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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1205 bis 1206.
kaiserlichen Rechts sich wohl bekant gemacht, davon entdecken sich viele Anzeigen, von1205
denen wir doch etliche beybringen wollen. Da Conrad II Anno 1145 zu Magdeburg
die Schenkung Hartwichs bey Lindenbrog Script. Septemtr. p. 155 mit angehäng-
ter Vorbehaltungsclausel bestätiget, so fährt er also fort: Die Schriften des heiligen
Römischen Reichs bezeugen, es sey ungezweifelt Rechtsbeständig, daß eine Bedingung
in allen Contracten gelte. Friedrich der erste bey Hund. metrop. tom. 2 p. 113 be-
stätiget Anno 1166 einen Gegenwechsel, und setzt hinzu: Wer auf richterlichen Ausspruch
der Besitzer ist, der ist es rechtmäßig. Heinrich der Löwe in einer Urkunde, die
der Reichersbergischen Chronik beym Jahr 1162 einverleibet worden, sagt: Die Kir-
che sucht in Ersetzung des Schadens nichts mehr, als daß ihr selbiger einfach ersetzet
werde, den doch die kaiserlichen Rechte gedoppelt und drüber zu erstatten gebieten. Eben
derselbe Herr sagt 1170 in Stiftung der Kirche zu Schwerin bey Lindenbrog p. 165:
Drey Bisthümer haben wir errichtet. Den Vorzug der ganzen Kirchenfreyheit, haben
wir nach Maßgebung der heiligen Rechte, und nach den Gesetzen der Kaiser in unserm
Edicte bestätiget. Um eben diese Zeiten sagt der Abt von Reinhusen Script. Brunsuic.
tom. 1 p.
704: Die Hildesheimischen Brüder bemühen sich vergeblich, die Schen-
kung zu widerrufen, weil die Kirche zu Reinhausen dieses vor meinem Antrit schon
zwanzig Jahr, und eben so lange nachher unterbrochen, unter rechtmäßigem Titel, und
mit gutem Grunde ruhig besessen. Bey Petzen Cod. diplom. part. 2 p. 26 ums
Jahr 1170, ist folgendes Rescript: die scheinen durch euch unrechtmäßig belästiget zu
werden, welche sagen, ihr habet ein Eigenthum, so die Kirche bis auf diese Zeiten un-
ter ihrer Gerichtbarkeit, auf gutem Glauben, mit sicherm Erweiß und ruhigem Besitz
inne gehabt, euch ungerecht zugeeignet. Eben daselbst part. 1 p. 309 spricht Pabst
Jnnocentius II, ums Jahr 1130, da er die Appellationen an den päbstlichen
Stuhl vertheidiget: Nach den kaiserlichen Verordnungen, wenn ordentliche Richter
das Appelliren nicht annehmen, werden sie um dreyßig Pfund Goldes ge-
straft. Nichts von den schon eröfneten Erbvermächtnissen zu gedenken, weil ih-
nen die Rechtsschlüsse zu statten kommen, auf welche der Bischof von Hildesheim,
Adelogus,
sich beziehet, wenn er ums Jahr 1179 saget: Wir bestätigen auch die Te-
stamente unserer Brüder, die sie gemacht, oder was ihnen aus anderer letztem Willen
vermacht ist, kraft der Decrete. Als Heinrich der Stifter des Canonicats zu Sten-
del,
in Becman. Notit. Uniuers. Francofurt. auctar. p. 29 beym Jahr 1192 den Dom-
herren Erlaubniß ertheilet hatte, Testamente zu machen, so setzet er darauf: Wenn sichs
aber, GOtt verhüte es, begeben solte, daß einer ohne Testament mit Tode abginge:
so überlassen wir das, was wir dem Stifter des Erbvermächtnisses freywillig zugeste-
hen, - - - dem Kloster, es stat des Verstorbenen anzuwenden. Der Verfertiger
des Petersbergischen Chronikons beym Jahr 1205 berichtet, daß zu dieser Zeit der
Gebrauch der Appellation und der Redensarten aus den päbstlichen Verordnungen, von
dem Probst Dietrich eingeführet, und daselbst sehr im Schwange gegangen. Diese
Mode, wie Cäsarius von Heisterbach lib. 11 c. 46 schreibet, gab Veranlassung zu
einem spitzigen Scherz auf die unrecht beredten Decretisten, und die Rechtsverkehrten.
