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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Vorrede.
Stadt Riga durchsucht, und ausser vielen herrlichen Hülfsmitteln, durch
hohen Vorschub aus Schweden einen ziemlichen Vorrath von Urkunden
sich abgeschrieben, die doch mit seinem Absterben der Nachwelt eben so bald
durch Verschliessung, als seine Person durch den Tod entzogen worden.

Der Vicepräsident des rußisch-kaiserlichen Justizcollegii, Herr Her-
man
von Brevern*), ein Vater zweier hochverdienten Staatsminister,

besas
graphus von Liefland vertreten, und dafür aus den Licenten eine jährliche Pension
von 300 Thlr. Alberts gehoben, erhellet aus einer Birschrift an den König, in wel-
cher er sich seine Besoldung aus dem rigischen Portorio ausbittet, weil die Licent-
gelder sehr unordentlich ausfielen. Sein Sohn, Herman Witte, ward am 19ten
May 1698 von Carl den XIIten geadelt. Er schlos nebst dem Rathsherrn Joh. von
Reutern, und den Elterleuten beider Gilden, am 30sten Jun. 1710 mit dem rußi-
schen
Generalfeldmarschal Scheremetow die Capitulation der Stadt Riga, und
starb am 2ten August darauf. Sein Sohn Herman Claudius Witte von Nor-
deck,
der letzte im Rathe von seinem Geschlecht, war Bürgermeister, und starb am
19ten August 1736 auf Uxkül in einem Alter von 53 Jahren.
*) Dieser grosse Man war am 20sten Jul. 1563 zu Riga geboren. Sein Vater war
D. Joh. Brever, königlicher Superintendent, die Mutter Frau Sophia von
Dunten, und sein Grosvater Herr Joh. Brever, gräflich- mannsfeldischer Con-
sistorialsecretair. Seine noch auf Schulen verfertigte Reden, Disputationen und Ver-
se liegen der Welt im Druck vor Augen. Jm Jahr 1683 begab er sich vom rigi-
schen
Gymnasio nach Deutschland, besuchte die vornehmsten Höfe, Handeleplätze und
Universitäten, und studirte 3 Jahr in Altdorf, alwo ihn eine Disputation de Sym-
bolo heroico
berühmt machte. Er wandte sich 1686 nach Jena, und nahm mehrere
Residenzstädte von Deutschland in Augenschein. Von Wien nahm er seinen Weg
nach Ungern, und kehrte von Ofen zurück nach Augspurg. Von da reisete er nach
Venedig, Florenz und Rom, besichtigte die vaticanische Bibliothek, und nahm
die Post nach Neapolis, wo ihm die türkischen Seeräuber den Pas nach Sici-
lien
unsicher machten. Hier beobachtete er die Flammen und Schlünde des Vesu-
vius,
und richtete seine Reise wieder über Rom nach Mayland und Genua. So
dann begab er sich nach Turin, und so weiter von Geneve nach Paris und Ver-
saille.
Hiernächst wolte er die Niederlande durchreisen; allein eine Krankheit, so ihn
in Amsterdam das Bette zu hüten nötigte, unterbrach sein Vorhaben nach Eng-
land
zu schiffen. Er trat also auf Erinnerung seines Herrn Vaters 1691 die Rück-
reise durch Holstein, Mecklenburg, Pommern und Preussen zu Lande an.
Jm Jahr 1693 ward er Assessor des Landgerichts, 1694 am 5ten Octobr. in den Adel-
stand erhoben, verheyrathete sich darauf mit Catharine von Reutern, und nahm
1696 die Präsidentenstelle in dem königlichen Burggerichte zu Riga an. Gleich nach-
her ernante ihn der König zum ordentlichen Assessor des 1701 von Dörpt nach Riga
verlegten Hofgerichts. Bey den vorwaltenden Kriegsläuften wandte er sich mit seiner
Familie nach Lübeck. Seine daselbst ausgearbeitete herrmeisterliche Historie ist uns
nicht zu Gesicht gekommen. Mit dem Frühjahr kam er wieder nach Riga, wo
er ein halbes Jahr in Abwesenheit des Hrn. Statthalters von Strokirch der Landes-
regierung vorgestanden. Hier nötigte ihn der Krieg zum andern mal nach Lübeck
zu gehen. Alhier erhielt er das kaiserlich rußische Patent als Vicepräsident des
Hofgerichts, mit welchem er 1711 nach einer gefährlichen Reise im Herbst zur See über
Liebau zu Riga ankam. Jm Jahr 1717 ward er zugleich Vicepräsident des erlauch-
ten hohen Reichsjustizcollegii, und stand in Petersburg am kaiserlichen Hofe in be-
sondern Gnaden. So mäßig er auch lebte, und sich vor allen heftigen Leidenschaften
hütete, so verursachten ihm doch die Steinschmerzen am 17ten Jun. 1721 ein schmerzli-
ches Lager. Das Singgedicht, so er über diesen Stein in seinen Nieren mit eigner
Hand aufgesetzet, ist so sinreich, als beweglich; wie denn auch seine gedruckten Ge-
dichte viel Schönheiten und artige Gedanken enthalten. Er starb am 3ten Jul. und
seine Leiche ward von Petersburg nach Riga abgeführet, wo sie am 23sten Febr.
