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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1522in Rußland gleiche Freiheit, nur daß sie kein Salz in Rusland führen. Die
auswertigen Gesandten haben freien Pas und Geleite. Ein Deutscher, so ei-
nen Russen an den Bart greift, ist nach dem alten Rechte bruchfällig.

Nach Verlauf des vor 14 Jahren getroffenen Friedens ward auch zu Ples-
cow
ein neuer errichtet. Der rußische Kaiser Wasili, die Fürsten Alexan-
der Wolodemirewitz, Michael Wasilewitz
und Peter Simonewitz,
nebst den Elterleuten zu Plescow, bezeugen, daß von dem edlen Fürsten zu
Liefland, Wolthern von Plettenberg, Boten gekommen, nemlich Timen
von der Borch,
und Johan Lode, welchen auf 10 Jahr, nemlich von
7030 bis 7040, folgendes zugestanden worden: Keiner sol auf der plescowi-
schen
See in des andern Grenzen fischen, und kein Deutscher auf dem Klit-
sari
Holm treten. Wer auf fremd Wasser und Land trit, dem sol man das
Leben nicht lassen. Die Plescower können in den Büschen an der Embach
ihr Holz ungehindert hauen. Das alte, wie es Kaiser Jvan und sein Sohn
der Kaiser Wasili angeordnet, bleibet ungeändert. Die rußischen Kirchen
GOttes sollen nicht beschädiget, das Geraubte aber derselben nach der Küssung
des Kreutzes erstattet werden. Welcher Deutsche dem Plescower seinen
Bart ausrauft, sol hart gestrafet werden. Jvan Constantinowitz, Herr-
meister *) zu Grosnogarden, hat sich noch unterschrieben. Die Siegel des
Czaars, Erzbischofs und des Ordensmeisters sind angehengt; Plettenbergen
aber wird der Titel des Vorstenmeisters beigeleget.

Nachdem GOtt in Deutschland durch sein gesegnetes Rüstzeug D. Mar-
tin Luthern,
das Licht des Evangelii angezündet hatte, so drang der Glanz
desselben auch in Liefland, und zeigete nach so langer Finsternis eine angenehme
Morgenröthe. Man hatte sich nach dem Anbruch dieses Tages lange gesehnet,
allein viele waren darüber hingestorben, indem der Papst so wol, als die Bi-
schöfe in Liefland, die Untersuchung der herschenden Misbräuche der Religion,
auf so vielfältige Beschwerden der Bürgerschaft und anderer redlich gesinten Leute,
auf ein algemeines Concilium aussetzte, welcher Punkt seit vielen Jahren in allen
Huldigungsbriefen und öffentlichen Landesrecessen war versprochen worden. Bey
den Greueln ärgerlicher Menschensatzungen, hatten die aus Riga kein Herz
mehr ihre Kinder den Mönchen zur Unterweisung anzuvertrauen, und schickten
selbige auf die damals berühmte Schule zu Treptow in Pommern, woran Jo-
han Bugenhagen
und Andreas Knöpken, zwey treue evangelische Lehrer,
als Arbeiter stunden. Der caminsche Bischof, Erasmus Manteufel, ver-
jagte diese würdigen Bekenner der unverfälschten Lehre Christi und seiner Apostel;
daher Knöpken mit seinen Schülern sich nach Riga wandte, und seinen Bru-
der Jacob Knöpken, einen rigischen Domherren besuchte. Man berief ihn
gar bald zum Archidiaconus an die Peterskirche, in welcher er am 23ten Octob.
1522 seine Antritspredigt hielt. Seine Bescheidenheit und sein sanftmüthiger
Sinn erweckte ihm bey den Bürgern Liebe und Zuneigung, und selbst bey denen
eine Hochachtung, die aus besondern Absichten mit ihrem Beitrit zur evangeli-
schen Kirche an sich hielten. Einige nennen ihn mit Grunde den rigischen
Apostel, dessen schöne Kirchengesänge vol Geist und Glauben sind, wovon unter
vielen andern das herrliche Lied: HErr Christ, der einige GOttes Sohn,
zum Beweise dienet. Er lies sich so gar mit den Mönchen in eine Disputation
ein, welche unter Beisitz und Schutz des Bürgermeisters Conrad Durkop,
in dem Chor der Peterskirche gehalten wurde, wobey er vielen Ruhm erhielt.

