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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
dern mit seinem Gehülfen das ganze Land durchgezogen, sein Amt fleißig
abgewartet, und Haus und alles durch eine von den einfallenden Esthen
verursachte Feuersbrunst eingebüsset, wer anders würde wol sichs der Mü-
he zu verlohnen geglaubet haben, dis mit so vielen Worten zu melden, als
eben dieser Heinrich? denn es ist kaum möglich, daß in Beschreibung sol-
cher Dinge, daran der Verfasser einigen Antheil hat, nicht gleich ohnge-
fähr zu sehen seyn solte, was er für seine Person gethan und auch gelitten
habe.

Beschrei-
bung des
Manuscripts
auf Papier,
und der Be-
wegungs-
grund, selbi-
ges in Druck
zu geben.

Jch habe ein Manuscript bekommen, das weder das beste noch das
schlechteste ist. Es ist auf Papier in Folio, und wenn mich das Aussehen
nicht trüget, vor 250 Jahren geschrieben, von einem Menschen, der al-
lem Ansehen nach mehr auf die Züge der Buchstaben, als auf die Erzäh-
lung der Sachen gesehen, und das daher nicht frey von Fehlern ist. Die
denen Blättern wiederfahrne Beschädigung zeiget, daß es als eine Lieflän-
dische
Beute aus der Hand eines plündernden Soldaten gerettet sey, der
sich auf den Werth seines Schatzes nicht recht verstanden. Denn der Heft,
wo die vier Bogen ausgerissen sind, so die Geschichte des 1220sten Jahres
in sich halten, zeiget die Spuren der auf ihn getretenen Füsse und des Pul-
vers ganz offenbar. Als ichs unter mehreren andern von geringerm Wer-
the, die man vorigen Sommer öffentlich zum Verkauf anbot, fand, und
mit begierigen Augen durchblätterte; so wurde ich gleich gewahr, daß der
Anfang von der Kirche und Republik in Liefland nicht allein volständiger,
sondern auch ganz anders hier erzählet werde, als gewöhnlich geschiehet,
und erkante es vor würdig, daß mans öffentlich lese, und es in die Hände
aller derer käme, welche wissen, daß der Hauptnutzen der Historie in Er-
kentniß des Anfangs der heutigen Dinge, und in Herleitung der Ursachen
der gegenwärtigen aus den vergangenen bestehe: die man durch keine Kraft
der Vernunft, noch durch die Bemühung eines noch so sehr angestrengten
Gemüths erreichen kan. Dis eben machts, daß denen, so grosser Herren
Sachen unter den Händen haben, und sie wissen wollen, die Lesung
schlechter Lateinischer Scribenten nützlicher ist, wenn sie uns unsern An-
fang zeigen, als das Lesen der Römischen und Griechischen: ohnerachtet sie
durch ihre Zierlichkeit der Rede, durch die Vortreflichkeit der Urtheile,
und durch Mannigfaltigkeit und Wichtigkeit der Erzählungen den Leser un-
gemein vergnügen und erbauen; so tragen sie doch nichts bey zur Kentniß
der Reiche und Staaten, die nach Untergang der Römischen Monarchie
hie und da empor gekommen und noch in ihrer Blüte stehen.

Was man
bey dieser
Ausgabe ge-
leistet und
nicht gelei-
stet.

Damit aber dieses Buch nicht roh und unausgearbeitet ans Licht tre-
ten möchte, weil es bloß mit den Jahren des Bischof Alberts bezeichnet
war; so habe ich die Begebenheiten jedes Jahrs in besondere am Rande
mit Numern bedeutete Abschnitte eingetheilet, und den Jnhalt derselben
in gewissen kurzen Sätzen jedem Jahre vorgesetzet. Fürs andere, da ich

vieles

Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
dern mit ſeinem Gehuͤlfen das ganze Land durchgezogen, ſein Amt fleißig
abgewartet, und Haus und alles durch eine von den einfallenden Eſthen
verurſachte Feuersbrunſt eingebuͤſſet, wer anders wuͤrde wol ſichs der Muͤ-
he zu verlohnen geglaubet haben, dis mit ſo vielen Worten zu melden, als
eben dieſer Heinrich? denn es iſt kaum moͤglich, daß in Beſchreibung ſol-
cher Dinge, daran der Verfaſſer einigen Antheil hat, nicht gleich ohnge-
faͤhr zu ſehen ſeyn ſolte, was er fuͤr ſeine Perſon gethan und auch gelitten
habe.