Denn als dasselbe Jahr einige von ihnen, nebst etlichen Adelichen, ins Grab musten, so
sagte ein Canonicus: Die Herren von Adel thun wohl, daß sie bey ihrem Tode jene Ad-
vocaten mitnehmen; denn sie werden ihnen unentbehrlich seyn. Endlich macht er den
Schluß: Jn jenem göttlichen Gerichte - - - wird kein Advocate weder für sich noch für
andere etliche falsche Stellen aus den Gesetzen oder päbstlichen Verordnungen anführen
können. So schreibt Cäsarius lib. 6 c. 28. Das alles dienet zum Beweiß, daß
das kaiserlich römische Recht zu der Zeit weder den Deutschen noch Dänen unbe-
kant gewesen, und daß die Bischöfe ein gleiches in Liefland haben wagen können, die
ehemals dem König Waldemar den Rath gegeben, einen Mischmasch aus den einhei-
mischen, bürgerlichen und geistlichen Rechten zusammen zu schmieren. Doch meine rech-
te Meinung zu sagen, so glaube ich nicht, daß der Erzbischof von Lunden, Andreas,
als ein Fremder sich in weltliche Dinge und in die Verwaltung eines fremden Landes
eingedrungen; sondern ich urtheile, er habe die Regirung dem Truchses Gerharden
unangerührt überlassen, als dem sie vom Bischof Albert übertragen war. Eine grösse-
re Wahrscheinlichkeit hat es, daß diese neuen Einwohner Lieflands, die fast alle ent-
weder Magdeburger, oder Braunschweiger und Lüneburger, oder Schaum-
burger, Bremer, Westphälinger
und Holsteiner, mit einem Worte, Sachsen
gewesen, die Rechte ihres Vaterlandes, obgleich nicht schriftlich, nach Liefland mit ge-
bracht, davon einige Spuren beym Jahre 1211 n. 6 vorkommen. Wie nun der Mag-
deburgische
Schöppenstuhl viel Auf hebens machte, als wenn diese Rechte vom Karl
P
von 1205 bis 1206.
kaiſerlichen Rechts ſich wohl bekant gemacht, davon entdecken ſich viele Anzeigen, von1205
denen wir doch etliche beybringen wollen. Da Conrad II Anno 1145 zu Magdeburg
die Schenkung Hartwichs bey Lindenbrog Script. Septemtr. p. 155 mit angehaͤng-
ter Vorbehaltungsclauſel beſtaͤtiget, ſo faͤhrt er alſo fort: Die Schriften des heiligen
Roͤmiſchen Reichs bezeugen, es ſey ungezweifelt Rechtsbeſtaͤndig, daß eine Bedingung
in allen Contracten gelte. Friedrich der erſte bey Hund. metrop. tom. 2 p. 113 be-
ſtaͤtiget Anno 1166 einen Gegenwechſel, und ſetzt hinzu: Wer auf richterlichen Ausſpruch
der Beſitzer iſt, der iſt es rechtmaͤßig. Heinrich der Loͤwe in einer Urkunde, die
der Reichersbergiſchen Chronik beym Jahr 1162 einverleibet worden, ſagt: Die Kir-
che ſucht in Erſetzung des Schadens nichts mehr, als daß ihr ſelbiger einfach erſetzet
werde, den doch die kaiſerlichen Rechte gedoppelt und druͤber zu erſtatten gebieten. Eben
derſelbe Herr ſagt 1170 in Stiftung der Kirche zu Schwerin bey Lindenbrog p. 165:
Drey Bisthuͤmer haben wir errichtet. Den Vorzug der ganzen Kirchenfreyheit, haben
wir nach Maßgebung der heiligen Rechte, und nach den Geſetzen der Kaiſer in unſerm
Edicte beſtaͤtiget. Um eben dieſe Zeiten ſagt der Abt von Reinhuſen Script. Brunſuic.
tom. 1 p.