Diesen
*) Vielleicht ist dieses ein Fehler des Abschreibers. Man hat von diesen Friedensverträgen Abschrif-
ten in rußischer und deutscher Sprache. Die deutschen Uebersetzungen aber klingen so rauh
und unverständlich, daß man an den mehresten Orten kaum einen ordentlichen Verstand heraus
bringen kan; welches sich leicht begreifen läst, da schon deutsche Originale von diesen Zeiten et-
was unverständlich fallen, zumal wenn die Verbindungswörter und Unterscheidungszeichen in der
Rede fehlen, wie vielmehr also die Uebersetzungen? Es bleibt also die Frage, ob das Original
oder die Uebersetzung Schuld habe, wenn Venator und Kelch von einigen rußischen Antworten
berichten, daß sie weder gehauen noch gestochen gewesen.

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1522in Rußland gleiche Freiheit, nur daß ſie kein Salz in Rusland fuͤhren. Die
auswertigen Geſandten haben freien Pas und Geleite. Ein Deutſcher, ſo ei-
nen Ruſſen an den Bart greift, iſt nach dem alten Rechte bruchfaͤllig.

Nach Verlauf des vor 14 Jahren getroffenen Friedens ward auch zu Ples-
cow
ein neuer errichtet. Der rußiſche Kaiſer Waſili, die Fuͤrſten Alexan-
der Wolodemirewitz, Michael Waſilewitz
und Peter Simonewitz,
nebſt den Elterleuten zu Plescow, bezeugen, daß von dem edlen Fuͤrſten zu
Liefland, Wolthern von Plettenberg, Boten gekommen, nemlich Timen
von der Borch,
und Johan Lode, welchen auf 10 Jahr, nemlich von
7030 bis 7040, folgendes zugeſtanden worden: Keiner ſol auf der plescowi-
ſchen
See in des andern Grenzen fiſchen, und kein Deutſcher auf dem Klit-
ſari
Holm treten. Wer auf fremd Waſſer und Land trit, dem ſol man das
Leben nicht laſſen. Die Plescower koͤnnen in den Buͤſchen an der Embach
ihr Holz ungehindert hauen. Das alte, wie es Kaiſer Jvan und ſein Sohn
der Kaiſer Waſili angeordnet, bleibet ungeaͤndert. Die rußiſchen Kirchen
GOttes ſollen nicht beſchaͤdiget, das Geraubte aber derſelben nach der Kuͤſſung
des Kreutzes erſtattet werden. Welcher Deutſche dem Plescower ſeinen
Bart ausrauft, ſol hart geſtrafet werden. Jvan Conſtantinowitz, Herr-
meiſter *) zu Grosnogarden, hat ſich noch unterſchrieben. Die Siegel des
Czaars, Erzbiſchofs und des Ordensmeiſters ſind angehengt; Plettenbergen
aber wird der Titel des Vorſtenmeiſters beigeleget.

