[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.Geschichte des dritten Bischof Alberts, achtes Jahr, 1205ihren Beutel zu füllen, als dem Schein nach der Gerechtigkeit genug zu thun, der-gleichen Advocatenamt*) führten. u) Jst das zu verstehen von den Kaiserlichen Römischen Rechten oder vielmehr von den Kaiserlichen Deutschen Rechten? Komt etwan dieses Einrathen von dem Erz- bischof von Lunden her, der was er zu Paris zur Schlichtung bürgerlicher Händel dienliches erlernet hatte, vor gut befunden, den Liven es anzupreisen, die nun zu einer neuen Republik anwachsen solten? Arnold von Lübek libr. 3. c. 5. n. 2 bezeuget wirk- lich, daß die Dänen zu seiner Zeit zu Paris gute Decretisten oder Rechtsgelehrte ge- worden. Und Joh. Messenius Svec. Sanct. libr. 2. c. 21. sagt ausdrücklich, Andreas sey zu einem Doctor beyder Rechte mit grossem Ruhm gemacht. Der König von Dän- nemark Waldemar II führte den Beynamen des Gesetzgebers, weil er zuerst die von unterschiedenen, sonderlich von den Bischöfen gesamleten Gesetze in ein Buch brin- gen lassen. Die Fortsetzung des Saxo bey Benzeln monum Suec. p. 147: Dieser Woldemar hat unter seinen übrigen denkwürdigen Thaten auch die Gesetze der Dänen bekant gemacht. Lyschander geneal. Dan. p. 226. Joh. Svaning chronol. Dan. p. 81. Pontanus rer. Dan. libr. 6. p. 321. Daß diese nicht nur in päbstlichen, son- dern auch in kaiserlichen Rechten sehr erfahren gewesen, hat daher seinen gnugsamen Beweiß, weil offenbar ist, daß viele Hauptstücke aus den Gesetzen von Wort zu Wort in dieses Werk gebracht worden. Also meldet das Chron. Slesvic. l. c. p. 591. Cypräus Annal. Slesvic. l. 2. c. 5. p. 245. Des Herrn Arpe Themis Cimbrica p. 112. seq. Der alzustarke Eifer, den die Lehrer zu Paris damals für das weltliche Recht hatten, bewog den Pabst Honorius lll, daß er Anno 1220 nach Frankreich ein Rescript sandte, so c. 28 X. de priuileg. zu lesen ist: Ob gleich die heilige Kirche den Dienst weltlicher Ge- setze nicht verschmähet, so ferne sie den Spuren der Billigkeit und Gerechtigkeit nach- gehen|; doch weil in Frankreich und einigen Provinzen die Laien der Gesetze der Rö- mischen Kaiser sich nicht bedienen, und selten dergleichen Processe in der Kirche vor- fallen, die nicht aus den Canonischen Verordnungen ausgemacht werden könten: so un- tersagen wir ernstlich und verbieten ausdrücklich, daß weder zu Paris, oder in andern Städten und Oertern sich niemand unterfange das bürgerliche Recht entweder zu lehren oder auch nur zu hören, damit man sich desto eigentlicher an die Bibel halte. Die Ci- stercienser waren auch gleich folgsam, und legten in ihren Bücherschränken die Bücher des bürgerlichen und des canonischen Rechts jegliches an besondre Stellen. Denn in der Distinct. 1. cap. XI. der zu dieser Zeit gesamleten Verordnungen stehet also: Die Bücher des weltlichen und die Bücher des geistlichen Rechts sollen ganz und gar nicht in einem Behältniß bey einander liegen etc. Spondanus beym Jahr 1223 schliesset hier- aus, man habe auf den Schulen in Frankreich eher über das Kirchenrecht zu lesen ange- fangen, als über das bürgerliche. Es kan aber auch das daraus geschlossen werden, daß die bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit um diese Zeit in solchem Flor gestanden, daß der Pabst darüber gar den Verfal des Ansehens der Kirchengesetze besorgte. Von Einrich- tung der Pariser Schule ist eine merkwürdige Stelle im Chronico Alberici ums Jahr 1209 p. 451: Jn dieser so berühmten Stadt wird nicht allein eine volständige und vol- kommene Unterweisung gegeben von den Trivial- und