1722 beerdiget worden. Unter seinen Handschriften ist die lesenswürdige Untersuchung
von der Warhaftigkeit des Privilegii, so Sigismund August 1561 fer. 6 post
Cathar.
den Liefländern ertheilet hat, die bekanteste; sonst finden sich auch gelehrte
An-
b

Vorrede.
Stadt Riga durchſucht, und auſſer vielen herrlichen Huͤlfsmitteln, durch
hohen Vorſchub aus Schweden einen ziemlichen Vorrath von Urkunden
ſich abgeſchrieben, die doch mit ſeinem Abſterben der Nachwelt eben ſo bald
durch Verſchlieſſung, als ſeine Perſon durch den Tod entzogen worden.

Der Vicepraͤſident des rußiſch-kaiſerlichen Juſtizcollegii, Herr Her-
man
von Brevern*), ein Vater zweier hochverdienten Staatsminiſter,

beſas
graphus von Liefland vertreten, und dafuͤr aus den Licenten eine jaͤhrliche Penſion
von 300 Thlr. Alberts gehoben, erhellet aus einer Birſchrift an den Koͤnig, in wel-
cher er ſich ſeine Beſoldung aus dem rigiſchen Portorio ausbittet, weil die Licent-
gelder ſehr unordentlich ausfielen. Sein Sohn, Herman Witte, ward am 19ten
May 1698 von Carl den XIIten geadelt. Er ſchlos nebſt dem Rathsherrn Joh. von
Reutern, und den Elterleuten beider Gilden, am 30ſten Jun. 1710 mit dem rußi-
ſchen
Generalfeldmarſchal Scheremetow die Capitulation der Stadt Riga, und
ſtarb am 2ten Auguſt darauf. Sein Sohn Herman Claudius Witte von Nor-
deck,
der letzte im Rathe von ſeinem Geſchlecht, war Buͤrgermeiſter, und ſtarb am
19ten Auguſt 1736 auf Uxkuͤl in einem Alter von 53 Jahren.
*) Dieſer groſſe Man war am 20ſten Jul. 1563 zu Riga geboren. Sein Vater war
D. Joh. Brever, koͤniglicher Superintendent, die Mutter Frau Sophia von
Dunten, und ſein Grosvater Herr Joh. Brever, graͤflich- mannsfeldiſcher Con-
ſiſtorialſecretair. Seine noch auf Schulen verfertigte Reden, Diſputationen und Ver-
ſe liegen der Welt im Druck vor Augen. Jm Jahr 1683 begab er ſich vom rigi-
ſchen
Gymnaſio nach Deutſchland, beſuchte die vornehmſten Hoͤfe, Handeleplaͤtze und
Univerſitaͤten, und ſtudirte 3 Jahr in Altdorf, alwo ihn eine Diſputation de Sym-
bolo heroico
beruͤhmt machte. Er wandte ſich 1686 nach Jena, und nahm mehrere
Reſidenzſtaͤdte von Deutſchland in Augenſchein. Von Wien nahm er ſeinen Weg
nach Ungern, und kehrte von Ofen zuruͤck nach Augſpurg. Von da reiſete er nach
Venedig, Florenz und Rom, beſichtigte die vaticaniſche Bibliothek, und nahm
die Poſt nach Neapolis, wo ihm die tuͤrkiſchen Seeraͤuber den Pas nach Sici-
lien
unſicher machten. Hier beobachtete er die Flammen und Schluͤnde des Veſu-
vius,
und richtete ſeine Reiſe wieder uͤber Rom nach Mayland und Genua. So
dann begab er ſich nach Turin, und ſo weiter von Geneve nach Paris und Ver-
ſaille.