Nachdem GOtt in Deutſchland durch ſein geſegnetes Ruͤſtzeug D. Mar-
tin Luthern,
das Licht des Evangelii angezuͤndet hatte, ſo drang der Glanz
deſſelben auch in Liefland, und zeigete nach ſo langer Finſternis eine angenehme
Morgenroͤthe. Man hatte ſich nach dem Anbruch dieſes Tages lange geſehnet,
allein viele waren daruͤber hingeſtorben, indem der Papſt ſo wol, als die Bi-
ſchoͤfe in Liefland, die Unterſuchung der herſchenden Misbraͤuche der Religion,
auf ſo vielfaͤltige Beſchwerden der Buͤrgerſchaft und anderer redlich geſinten Leute,
auf ein algemeines Concilium ausſetzte, welcher Punkt ſeit vielen Jahren in allen
Huldigungsbriefen und oͤffentlichen Landesreceſſen war verſprochen worden. Bey
den Greueln aͤrgerlicher Menſchenſatzungen, hatten die aus Riga kein Herz
mehr ihre Kinder den Moͤnchen zur Unterweiſung anzuvertrauen, und ſchickten
ſelbige auf die damals beruͤhmte Schule zu Treptow in Pommern, woran Jo-
han Bugenhagen
und Andreas Knoͤpken, zwey treue evangeliſche Lehrer,
als Arbeiter ſtunden. Der caminſche Biſchof, Eraſmus Manteufel, ver-
jagte dieſe wuͤrdigen Bekenner der unverfaͤlſchten Lehre Chriſti und ſeiner Apoſtel;
daher Knoͤpken mit ſeinen Schuͤlern ſich nach Riga wandte, und ſeinen Bru-
der Jacob Knoͤpken, einen rigiſchen Domherren beſuchte. Man berief ihn
gar bald zum Archidiaconus an die Peterskirche, in welcher er am 23ten Octob.
1522 ſeine Antritspredigt hielt. Seine Beſcheidenheit und ſein ſanftmuͤthiger
Sinn erweckte ihm bey den Buͤrgern Liebe und Zuneigung, und ſelbſt bey denen
eine Hochachtung, die aus beſondern Abſichten mit ihrem Beitrit zur evangeli-
ſchen Kirche an ſich hielten. Einige nennen ihn mit Grunde den rigiſchen
Apoſtel, deſſen ſchoͤne Kirchengeſaͤnge vol Geiſt und Glauben ſind, wovon unter
vielen andern das herrliche Lied: HErr Chriſt, der einige GOttes Sohn,
zum Beweiſe dienet. Er lies ſich ſo gar mit den Moͤnchen in eine Diſputation
ein, welche unter Beiſitz und Schutz des Buͤrgermeiſters Conrad Durkop,
in dem Chor der Peterskirche gehalten wurde, wobey er vielen Ruhm erhielt.

