Kuͤnſtler ſelbſt nahmen den Heimweg, ohne
eine neue Erlaubnis vom Kaiſer abzuwarten, wiewol ſich auch viele nachher heim-
lich in Rußland hinein ſtahlen. Sal. Henning beſchreibet Schlittens Rei-

ſege-
*) Auf Weihnachten 1549 wurde ſchon im Dom die erſte Predigt wieder gehalten. Jm Jahr 1595
ward der Hahn und Knopf auf den neuen Thurm geſetzet, welcher Aufſatz auf 9782 Thaler Alb.
und 3 Mark rigiſch zu ſtehen kam. Die Domkirche war 1204 gebauet worden, und im Jahr
1213 oder eher brante ſie ſchon wieder ab. Sie lag in der alten Stadt Riga. Die jetzige ward
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[212/0230] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, und dem lemſelſchen Vergleich zu bleiben, ein ander gemeinſchaftlich gegen den Feind zu beſchirmen, und keinen Coadiutor auſſer Landes von Macht und Anſe- hen und fuͤrſtlichem Stande einzuverſchreiben; welcher letztere Punkt in allen Land- tagen verſchrieben, aber auch am wenigſten gehalten wurde. 1546 Am Freitag nach Pauli Bekehrung gab der neue Coadiutor der Stadt Ri- ga vor ſeinem Einzuge in dieſelbe zu Neuermuͤhlen mit den feierlichſten Verbin- dungen die ſchriftliche Verſicherung, die Stadt bey dem allein ſeligmachenden Worte GOttes und dem Evangelio, nebſt den Ceremonien ihres chriſtlichen Got- tesdienſtes und allen Privilegien, zu ſchuͤtzen, die Klagen wegen des Thorſchlieſſens abzuſtellen, und die alte Gerichtbarkeit des Raths gegen das unzeitige Appelliren zu handhaben. Der Erzbiſchof ſtellete ſchon am Freitage nach Mariaͤ Reinigung eine gleiche Verſicherung von ſich, daß die Stadt ihm gutwillig den Eid geleiſtet, daher er alles wie der Herr Meiſter zu halten angelobet, und die jetzige reine Re- ligion der Stadt mit ſeinem groͤſſern Jnſiegel beſtaͤtiget. Der Ordensmeiſter Bruͤggeney, ſein Coadiutor Recke, und der Erzbiſchof Wilhelm hielten hier- auf den praͤchtigſten Einzug mit 2200 Pferden; die Stadt legte an den Coadiu- tor Recke den Eid ab, und raͤumte die Haͤuſer der Domherren der Geiſtlichkeit wieder ein, welche ſie doch nur auf eine kurze Zeit bezogen. Denn am Sontag Exaudi entſtund durch Unvorſichtigkeit einer Buͤrgerstochter, die ihrem Vater Klotwachs, oder Wachs im Klumpen ſchmelzen ſolte, aber dabey einen jungen Geſellen zu ſprechen hatte, ein Feuer in der Vorburg. Die im Rauch haͤngenden Speckſeiten flogen nach der Stadt zu, und eine davon zuͤndete den Thurm der Domkirche an, und legte die herrlichſte Spitze an der Oſtſee in die Aſche *). Von dem Thurme flog das Feuer in die Vorſtadt, wo die Korn und Flachsſpei- cher drauf giengen, die Stiftsſtraſſe und Kaufmansgaſſe kam zum Theil mit in Brand, und wenig Haͤuſer der Domherren wurden gerettet, wodurch dem Propſt Matthias Unverfehrt der Vergleich mit der Stadt leichter wurde. Nach Schmelzung der groſſen Glocken fiel ein Balken ins Kirchengewoͤlbe, der 6 Faden tief in die Erde drang, wobey man dieſe Worte zeichnete: Den 21ſten May 1547 fiel dieſer Balken vom Thurm herunter. Jn dieſem Jahr legten die Lieflaͤnder dem Czaar in Rußland wieder ei- nen Stein des Anſtoſſes in den Weg. Dieſer in der Staatsoͤconomie erfahrne Herr lies durch ſeinen Geſandten Hans Schlitte im roͤmiſchen Reiche an 300 Gelehrte und Kuͤnſtler mit Anweiſung anſehnlicher Beſoldungen fuͤr ſeine Laͤnder aufſuchen. Aerzte und Weltweiſe, Papiermacher, Bergwerksverſtaͤndige, Bauleute, Goldſchmiede, Glockengieſſer, Brunnenmeiſter und dergleichen wa- ren in Deutſchland fertig, mit kaiſerlicher Erlaubnis nach Rußland zu gehen, doch unter dem Vorbehalt, weder unter Tuͤrken noch Tartern dergleichen Kuͤn- ſte einzufuͤhren, noch ſie zum Schaden der Deutſchen zu gebrauchen. Es ward ſolches von dem roͤmiſchen Kaiſer deſto eher bewilliget, je mehr man ſich die eitle Hofnung machte, es wuͤrde der Czaar und deſſelben Kronprinz zur lateini- ſchen Kirche treten. Allein auf der andern Seite glaubten die Lieflaͤnder, daß dieſe Maximen des rußiſchen Hofes fuͤr ihren Staat gar gefaͤhrlich ausfallen koͤnten. Der Orden hatte auch wirklich ſo viel beim Kaiſer ausgewirkt, daß die- ſem Schlitte mit ſeinen Leuten die Paͤſſe in Luͤbeck abgenommen und zuruͤck ge- ſandt wurden, woruͤber man in Rußland nachdruͤckliche Beſchwerden fuͤhrete, die aber kein Gehoͤr fanden. Die Kuͤnſtler ſelbſt nahmen den Heimweg, ohne eine neue Erlaubnis vom Kaiſer abzuwarten, wiewol ſich auch viele nachher heim- lich in Rußland hinein ſtahlen. Sal. Henning beſchreibet Schlittens Rei- ſege- *) Auf Weihnachten 1549 wurde ſchon im Dom die erſte Predigt wieder gehalten. Jm Jahr 1595 ward der Hahn und Knopf auf den neuen Thurm geſetzet, welcher Aufſatz auf 9782 Thaler Alb. und 3 Mark rigiſch zu ſtehen kam. Die Domkirche war 1204 gebauet worden, und im Jahr 1213 oder eher brante ſie ſchon wieder ab. Sie lag in der alten Stadt Riga. Die jetzige ward damals auſſerhalb der Stadt an der Duͤne gebauet, welcher Raum nachher bey Erweiterung der Mauer mit in die neue Stadt gebracht ward.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/230>, abgerufen am 23.11.2024.