Quadrivialwissenschaften, sondern auch in den Streitfragen des geistlichen und weltlichen Rechts, und in der Kunst, die von Heilung der Körper und Erhaltung der Gesundheit handelt; doch wurde den Studenten auf ihr häufiges Verlangen mehr die heilige Schrift und die theologischen Fragen geleh- ret. Hier hat man die so genanten vier Facultäten, und insonderheit die Lehre so wol des bürgerlichen als kirchlichen Rechts. Es ist aber durch das päbstliche Verbot auf den Akademien nichts ausgerichtet worden. Denn ausser dem, daß wir überhaupt dem Verbotenen gerne entgegen handeln, so haben die Päbste selbst in ihren Verordnungen hier und da das bürgerliche Recht verbessert, und dadurch den Geistlichen eben den Appe- tit gereizet, oder vielmehr sie genöthiget, das verbesserte Recht sich bekant zu machen. Daß wirklich unsre Deutschen schon im vorigen Jahrhundert die Bücher des Römisch *) Aduocatia ecclesiae war die höchste Würde, die vermöge der Wahlcapitulation nur allein den Kaisern
zukam, welche aber gemeiniglich solches Amt ihren fürnehmsten Bedienten übertrugen, daß sie der Kir- che GOttes und den Armen Recht schaften, wie sie es einmal vor dem höchsten Richter verantworten könten. Sie hatten darinne die höchste und unumschränkte Gewalt, daher auch auswärtige Könige sich bey den Kaisern darum bewarben. Weil sie es aber zur Erweiterung der weltlichen Macht miß- brauchten, trugen die Kaiser Bedenken, es ihnen zu überlassen. Jn Liefland hiessen Aduocati die Schirmherren oder Kastenvoigte, welche in der Kirche die weltlichen Affairen abmachten, und jedem zu seinem Rechte halfen. Aus den Tradit. Fuldens. lib. 1. 2. 3. ist zu ersehen, daß einem jeden Stifte bey seiner Errichtung ein dergleichen Advocate zugestanden worden. Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr, 1205ihren Beutel zu fuͤllen, als dem Schein nach der Gerechtigkeit genug zu thun, der-gleichen Advocatenamt*) fuͤhrten. u) Jſt das zu verſtehen von den Kaiſerlichen Roͤmiſchen Rechten oder vielmehr von den Kaiſerlichen Deutſchen Rechten? Komt etwan dieſes Einrathen von dem Erz- biſchof von Lunden her, der was er zu Paris zur Schlichtung buͤrgerlicher Haͤndel dienliches erlernet hatte, vor gut befunden, den Liven es anzupreiſen, die nun zu einer neuen Republik anwachſen ſolten? Arnold von Luͤbek libr. 3. c. 5. n. 2 bezeuget wirk- lich, daß die Daͤnen zu ſeiner Zeit zu Paris gute Decretiſten oder Rechtsgelehrte ge- worden. Und Joh. Meſſenius Svec. Sanct. libr. 2. c. 21. ſagt ausdruͤcklich, Andreas ſey zu einem Doctor beyder Rechte mit groſſem Ruhm gemacht. Der Koͤnig von Daͤn- nemark Waldemar II fuͤhrte den Beynamen des Geſetzgebers, weil er zuerſt die von unterſchiedenen, ſonderlich von den Biſchoͤfen geſamleten Geſetze in ein Buch brin- gen laſſen. Die Fortſetzung des Saxo bey Benzeln monum Suec. p. 147: Dieſer Woldemar hat unter ſeinen uͤbrigen denkwuͤrdigen Thaten auch die Geſetze der Daͤnen bekant gemacht. Lyſchander geneal. Dan. p. 226. Joh. Svaning chronol. Dan. p. 81. Pontanus rer. Dan. libr. 6. p. 321. Daß dieſe nicht nur in paͤbſtlichen, ſon- dern auch in kaiſerlichen Rechten ſehr erfahren geweſen, hat daher ſeinen gnugſamen Beweiß, weil offenbar iſt, daß viele Hauptſtuͤcke aus den Geſetzen von Wort zu Wort in dieſes Werk gebracht worden. Alſo meldet das Chron. Sleſvic. l. c. p. 591. Cypraͤus Annal. Sleſvic. l. 2. c. 5. p. 245. Des Herrn Arpe Themis Cimbrica p. 112. ſeq. Der alzuſtarke Eifer, den die Lehrer zu Paris damals fuͤr das weltliche Recht hatten, bewog den Pabſt Honorius lll, daß er Anno 1220 nach Frankreich ein Reſcript