[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister, 1546und dem lemselschen Vergleich zu bleiben, ein ander gemeinschaftlich gegen denFeind zu beschirmen, und keinen Coadiutor ausser Landes von Macht und Anse- hen und fürstlichem Stande einzuverschreiben; welcher letztere Punkt in allen Land- tagen verschrieben, aber auch am wenigsten gehalten wurde. Am Freitag nach Pauli Bekehrung gab der neue Coadiutor der Stadt Ri- Jn diesem Jahr legten die Liefländer dem Czaar in Rußland wieder ei- sege- *) Auf Weihnachten 1549 wurde schon im Dom die erste Predigt wieder gehalten. Jm Jahr 1595
ward der Hahn und Knopf auf den neuen Thurm gesetzet, welcher Aufsatz auf 9782 Thaler Alb. und 3 Mark rigisch zu stehen kam. Die Domkirche war 1204 gebauet worden, und im Jahr 1213 oder eher brante sie schon wieder ab. Sie lag in der alten Stadt Riga. Die jetzige ward damals ausserhalb der Stadt an der Düne gebauet, welcher Raum nachher bey Erweiterung der Mauer mit in die neue Stadt gebracht ward. Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, 1546und dem lemſelſchen Vergleich zu bleiben, ein ander gemeinſchaftlich gegen denFeind zu beſchirmen, und keinen Coadiutor auſſer Landes von Macht und Anſe- hen und fuͤrſtlichem Stande einzuverſchreiben; welcher letztere Punkt in allen Land- tagen verſchrieben, aber auch am wenigſten gehalten wurde. Am Freitag nach Pauli Bekehrung gab der neue Coadiutor der Stadt Ri- Jn dieſem Jahr legten die Lieflaͤnder dem Czaar in Rußland wieder ei- ſege- *) Auf Weihnachten 1549 wurde ſchon im Dom die erſte Predigt wieder gehalten. Jm Jahr 1595
ward der Hahn und Knopf auf den neuen Thurm geſetzet, welcher Aufſatz auf 9782 Thaler Alb. und 3 Mark rigiſch zu ſtehen kam. Die Domkirche war 1204 gebauet worden, und im Jahr 1213 oder eher brante ſie ſchon wieder ab. Sie lag in der alten Stadt Riga. Die jetzige ward damals auſſerhalb der Stadt an der Duͤne gebauet, welcher Raum nachher bey Erweiterung der Mauer mit in die neue Stadt gebracht ward. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0230" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,</hi></fw><lb/><note place="left">1546</note>und dem <hi rendition="#fr">lemſelſchen</hi> Vergleich zu bleiben, ein ander gemeinſchaftlich gegen den<lb/> Feind zu beſchirmen, und keinen Coadiutor auſſer Landes von Macht und Anſe-<lb/> hen und fuͤrſtlichem Stande einzuverſchreiben; welcher letztere Punkt in allen Land-<lb/> tagen verſchrieben, aber auch am wenigſten gehalten wurde.</p><lb/> <note place="left">1547</note> <p>Am Freitag nach <hi rendition="#fr">Pauli</hi> Bekehrung gab der neue Coadiutor der Stadt <hi rendition="#fr">Ri-<lb/> ga</hi> vor ſeinem Einzuge in dieſelbe zu <hi rendition="#fr">Neuermuͤhlen</hi> mit den feierlichſten Verbin-<lb/> dungen die ſchriftliche Verſicherung, die Stadt bey dem allein ſeligmachenden<lb/> Worte GOttes und dem Evangelio, nebſt den Ceremonien ihres chriſtlichen Got-<lb/> tesdienſtes und allen Privilegien, zu ſchuͤtzen, die Klagen wegen des Thorſchlieſſens<lb/> abzuſtellen, und die alte Gerichtbarkeit des Raths gegen das unzeitige Appelliren<lb/> zu handhaben. 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Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
und dem lemſelſchen Vergleich zu bleiben, ein ander gemeinſchaftlich gegen den
Feind zu beſchirmen, und keinen Coadiutor auſſer Landes von Macht und Anſe-
hen und fuͤrſtlichem Stande einzuverſchreiben; welcher letztere Punkt in allen Land-
tagen verſchrieben, aber auch am wenigſten gehalten wurde.