Beſchrei-
bung des
Manuſcripts
auf Papier,
und der Be-
wegungs-
grund, ſelbi-
ges in Druck
zu geben.

Jch habe ein Manuſcript bekommen, das weder das beſte noch das
ſchlechteſte iſt. Es iſt auf Papier in Folio, und wenn mich das Ausſehen
nicht truͤget, vor 250 Jahren geſchrieben, von einem Menſchen, der al-
lem Anſehen nach mehr auf die Zuͤge der Buchſtaben, als auf die Erzaͤh-
lung der Sachen geſehen, und das daher nicht frey von Fehlern iſt. Die
denen Blaͤttern wiederfahrne Beſchaͤdigung zeiget, daß es als eine Lieflaͤn-
diſche
Beute aus der Hand eines pluͤndernden Soldaten gerettet ſey, der
ſich auf den Werth ſeines Schatzes nicht recht verſtanden. Denn der Heft,
wo die vier Bogen ausgeriſſen ſind, ſo die Geſchichte des 1220ſten Jahres
in ſich halten, zeiget die Spuren der auf ihn getretenen Fuͤſſe und des Pul-
vers ganz offenbar. Als ichs unter mehreren andern von geringerm Wer-
the, die man vorigen Sommer oͤffentlich zum Verkauf anbot, fand, und
mit begierigen Augen durchblaͤtterte; ſo wurde ich gleich gewahr, daß der
Anfang von der Kirche und Republik in Liefland nicht allein volſtaͤndiger,
ſondern auch ganz anders hier erzaͤhlet werde, als gewoͤhnlich geſchiehet,
und erkante es vor wuͤrdig, daß mans oͤffentlich leſe, und es in die Haͤnde
aller derer kaͤme, welche wiſſen, daß der Hauptnutzen der Hiſtorie in Er-
kentniß des Anfangs der heutigen Dinge, und in Herleitung der Urſachen
der gegenwaͤrtigen aus den vergangenen beſtehe: die man durch keine Kraft
der Vernunft, noch durch die Bemuͤhung eines noch ſo ſehr angeſtrengten
Gemuͤths erreichen kan. Dis eben machts, daß denen, ſo groſſer Herren
Sachen unter den Haͤnden haben, und ſie wiſſen wollen, die Leſung
ſchlechter Lateiniſcher Scribenten nuͤtzlicher iſt, wenn ſie uns unſern An-
fang zeigen, als das Leſen der Roͤmiſchen und Griechiſchen: ohnerachtet ſie
durch ihre Zierlichkeit der Rede, durch die Vortreflichkeit der Urtheile,
und durch Mannigfaltigkeit und Wichtigkeit der Erzaͤhlungen den Leſer un-
gemein vergnuͤgen und erbauen; ſo tragen ſie doch nichts bey zur Kentniß
der Reiche und Staaten, die nach Untergang der Roͤmiſchen Monarchie
hie und da empor gekommen und noch in ihrer Bluͤte ſtehen.

Was man
bey dieſer
Ausgabe ge-
leiſtet und
nicht gelei-
ſtet.