ſandte, ſo c. 28 X. de priuileg. zu leſen iſt: Ob gleich die heilige Kirche den Dienſt weltlicher Ge- ſetze nicht verſchmaͤhet, ſo ferne ſie den Spuren der Billigkeit und Gerechtigkeit nach- gehen|; doch weil in Frankreich und einigen Provinzen die Laien der Geſetze der Roͤ- miſchen Kaiſer ſich nicht bedienen, und ſelten dergleichen Proceſſe in der Kirche vor- fallen, die nicht aus den Canoniſchen Verordnungen ausgemacht werden koͤnten: ſo un- terſagen wir ernſtlich und verbieten ausdruͤcklich, daß weder zu Paris, oder in andern Staͤdten und Oertern ſich niemand unterfange das buͤrgerliche Recht entweder zu lehren oder auch nur zu hoͤren, damit man ſich deſto eigentlicher an die Bibel halte. Die Ci- ſtercienſer waren auch gleich folgſam, und legten in ihren Buͤcherſchraͤnken die Buͤcher des buͤrgerlichen und des canoniſchen Rechts jegliches an beſondre Stellen. Denn in der Diſtinct. 1. cap. XI. der zu dieſer Zeit geſamleten Verordnungen ſtehet alſo: Die Buͤcher des weltlichen und die Buͤcher des geiſtlichen Rechts ſollen ganz und gar nicht in einem Behaͤltniß bey einander liegen ꝛc. Spondanus beym Jahr 1223 ſchlieſſet hier- aus, man habe auf den Schulen in Frankreich eher uͤber das Kirchenrecht zu leſen ange- fangen, als uͤber das buͤrgerliche. Es kan aber auch das daraus geſchloſſen werden, daß die buͤrgerliche Rechtsgelehrſamkeit um dieſe Zeit in ſolchem Flor geſtanden, daß der Pabſt daruͤber gar den Verfal des Anſehens der Kirchengeſetze beſorgte. Von Einrich- tung der Pariſer Schule iſt eine merkwuͤrdige Stelle im Chronico Alberici ums Jahr 1209 p. 451: Jn dieſer ſo beruͤhmten Stadt wird nicht allein eine volſtaͤndige und vol- kommene Unterweiſung gegeben von den Trivial- und Quadrivialwiſſenſchaften, ſondern auch in den Streitfragen des geiſtlichen und weltlichen Rechts, und in der Kunſt, die von Heilung der Koͤrper und Erhaltung der Geſundheit handelt; doch wurde den Studenten auf ihr haͤufiges Verlangen mehr die heilige Schrift und die theologiſchen Fragen geleh- ret. Hier hat man die ſo genanten vier Facultaͤten, und inſonderheit die Lehre ſo wol des buͤrgerlichen als kirchlichen Rechts. Es iſt aber durch das paͤbſtliche Verbot auf den Akademien nichts ausgerichtet worden. Denn auſſer dem, daß wir uͤberhaupt dem Verbotenen gerne entgegen handeln, ſo haben die Paͤbſte ſelbſt in ihren Verordnungen hier und da das buͤrgerliche Recht verbeſſert, und dadurch den Geiſtlichen eben den Appe- tit gereizet, oder vielmehr ſie genoͤthiget, das verbeſſerte Recht ſich bekant zu machen. Daß wirklich unſre Deutſchen ſchon im vorigen Jahrhundert die Buͤcher des Roͤmiſch *) Aduocatia eccleſiæ war die hoͤchſte Wuͤrde, die vermoͤge der Wahlcapitulation nur allein den Kaiſern
zukam, welche aber gemeiniglich ſolches Amt ihren fuͤrnehmſten Bedienten uͤbertrugen, daß ſie der Kir- che GOttes und den Armen Recht ſchaften, wie ſie es einmal vor dem hoͤchſten Richter verantworten koͤnten. Sie hatten darinne die hoͤchſte und unumſchraͤnkte Gewalt, daher auch auswaͤrtige Koͤnige ſich bey den Kaiſern darum bewarben. Weil ſie es aber zur Erweiterung der weltlichen Macht miß- brauchten, trugen die Kaiſer Bedenken, es ihnen zu uͤberlaſſen. Jn Liefland hieſſen Aduocati die Schirmherren oder Kaſtenvoigte, welche in der Kirche die weltlichen Affairen abmachten, und jedem zu ſeinem Rechte halfen. Aus den Tradit. 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Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr,
ihren Beutel zu fuͤllen, als dem Schein nach der Gerechtigkeit genug zu thun, der-
gleichen Advocatenamt *) fuͤhrten.