704: Die Hildesheimiſchen Bruͤder bemuͤhen ſich vergeblich, die Schen-
kung zu widerrufen, weil die Kirche zu Reinhauſen dieſes vor meinem Antrit ſchon
zwanzig Jahr, und eben ſo lange nachher unterbrochen, unter rechtmaͤßigem Titel, und
mit gutem Grunde ruhig beſeſſen. Bey Petzen Cod. diplom. part. 2 p. 26 ums
Jahr 1170, iſt folgendes Reſcript: die ſcheinen durch euch unrechtmaͤßig belaͤſtiget zu
werden, welche ſagen, ihr habet ein Eigenthum, ſo die Kirche bis auf dieſe Zeiten un-
ter ihrer Gerichtbarkeit, auf gutem Glauben, mit ſicherm Erweiß und ruhigem Beſitz
inne gehabt, euch ungerecht zugeeignet. Eben daſelbſt part. 1 p. 309 ſpricht Pabſt
Jnnocentius II, ums Jahr 1130, da er die Appellationen an den paͤbſtlichen
Stuhl vertheidiget: Nach den kaiſerlichen Verordnungen, wenn ordentliche Richter
das Appelliren nicht annehmen, werden ſie um dreyßig Pfund Goldes ge-
ſtraft. Nichts von den ſchon eroͤfneten Erbvermaͤchtniſſen zu gedenken, weil ih-
nen die Rechtsſchluͤſſe zu ſtatten kommen, auf welche der Biſchof von Hildesheim,
Adelogus,
ſich beziehet, wenn er ums Jahr 1179 ſaget: Wir beſtaͤtigen auch die Te-
ſtamente unſerer Bruͤder, die ſie gemacht, oder was ihnen aus anderer letztem Willen
vermacht iſt, kraft der Decrete. Als Heinrich der Stifter des Canonicats zu Sten-
del,
in Becman. Notit. Uniuerſ. Francofurt. auctar. p. 29 beym Jahr 1192 den Dom-
herren Erlaubniß ertheilet hatte, Teſtamente zu machen, ſo ſetzet er darauf: Wenn ſichs
aber, GOtt verhuͤte es, begeben ſolte, daß einer ohne Teſtament mit Tode abginge:
ſo uͤberlaſſen wir das, was wir dem Stifter des Erbvermaͤchtniſſes freywillig zugeſte-
hen, ‒ ‒ ‒ dem Kloſter, es ſtat des Verſtorbenen anzuwenden. Der Verfertiger
des Petersbergiſchen Chronikons beym Jahr 1205 berichtet, daß zu dieſer Zeit der
Gebrauch der Appellation und der Redensarten aus den paͤbſtlichen Verordnungen, von
dem Probſt Dietrich eingefuͤhret, und daſelbſt ſehr im Schwange gegangen. Dieſe
Mode, wie Caͤſarius von Heiſterbach lib. 11 c. 46 ſchreibet, gab Veranlaſſung zu
einem ſpitzigen Scherz auf die unrecht beredten Decretiſten, und die Rechtsverkehrten.
Denn als daſſelbe Jahr einige von ihnen, nebſt etlichen Adelichen, ins Grab muſten, ſo
ſagte ein Canonicus: Die Herren von Adel thun wohl, daß ſie bey ihrem Tode jene Ad-
vocaten mitnehmen; denn ſie werden ihnen unentbehrlich ſeyn. Endlich macht er den
Schluß: Jn jenem goͤttlichen Gerichte ‒ ‒ ‒ wird kein Advocate weder fuͤr ſich noch fuͤr
andere etliche falſche Stellen aus den Geſetzen oder paͤbſtlichen Verordnungen anfuͤhren
koͤnnen. So ſchreibt Caͤſarius lib. 6 c. 28. Das alles dienet zum Beweiß, daß
das kaiſerlich roͤmiſche Recht zu der Zeit weder den Deutſchen noch Daͤnen unbe-
kant geweſen, und daß die Biſchoͤfe ein gleiches in Liefland haben wagen koͤnnen, die
ehemals dem Koͤnig Waldemar den Rath gegeben, einen Miſchmaſch aus den einhei-
miſchen, buͤrgerlichen und geiſtlichen Rechten zuſammen zu ſchmieren. Doch meine rech-
te Meinung zu ſagen, ſo glaube ich nicht, daß der Erzbiſchof von Lunden, Andreas,
als ein Fremder ſich in weltliche Dinge und in die Verwaltung eines fremden Landes
eingedrungen; ſondern ich urtheile, er habe die Regirung dem Truchſes Gerharden
unangeruͤhrt uͤberlaſſen, als dem ſie vom Biſchof Albert uͤbertragen war. Eine groͤſſe-
re Wahrſcheinlichkeit hat es, daß dieſe neuen Einwohner Lieflands, die faſt alle ent-
weder Magdeburger, oder Braunſchweiger und Luͤneburger, oder Schaum-
burger, Bremer, Weſtphaͤlinger
und Holſteiner, mit einem Worte, Sachſen