Hiernaͤchſt wolte er die Niederlande durchreiſen; allein eine Krankheit, ſo ihn
in Amſterdam das Bette zu huͤten noͤtigte, unterbrach ſein Vorhaben nach Eng-
land
zu ſchiffen. Er trat alſo auf Erinnerung ſeines Herrn Vaters 1691 die Ruͤck-
reiſe durch Holſtein, Mecklenburg, Pommern und Preuſſen zu Lande an.
Jm Jahr 1693 ward er Aſſeſſor des Landgerichts, 1694 am 5ten Octobr. in den Adel-
ſtand erhoben, verheyrathete ſich darauf mit Catharine von Reutern, und nahm
1696 die Praͤſidentenſtelle in dem koͤniglichen Burggerichte zu Riga an. Gleich nach-
her ernante ihn der Koͤnig zum ordentlichen Aſſeſſor des 1701 von Doͤrpt nach Riga
verlegten Hofgerichts. Bey den vorwaltenden Kriegslaͤuften wandte er ſich mit ſeiner
Familie nach Luͤbeck. Seine daſelbſt ausgearbeitete herrmeiſterliche Hiſtorie iſt uns
nicht zu Geſicht gekommen. Mit dem Fruͤhjahr kam er wieder nach Riga, wo
er ein halbes Jahr in Abweſenheit des Hrn. Statthalters von Strokirch der Landes-
regierung vorgeſtanden. Hier noͤtigte ihn der Krieg zum andern mal nach Luͤbeck
zu gehen. Alhier erhielt er das kaiſerlich rußiſche Patent als Vicepraͤſident des
Hofgerichts, mit welchem er 1711 nach einer gefaͤhrlichen Reiſe im Herbſt zur See uͤber
Liebau zu Riga ankam. Jm Jahr 1717 ward er zugleich Vicepraͤſident des erlauch-
ten hohen Reichsjuſtizcollegii, und ſtand in Petersburg am kaiſerlichen Hofe in be-
ſondern Gnaden. So maͤßig er auch lebte, und ſich vor allen heftigen Leidenſchaften
huͤtete, ſo verurſachten ihm doch die Steinſchmerzen am 17ten Jun. 1721 ein ſchmerzli-
ches Lager. Das Singgedicht, ſo er uͤber dieſen Stein in ſeinen Nieren mit eigner
Hand aufgeſetzet, iſt ſo ſinreich, als beweglich; wie denn auch ſeine gedruckten Ge-
dichte viel Schoͤnheiten und artige Gedanken enthalten. Er ſtarb am 3ten Jul. und
ſeine Leiche ward von Petersburg nach Riga abgefuͤhret, wo ſie am 23ſten Febr.
1722 beerdiget worden. Unter ſeinen Handſchriften iſt die leſenswuͤrdige Unterſuchung
von der Warhaftigkeit des Privilegii, ſo Sigismund Auguſt 1561 fer. 6 poſt
Cathar.
den Lieflaͤndern ertheilet hat, die bekanteſte; ſonſt finden ſich auch gelehrte
An-
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[0013] Vorrede. Stadt Riga durchſucht, und auſſer vielen herrlichen Huͤlfsmitteln, durch hohen Vorſchub aus Schweden einen ziemlichen Vorrath von Urkunden ſich abgeſchrieben, die doch mit ſeinem Abſterben der Nachwelt eben ſo bald durch Verſchlieſſung, als ſeine Perſon durch den Tod entzogen worden. Der Vicepraͤſident des rußiſch-kaiſerlichen Juſtizcollegii, Herr Her- man von Brevern *), ein Vater zweier hochverdienten Staatsminiſter, beſas **) *) Dieſer groſſe Man war am 20ſten Jul. 1563 zu Riga geboren. Sein Vater war D. Joh. Brever, koͤniglicher Superintendent, die Mutter Frau Sophia von Dunten, und ſein Grosvater Herr Joh. Brever, graͤflich- mannsfeldiſcher Con- ſiſtorialſecretair. Seine noch auf Schulen verfertigte Reden, Diſputationen und Ver- ſe liegen der Welt im Druck vor Augen. Jm Jahr 1683 begab er ſich vom rigi- ſchen Gymnaſio nach Deutſchland, beſuchte die vornehmſten Hoͤfe, Handeleplaͤtze und Univerſitaͤten, und ſtudirte 3 Jahr in Altdorf, alwo ihn eine Diſputation de Sym- bolo heroico beruͤhmt machte. Er wandte ſich 1686 nach Jena, und nahm mehrere Reſidenzſtaͤdte von Deutſchland in Augenſchein. Von Wien nahm er ſeinen Weg nach Ungern, und kehrte von Ofen zuruͤck nach Augſpurg. Von