1205
u⁾ Jſt das zu verſtehen von den Kaiſerlichen Roͤmiſchen Rechten oder vielmehr von
den Kaiſerlichen Deutſchen Rechten? Komt etwan dieſes Einrathen von dem Erz-
biſchof von Lunden her, der was er zu Paris zur Schlichtung buͤrgerlicher Haͤndel
dienliches erlernet hatte, vor gut befunden, den Liven es anzupreiſen, die nun zu einer
neuen Republik anwachſen ſolten? Arnold von Luͤbek libr. 3. c. 5. n. 2 bezeuget wirk-
lich, daß die Daͤnen zu ſeiner Zeit zu Paris gute Decretiſten oder Rechtsgelehrte ge-
worden. Und Joh. Meſſenius Svec. Sanct. libr. 2. c. 21. ſagt ausdruͤcklich, Andreas
ſey zu einem Doctor beyder Rechte mit groſſem Ruhm gemacht. Der Koͤnig von Daͤn-
nemark Waldemar II fuͤhrte den Beynamen des Geſetzgebers, weil er zuerſt die
von unterſchiedenen, ſonderlich von den Biſchoͤfen geſamleten Geſetze in ein Buch brin-
gen laſſen. Die Fortſetzung des Saxo bey Benzeln monum Suec. p. 147: Dieſer
Woldemar hat unter ſeinen uͤbrigen denkwuͤrdigen Thaten auch die Geſetze der Daͤnen
bekant gemacht. Lyſchander geneal. Dan. p. 226. Joh. Svaning chronol. Dan.
p. 81. Pontanus rer. Dan. libr. 6. p. 321. Daß dieſe nicht nur in paͤbſtlichen, ſon-
dern auch in kaiſerlichen Rechten ſehr erfahren geweſen, hat daher ſeinen gnugſamen
Beweiß, weil offenbar iſt, daß viele Hauptſtuͤcke aus den Geſetzen von Wort zu Wort
in dieſes Werk gebracht worden. Alſo meldet das Chron. Sleſvic. l. c. p. 591. Cypraͤus
Annal. Sleſvic. l. 2. c. 5. p. 245. Des Herrn Arpe Themis Cimbrica p. 112. ſeq.