geweſen, die Rechte ihres Vaterlandes, obgleich nicht ſchriftlich, nach Liefland mit ge-
bracht, davon einige Spuren beym Jahre 1211 n. 6 vorkommen. Wie nun der Mag-
deburgiſche
Schoͤppenſtuhl viel Auf hebens machte, als wenn dieſe Rechte vom Karl
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Eben daſelbſt part. 1 p. 309 ſpricht Pabſt Jnnocentius II, ums Jahr 1130, da er die Appellationen an den paͤbſtlichen Stuhl vertheidiget: Nach den kaiſerlichen Verordnungen, wenn ordentliche Richter das Appelliren nicht annehmen, werden ſie um dreyßig Pfund Goldes ge- ſtraft. Nichts von den ſchon eroͤfneten Erbvermaͤchtniſſen zu gedenken, weil ih- nen die Rechtsſchluͤſſe zu ſtatten kommen, auf welche der Biſchof von Hildesheim, Adelogus, ſich beziehet, wenn er ums Jahr 1179 ſaget: Wir beſtaͤtigen auch die Te- ſtamente unſerer Bruͤder, die ſie gemacht, oder was ihnen aus anderer letztem Willen vermacht iſt, kraft der Decrete. Als Heinrich der Stifter des Canonicats zu Sten- del, in Becman. Notit. Uniuerſ. Francofurt. auctar. p. 29 beym Jahr 1192 den Dom- herren Erlaubniß ertheilet hatte, Teſtamente zu machen, ſo ſetzet er darauf: Wenn ſichs aber, GOtt verhuͤte es, begeben ſolte, daß einer ohne Teſtament mit Tode abginge: ſo uͤberlaſſen wir das, was wir dem Stifter des Erbvermaͤchtniſſes freywillig zugeſte- hen, ‒ ‒ ‒ dem Kloſter, es ſtat des Verſtorbenen anzuwenden. Der Verfertiger des Petersbergiſchen Chronikons beym Jahr 1205 berichtet, daß zu dieſer Zeit der Gebrauch der Appellation und der Redensarten aus den paͤbſtlichen Verordnungen, von dem Probſt Dietrich eingefuͤhret, und daſelbſt ſehr im Schwange gegangen. Dieſe Mode, wie Caͤſarius von Heiſterbach lib. 11 c. 46 ſchreibet, gab Veranlaſſung zu einem ſpitzigen Scherz auf die unrecht beredten Decretiſten, und die Rechtsverkehrten. Denn als daſſelbe Jahr einige von ihnen, nebſt etlichen Adelichen, ins Grab muſten, ſo ſagte ein Canonicus: Die Herren von Adel thun wohl, daß ſie bey ihrem Tode jene Ad- vocaten mitnehmen; denn ſie werden ihnen unentbehrlich ſeyn. Endlich macht er den Schluß: Jn jenem goͤttlichen Gerichte ‒ ‒ ‒ wird kein Advocate weder fuͤr ſich noch fuͤr andere etliche falſche Stellen aus den Geſetzen oder paͤbſtlichen Verordnungen anfuͤhren koͤnnen. So ſchreibt Caͤſarius lib. 6 c. 28. Das alles dienet zum Beweiß, daß das kaiſerlich roͤmiſche Recht zu der Zeit weder den Deutſchen noch Daͤnen unbe- kant geweſen, und daß die Biſchoͤfe ein gleiches in Liefland haben wagen koͤnnen, die ehemals dem Koͤnig Waldemar den Rath gegeben, einen Miſchmaſch aus den einhei- miſchen, buͤrgerlichen und geiſtlichen Rechten zuſammen zu ſchmieren. Doch meine rech- te Meinung zu ſagen, ſo glaube ich nicht, daß der Erzbiſchof von Lunden, Andreas, als ein Fremder ſich in weltliche Dinge und in die Verwaltung eines fremden Landes eingedrungen; ſondern ich urtheile, er habe die Regirung dem Truchſes Gerharden unangeruͤhrt uͤberlaſſen, als dem ſie vom Biſchof Albert uͤbertragen war. Eine groͤſſe- re Wahrſcheinlichkeit hat es, daß dieſe neuen Einwohner Lieflands, die faſt alle ent- weder Magdeburger, oder Braunſchweiger und Luͤneburger, oder Schaum- burger, Bremer, Weſtphaͤlinger und Holſteiner, mit einem Worte, Sachſen geweſen, die Rechte ihres Vaterlandes, obgleich nicht ſchriftlich, nach Liefland mit ge- bracht, davon einige Spuren beym Jahre 1211 n. 6 vorkommen. Wie nun der Mag- deburgiſche Schoͤppenſtuhl viel Auf hebens machte, als wenn dieſe Rechte vom Karl dem P

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/89>, abgerufen am 24.11.2024.