1546
Am Freitag nach Pauli Bekehrung gab der neue Coadiutor der Stadt Ri-
ga vor ſeinem Einzuge in dieſelbe zu Neuermuͤhlen mit den feierlichſten Verbin-
dungen die ſchriftliche Verſicherung, die Stadt bey dem allein ſeligmachenden
Worte GOttes und dem Evangelio, nebſt den Ceremonien ihres chriſtlichen Got-
tesdienſtes und allen Privilegien, zu ſchuͤtzen, die Klagen wegen des Thorſchlieſſens
abzuſtellen, und die alte Gerichtbarkeit des Raths gegen das unzeitige Appelliren
zu handhaben. Der Erzbiſchof ſtellete ſchon am Freitage nach Mariaͤ Reinigung
eine gleiche Verſicherung von ſich, daß die Stadt ihm gutwillig den Eid geleiſtet,
daher er alles wie der Herr Meiſter zu halten angelobet, und die jetzige reine Re-
ligion der Stadt mit ſeinem groͤſſern Jnſiegel beſtaͤtiget. Der Ordensmeiſter
Bruͤggeney, ſein Coadiutor Recke, und der Erzbiſchof Wilhelm hielten hier-
auf den praͤchtigſten Einzug mit 2200 Pferden; die Stadt legte an den Coadiu-
tor Recke den Eid ab, und raͤumte die Haͤuſer der Domherren der Geiſtlichkeit
wieder ein, welche ſie doch nur auf eine kurze Zeit bezogen. Denn am Sontag
Exaudi entſtund durch Unvorſichtigkeit einer Buͤrgerstochter, die ihrem Vater
Klotwachs, oder Wachs im Klumpen ſchmelzen ſolte, aber dabey einen jungen
Geſellen zu ſprechen hatte, ein Feuer in der Vorburg. Die im Rauch haͤngenden
Speckſeiten flogen nach der Stadt zu, und eine davon zuͤndete den Thurm der
Domkirche an, und legte die herrlichſte Spitze an der Oſtſee in die Aſche *).
Von dem Thurme flog das Feuer in die Vorſtadt, wo die Korn und Flachsſpei-
cher drauf giengen, die Stiftsſtraſſe und Kaufmansgaſſe kam zum Theil mit in
Brand, und wenig Haͤuſer der Domherren wurden gerettet, wodurch dem Propſt
Matthias Unverfehrt der Vergleich mit der Stadt leichter wurde. Nach
Schmelzung der groſſen Glocken fiel ein Balken ins Kirchengewoͤlbe, der 6 Faden
tief in die Erde drang, wobey man dieſe Worte zeichnete: Den 21ſten May
1547 fiel dieſer Balken vom Thurm herunter.
Jn dieſem Jahr legten die Lieflaͤnder dem Czaar in Rußland wieder ei-
nen Stein des Anſtoſſes in den Weg. Dieſer in der Staatsoͤconomie erfahrne
Herr lies durch ſeinen Geſandten Hans Schlitte im roͤmiſchen Reiche an 300
Gelehrte und Kuͤnſtler mit Anweiſung anſehnlicher Beſoldungen fuͤr ſeine Laͤnder
aufſuchen. Aerzte und Weltweiſe, Papiermacher, Bergwerksverſtaͤndige,
Bauleute, Goldſchmiede, Glockengieſſer, Brunnenmeiſter und dergleichen wa-
ren in Deutſchland fertig, mit kaiſerlicher Erlaubnis nach Rußland zu gehen,
doch unter dem Vorbehalt, weder unter Tuͤrken noch Tartern dergleichen Kuͤn-
ſte einzufuͤhren, noch ſie zum Schaden der Deutſchen zu gebrauchen. Es ward
ſolches von dem roͤmiſchen Kaiſer deſto eher bewilliget, je mehr man ſich die
eitle Hofnung machte, es wuͤrde der Czaar und deſſelben Kronprinz zur lateini-
ſchen Kirche treten. Allein auf der andern Seite glaubten die Lieflaͤnder, daß
dieſe Maximen des rußiſchen Hofes fuͤr ihren Staat gar gefaͤhrlich ausfallen
koͤnten. Der Orden hatte auch wirklich ſo viel beim Kaiſer ausgewirkt, daß die-
ſem Schlitte mit ſeinen Leuten die Paͤſſe in Luͤbeck abgenommen und zuruͤck ge-
ſandt wurden, woruͤber man in Rußland nachdruͤckliche Beſchwerden fuͤhrete,
die aber kein Gehoͤr fanden. Die Kuͤnſtler ſelbſt nahmen den Heimweg, ohne
eine neue Erlaubnis vom Kaiſer abzuwarten, wiewol ſich auch viele nachher heim-
lich in Rußland hinein ſtahlen. Sal. Henning beſchreibet Schlittens Rei-
ſege-
*) Auf Weihnachten 1549 wurde ſchon im Dom die erſte Predigt wieder gehalten. Jm Jahr 1595
ward der Hahn und Knopf auf den neuen Thurm geſetzet, welcher Aufſatz auf 9782 Thaler Alb.
und 3 Mark rigiſch zu ſtehen kam. Die Domkirche war 1204 gebauet worden, und im Jahr
1213 oder eher brante ſie ſchon wieder ab. Sie lag in der alten Stadt Riga. Die jetzige ward
damals auſſerhalb der Stadt an der Duͤne gebauet, welcher Raum nachher bey Erweiterung der
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