Der alzuſtarke Eifer, den die Lehrer zu Paris damals fuͤr das weltliche Recht hatten,
bewog den Pabſt Honorius lll, daß er Anno 1220 nach Frankreich ein Reſcript ſandte,
ſo c. 28 X. de priuileg. zu leſen iſt: Ob gleich die heilige Kirche den Dienſt weltlicher Ge-
ſetze nicht verſchmaͤhet, ſo ferne ſie den Spuren der Billigkeit und Gerechtigkeit nach-
gehen|; doch weil in Frankreich und einigen Provinzen die Laien der Geſetze der Roͤ-
miſchen Kaiſer ſich nicht bedienen, und ſelten dergleichen Proceſſe in der Kirche vor-
fallen, die nicht aus den Canoniſchen Verordnungen ausgemacht werden koͤnten: ſo un-
terſagen wir ernſtlich und verbieten ausdruͤcklich, daß weder zu Paris, oder in andern
Staͤdten und Oertern ſich niemand unterfange das buͤrgerliche Recht entweder zu lehren
oder auch nur zu hoͤren, damit man ſich deſto eigentlicher an die Bibel halte. Die Ci-
ſtercienſer waren auch gleich folgſam, und legten in ihren Buͤcherſchraͤnken die Buͤcher
des buͤrgerlichen und des canoniſchen Rechts jegliches an beſondre Stellen. Denn in
der Diſtinct. 1. cap. XI. der zu dieſer Zeit geſamleten Verordnungen ſtehet alſo: Die
Buͤcher des weltlichen und die Buͤcher des geiſtlichen Rechts ſollen ganz und gar nicht in
einem Behaͤltniß bey einander liegen ꝛc. Spondanus beym Jahr 1223 ſchlieſſet hier-
aus, man habe auf den Schulen in Frankreich eher uͤber das Kirchenrecht zu leſen ange-
fangen, als uͤber das buͤrgerliche. Es kan aber auch das daraus geſchloſſen werden,
daß die buͤrgerliche Rechtsgelehrſamkeit um dieſe Zeit in ſolchem Flor geſtanden, daß der
Pabſt daruͤber gar den Verfal des Anſehens der Kirchengeſetze beſorgte. Von Einrich-
tung der Pariſer Schule iſt eine merkwuͤrdige Stelle im Chronico Alberici ums Jahr
1209 p. 451: Jn dieſer ſo beruͤhmten Stadt wird nicht allein eine volſtaͤndige und vol-
kommene Unterweiſung gegeben von den Trivial- und Quadrivialwiſſenſchaften, ſondern
auch in den Streitfragen des geiſtlichen und weltlichen Rechts, und in der Kunſt, die von
Heilung der Koͤrper und Erhaltung der Geſundheit handelt; doch wurde den Studenten
auf ihr haͤufiges Verlangen mehr die heilige Schrift und die theologiſchen Fragen geleh-
ret. Hier hat man die ſo genanten vier Facultaͤten, und inſonderheit die Lehre ſo wol
des buͤrgerlichen als kirchlichen Rechts. Es iſt aber durch das paͤbſtliche Verbot auf
den Akademien nichts ausgerichtet worden. Denn auſſer dem, daß wir uͤberhaupt dem
Verbotenen gerne entgegen handeln, ſo haben die Paͤbſte ſelbſt in ihren Verordnungen
hier und da das buͤrgerliche Recht verbeſſert, und dadurch den Geiſtlichen eben den Appe-
tit gereizet, oder vielmehr ſie genoͤthiget, das verbeſſerte Recht ſich bekant zu machen.
Daß wirklich unſre Deutſchen ſchon im vorigen Jahrhundert die Buͤcher des Roͤmiſch
kaiſer-
*) Aduocatia eccleſiæ war die hoͤchſte Wuͤrde, die vermoͤge der Wahlcapitulation nur allein den Kaiſern
zukam, welche aber gemeiniglich ſolches Amt ihren fuͤrnehmſten Bedienten uͤbertrugen, daß ſie der Kir-
che GOttes und den Armen Recht ſchaften, wie ſie es einmal vor dem hoͤchſten Richter verantworten
koͤnten. Sie hatten darinne die hoͤchſte und unumſchraͤnkte Gewalt, daher auch auswaͤrtige Koͤnige
ſich bey den Kaiſern darum bewarben. Weil ſie es aber zur Erweiterung der weltlichen Macht miß-
brauchten, trugen die Kaiſer Bedenken, es ihnen zu uͤberlaſſen. Jn Liefland hieſſen Aduocati die
Schirmherren oder Kaſtenvoigte, welche in der Kirche die weltlichen Affairen abmachten, und jedem zu
ſeinem Rechte halfen. Aus den Tradit. Fuldenſ. lib. 1. 2. 3. iſt zu erſehen, daß einem jeden Stifte
bey ſeiner Errichtung ein dergleichen Advocate zugeſtanden worden.
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