Dieſen
*) Vielleicht iſt dieſes ein Fehler des Abſchreibers. Man hat von dieſen Friedensvertraͤgen Abſchrif-
ten in rußiſcher und deutſcher Sprache. Die deutſchen Ueberſetzungen aber klingen ſo rauh
und unverſtaͤndlich, daß man an den mehreſten Orten kaum einen ordentlichen Verſtand heraus
bringen kan; welches ſich leicht begreifen laͤſt, da ſchon deutſche Originale von dieſen Zeiten et-
was unverſtaͤndlich fallen, zumal wenn die Verbindungswoͤrter und Unterſcheidungszeichen in der
Rede fehlen, wie vielmehr alſo die Ueberſetzungen? Es bleibt alſo die Frage, ob das Original
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[184/0202] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, in Rußland gleiche Freiheit, nur daß ſie kein Salz in Rusland fuͤhren. Die auswertigen Geſandten haben freien Pas und Geleite. Ein Deutſcher, ſo ei- nen Ruſſen an den Bart greift, iſt nach dem alten Rechte bruchfaͤllig. 1522 Nach Verlauf des vor 14 Jahren getroffenen Friedens ward auch zu Ples- cow ein neuer errichtet. Der rußiſche Kaiſer Waſili, die Fuͤrſten Alexan- der Wolodemirewitz, Michael Waſilewitz und Peter Simonewitz, nebſt den Elterleuten zu Plescow, bezeugen, daß von dem edlen Fuͤrſten zu Liefland, Wolthern von Plettenberg, Boten gekommen, nemlich Timen von der Borch, und Johan Lode, welchen auf 10 Jahr, nemlich von 7030 bis 7040, folgendes zugeſtanden worden: Keiner ſol auf der plescowi- ſchen See in des andern Grenzen fiſchen, und kein Deutſcher auf dem Klit- ſari Holm treten. Wer auf fremd Waſſer und Land trit, dem ſol man das Leben nicht laſſen. Die Plescower koͤnnen in den Buͤſchen an der Embach ihr Holz ungehindert hauen. Das alte, wie es Kaiſer Jvan und ſein Sohn der Kaiſer Waſili angeordnet, bleibet ungeaͤndert. Die rußiſchen Kirchen GOttes ſollen nicht beſchaͤdiget, das Geraubte aber derſelben nach der Kuͤſſung des Kreutzes erſtattet werden. Welcher Deutſche dem Plescower ſeinen Bart ausrauft, ſol hart geſtrafet werden. Jvan Conſtantinowitz, Herr- meiſter *) zu Grosnogarden, hat ſich noch unterſchrieben. Die Siegel des Czaars, Erzbiſchofs und des Ordensmeiſters ſind angehengt; Plettenbergen aber wird der Titel des Vorſtenmeiſters beigeleget. Nachdem GOtt in Deutſchland durch ſein geſegnetes Ruͤſtzeug D. Mar- tin Luthern, das Licht des Evangelii angezuͤndet hatte, ſo drang der Glanz deſſelben auch in Liefland, und zeigete nach ſo langer Finſternis eine angenehme Morgenroͤthe. Man hatte ſich nach dem Anbruch dieſes Tages lange geſehnet, allein viele waren daruͤber hingeſtorben, indem der Papſt ſo wol, als die Bi- ſchoͤfe in Liefland, die Unterſuchung der herſchenden Misbraͤuche der Religion, auf ſo vielfaͤltige Beſchwerden der Buͤrgerſchaft und anderer redlich geſinten Leute, auf ein algemeines Concilium ausſetzte, welcher Punkt ſeit vielen Jahren in allen Huldigungsbriefen und oͤffentlichen Landesreceſſen war verſprochen worden. Bey den Greueln aͤrgerlicher Menſchenſatzungen, hatten die aus Riga kein Herz mehr ihre Kinder den Moͤnchen zur Unterweiſung anzuvertrauen, und ſchickten ſelbige auf die damals beruͤhmte Schule zu Treptow in Pommern, woran Jo- han Bugenhagen und Andreas Knoͤpken, zwey treue evangeliſche Lehrer, als Arbeiter ſtunden. Der caminſche Biſchof, Eraſmus Manteufel, ver- jagte dieſe wuͤrdigen Bekenner der unverfaͤlſchten Lehre Chriſti und ſeiner Apoſtel; daher Knoͤpken mit ſeinen Schuͤlern ſich nach Riga wandte, und ſeinen Bru- der Jacob Knoͤpken, einen rigiſchen Domherren beſuchte. Man berief ihn gar bald zum Archidiaconus an die Peterskirche, in welcher er am 23ten Octob. 1522 ſeine Antritspredigt hielt. Seine Beſcheidenheit und ſein ſanftmuͤthiger Sinn erweckte ihm bey den Buͤrgern Liebe und Zuneigung, und ſelbſt bey denen eine Hochachtung, die aus beſondern Abſichten mit ihrem Beitrit zur evangeli- ſchen Kirche an ſich hielten. Einige nennen ihn mit Grunde den rigiſchen Apoſtel, deſſen ſchoͤne Kirchengeſaͤnge vol Geiſt und Glauben ſind, wovon unter vielen andern das herrliche Lied: HErr Chriſt, der einige GOttes Sohn, zum Beweiſe dienet. Er lies ſich ſo gar mit den Moͤnchen in eine Diſputation ein, welche unter Beiſitz und Schutz des Buͤrgermeiſters Conrad Durkop, in dem Chor der Peterskirche gehalten wurde, wobey er vielen Ruhm erhielt. Dieſen *) Vielleicht iſt dieſes ein Fehler des Abſchreibers. Man hat von dieſen Friedensvertraͤgen Abſchrif- ten in rußiſcher und deutſcher Sprache. Die deutſchen Ueberſetzungen aber klingen ſo rauh und unverſtaͤndlich, daß man an den mehreſten Orten kaum einen ordentlichen Verſtand heraus bringen kan; welches ſich leicht begreifen laͤſt, da ſchon deutſche Originale von dieſen Zeiten et- was unverſtaͤndlich fallen, zumal wenn die Verbindungswoͤrter und Unterſcheidungszeichen in der Rede fehlen, wie vielmehr alſo die Ueberſetzungen? Es bleibt alſo die Frage, ob das Original oder die Ueberſetzung Schuld habe, wenn Venator und Kelch von einigen rußiſchen Antworten berichten, daß ſie weder gehauen noch geſtochen geweſen.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/202>, abgerufen am 23.11.2024.