Damit aber dieſes Buch nicht roh und unausgearbeitet ans Licht tre-
ten moͤchte, weil es bloß mit den Jahren des Biſchof Alberts bezeichnet
war; ſo habe ich die Begebenheiten jedes Jahrs in beſondere am Rande
mit Numern bedeutete Abſchnitte eingetheilet, und den Jnhalt derſelben
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[0028] Vorrede des Herrn Hofrath Grubers. dern mit ſeinem Gehuͤlfen das ganze Land durchgezogen, ſein Amt fleißig abgewartet, und Haus und alles durch eine von den einfallenden Eſthen verurſachte Feuersbrunſt eingebuͤſſet, wer anders wuͤrde wol ſichs der Muͤ- he zu verlohnen geglaubet haben, dis mit ſo vielen Worten zu melden, als eben dieſer Heinrich? denn es iſt kaum moͤglich, daß in Beſchreibung ſol- cher Dinge, daran der Verfaſſer einigen Antheil hat, nicht gleich ohnge- faͤhr zu ſehen ſeyn ſolte, was er fuͤr ſeine Perſon gethan und auch gelitten habe. Jch habe ein Manuſcript bekommen, das weder das beſte noch das ſchlechteſte iſt. Es iſt auf Papier in Folio, und wenn mich das Ausſehen nicht truͤget, vor 250 Jahren geſchrieben, von einem Menſchen, der al- lem Anſehen nach mehr auf die Zuͤge der Buchſtaben, als auf die Erzaͤh- lung der Sachen geſehen, und das daher nicht frey von Fehlern iſt. Die denen Blaͤttern wiederfahrne Beſchaͤdigung zeiget, daß es als eine Lieflaͤn- diſche Beute aus der Hand eines pluͤndernden Soldaten gerettet ſey, der ſich auf den Werth ſeines Schatzes nicht recht verſtanden. Denn der Heft, wo die vier Bogen ausgeriſſen ſind, ſo die Geſchichte des 1220ſten Jahres in ſich halten, zeiget die Spuren der auf ihn getretenen Fuͤſſe und des Pul- vers ganz offenbar. Als ichs unter mehreren andern von geringerm Wer- the, die man vorigen Sommer oͤffentlich zum Verkauf anbot, fand, und mit begierigen Augen durchblaͤtterte; ſo wurde ich gleich gewahr, daß der Anfang von der Kirche und Republik in Liefland nicht allein volſtaͤndiger, ſondern auch ganz anders hier erzaͤhlet werde, als gewoͤhnlich geſchiehet, und erkante es vor wuͤrdig, daß mans oͤffentlich leſe, und es in die Haͤnde aller derer kaͤme, welche wiſſen, daß der Hauptnutzen der Hiſtorie in Er- kentniß des Anfangs der heutigen Dinge, und in Herleitung der Urſachen der gegenwaͤrtigen aus den vergangenen beſtehe: die man durch keine Kraft der Vernunft, noch durch die Bemuͤhung eines noch ſo ſehr angeſtrengten Gemuͤths erreichen kan. Dis eben machts, daß denen, ſo groſſer Herren Sachen unter den Haͤnden haben, und ſie wiſſen wollen, die Leſung ſchlechter Lateiniſcher Scribenten nuͤtzlicher iſt, wenn ſie uns unſern An- fang zeigen, als das Leſen der Roͤmiſchen und Griechiſchen: ohnerachtet ſie durch ihre Zierlichkeit der Rede, durch die Vortreflichkeit der Urtheile, und durch Mannigfaltigkeit und Wichtigkeit der Erzaͤhlungen den Leſer un- gemein vergnuͤgen und erbauen; ſo tragen ſie doch nichts bey zur Kentniß der Reiche und Staaten, die nach Untergang der Roͤmiſchen Monarchie hie und da empor gekommen und noch in ihrer Bluͤte ſtehen. Damit aber dieſes Buch nicht roh und unausgearbeitet ans Licht tre- ten moͤchte, weil es bloß mit den Jahren des Biſchof Alberts bezeichnet war; ſo habe ich die Begebenheiten jedes Jahrs in beſondere am Rande mit Numern bedeutete Abſchnitte eingetheilet, und den Jnhalt derſelben in gewiſſen kurzen Saͤtzen jedem Jahre vorgeſetzet. Fuͤrs andere, da ich vieles

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/28>, abgerufen am 21.11.2024.