da reiſete er nach Venedig, Florenz und Rom, beſichtigte die vaticaniſche Bibliothek, und nahm die Poſt nach Neapolis, wo ihm die tuͤrkiſchen Seeraͤuber den Pas nach Sici- lien unſicher machten. Hier beobachtete er die Flammen und Schluͤnde des Veſu- vius, und richtete ſeine Reiſe wieder uͤber Rom nach Mayland und Genua. So dann begab er ſich nach Turin, und ſo weiter von Geneve nach Paris und Ver- ſaille. Hiernaͤchſt wolte er die Niederlande durchreiſen; allein eine Krankheit, ſo ihn in Amſterdam das Bette zu huͤten noͤtigte, unterbrach ſein Vorhaben nach Eng- land zu ſchiffen. Er trat alſo auf Erinnerung ſeines Herrn Vaters 1691 die Ruͤck- reiſe durch Holſtein, Mecklenburg, Pommern und Preuſſen zu Lande an. Jm Jahr 1693 ward er Aſſeſſor des Landgerichts, 1694 am 5ten Octobr. in den Adel- ſtand erhoben, verheyrathete ſich darauf mit Catharine von Reutern, und nahm 1696 die Praͤſidentenſtelle in dem koͤniglichen Burggerichte zu Riga an. Gleich nach- her ernante ihn der Koͤnig zum ordentlichen Aſſeſſor des 1701 von Doͤrpt nach Riga verlegten Hofgerichts. Bey den vorwaltenden Kriegslaͤuften wandte er ſich mit ſeiner Familie nach Luͤbeck. Seine daſelbſt ausgearbeitete herrmeiſterliche Hiſtorie iſt uns nicht zu Geſicht gekommen. Mit dem Fruͤhjahr kam er wieder nach Riga, wo er ein halbes Jahr in Abweſenheit des Hrn. Statthalters von Strokirch der Landes- regierung vorgeſtanden. Hier noͤtigte ihn der Krieg zum andern mal nach Luͤbeck zu gehen. Alhier erhielt er das kaiſerlich rußiſche Patent als Vicepraͤſident des Hofgerichts, mit welchem er 1711 nach einer gefaͤhrlichen Reiſe im Herbſt zur See uͤber Liebau zu Riga ankam. Jm Jahr 1717 ward er zugleich Vicepraͤſident des erlauch- ten hohen Reichsjuſtizcollegii, und ſtand in Petersburg am kaiſerlichen Hofe in be- ſondern Gnaden. So maͤßig er auch lebte, und ſich vor allen heftigen Leidenſchaften huͤtete, ſo verurſachten ihm doch die Steinſchmerzen am 17ten Jun. 1721 ein ſchmerzli- ches Lager. Das Singgedicht, ſo er uͤber dieſen Stein in ſeinen Nieren mit eigner Hand aufgeſetzet, iſt ſo ſinreich, als beweglich; wie denn auch ſeine gedruckten Ge- dichte viel Schoͤnheiten und artige Gedanken enthalten. Er ſtarb am 3ten Jul. und ſeine Leiche ward von Petersburg nach Riga abgefuͤhret, wo ſie am 23ſten Febr. 1722 beerdiget worden. Unter ſeinen Handſchriften iſt die leſenswuͤrdige Unterſuchung von der Warhaftigkeit des Privilegii, ſo Sigismund Auguſt 1561 fer. 6 poſt Cathar. den Lieflaͤndern ertheilet hat, die bekanteſte; ſonſt finden ſich auch gelehrte An- **) graphus von Liefland vertreten, und dafuͤr aus den Licenten eine jaͤhrliche Penſion von 300 Thlr. Alberts gehoben, erhellet aus einer Birſchrift an den Koͤnig, in wel- cher er ſich ſeine Beſoldung aus dem rigiſchen Portorio ausbittet, weil die Licent- gelder ſehr unordentlich ausfielen. Sein Sohn, Herman Witte, ward am 19ten May 1698 von Carl den XIIten geadelt. Er ſchlos nebſt dem Rathsherrn Joh. von Reutern, und den Elterleuten beider Gilden, am 30ſten Jun. 1710 mit dem rußi- ſchen Generalfeldmarſchal Scheremetow die Capitulation der Stadt Riga, und ſtarb am 2ten Auguſt darauf. Sein Sohn Herman Claudius Witte von Nor- deck, der letzte im Rathe von ſeinem Geſchlecht, war Buͤrgermeiſter, und ſtarb am 19ten Auguſt 1736 auf Uxkuͤl in einem Alter von 53 Jahren. b

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/13>, abgerufen am 23.11.2024.