[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.Geschichte des dritten Bischof Alberts, zwey und zwanzigstes Jahr, 1219t) Die, welche sich und andern einbilden, daß der Schweden und Gothen Gott Thor allen Völkern bekant und von ihnen verehret worden, meinen auch hier den Thor anzu- treffen. Denn wenn sie Tharapita hören, so glauben sie, der Gott Thor sey von den Esthen vor der Schlacht zu Hülfe gerufen worden, die immer geschrien: Thorawwita! das ist: Thor hilf! Thor stehe bey! Sie beschuldigen die noch wol gar eines Jr- thums, welche der Meinung seyn, die Esthen hätten ehmals einen GOtt unter diesem Namen verehret, weil es kein eigentlicher Götzenname sey, sondern nur ein Anrufen des GOttes Thor, Allein diese werden von unserm Verfasser widerleget, der nicht nur hier, sondern auch unten beym Jahre 1225, wo er von der Eroberung Oesel spricht, den Oeselern einen Gott zuschreibet, den sie Tharapitha oder Tharapilla genant. Denn so ist das Wort geschrieben, daß mans auf beyderley Art lesen kan, und zweifel- haft bleibet, welche Lesart der andern vorzuziehen. Fräget man, was es vor ein Gott gewesen, so muß man die Landessprache der Nation, die ihn verehret, zu Rathe zie- hen. Weil nun in der Esthnischen Sprache Thara einen rundumher umzäunten Ort, und Pilla einen Affen bedeutet; so ist der Tharapilla vielleicht kein anderer Gott, als der Gartenwächter, dessen Bildniß die Schweden vormals mit einem grossen Priapus aufgestellet, wie Adamus Bremensis de sim Daniae n. 92 meldet. Ja es komt treflich mit dem Flug, davon unser Verfasser schreibet, überein, was eben dieser Adam l. c. n. 75 von den geflügelten Götzen der Esthen spricht: Sie beten die Drachen und Vögel an. Jch lasse dieses aber der weitern Untersuchung anderer anheimge- stellet*). u) Sonst heist sie Sotagana oder Sontagana. w) Hier fehlen bey Herr Grubern 4 Bogen und darinne die Geschichte des 1220 Jahrs, die hier in der Uebersetzung so wol als denen zu Gefallen welche das Gruberische Werk besitzen, im Lateinischen folgen. Die Note in dem Lateinischen Exemplar des Herrn Grubers heist so: Von den Begebenheiten des 1220 Jahrs kan ich nichts hier zur Ergänzung einschieben, weil nirgends gelesen wird, was bis Jahr in Liefland sich zu- getragen; ausgenommen die Stiftung des Bisthums Pilten in Curland, welche die neuern Scribenten in diese Zeiten werfen, und sie dem Dänischen Könige Walde- mar II zuschreiben: Wie weit man sich drauf verlassen könne, weiß ich nicht. Gewis- ser ist die Sorgfalt des Pabsts Honorius des III, für die Vermehrung der Anzahl von Predigern, davon wir dessen Breve in den Anhang der Urkunden zum Beweis anführen. §. 6. Ganz Esthland wird getaufet. Eine kurze Zeit darauf kam eben die- §. 6. Estonia tota baptizatur. Postmodicum vero temporis spatium gischen *) Daß Thor oder Thar bey den Nordischen und andern Völkern den Donnergott bedeutet, ist aus- gemacht. Die Esthen nennen noch die brummende Baßröhre in ihrem Dudelsacke Torro, und den Discant Pil, woraus das zusammengesetzte Wort Torropil, eine Sackpfeife herkomt. Die Oeseler, welche ein solch Jnstrument gehöret, mögen sich wol zum ersten male haben lassen weis machen, als wäre ein Gott darinne, der im Walde gewachsen, weil die dicke Röhre des Basses von Holze war. Da aber Tharabita in meinem Manuscripte stehet, auch Kelch und Hiärne so ge- lesen haben, so müssen wol die andern Einfälle hier schweigen. **) [Man stehet leicht aus dem Zusammenhange, daß dis nicht richtig seyn kan, indem es auf die Dänen
gehet, die doch Rotalien selbst besetzet und diesen Priester daraus fortgeschaft haben; daher für mi- serunt etiam fratrem Episcopi Rigensis Salomonem: ohne Zweifel gelesen werden muß,-Episcopi, Rigenses, die Rigischen haben nach Verlust der Schweden Rotalien wieder in Besitz zu nehmen gesucht. Wenn man diesen Worten trauen kan, so ist dis der 6te Bruder des Bischof Alberts, den Herr Gruber ad an. 1198 not. a. nicht gewust hat, oder vielmehr nicht wissen können.] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwey und zwanzigſtes Jahr, 1219t) Die, welche ſich und andern einbilden, daß der Schweden und Gothen Gott Thor allen Voͤlkern bekant und von ihnen verehret worden, meinen auch hier den Thor anzu- treffen. Denn wenn ſie Tharapita hoͤren, ſo glauben ſie, der Gott Thor ſey von den Eſthen vor der Schlacht zu Huͤlfe gerufen worden, die immer geſchrien: Thorawwita! das iſt: Thor hilf! Thor ſtehe bey! Sie beſchuldigen die noch wol gar eines Jr- thums, welche der Meinung ſeyn, die Eſthen haͤtten ehmals einen GOtt unter dieſem Namen verehret, weil es kein eigentlicher Goͤtzenname ſey, ſondern nur ein Anrufen des GOttes Thor, Allein dieſe werden von unſerm Verfaſſer widerleget, der nicht nur hier, ſondern auch unten beym Jahre 1225, wo er von der Eroberung Oeſel ſpricht, den Oeſelern einen Gott zuſchreibet, den ſie Tharapitha oder Tharapilla genant. Denn ſo iſt das Wort geſchrieben, daß mans auf beyderley Art leſen kan, und zweifel- haft bleibet, welche Lesart der andern vorzuziehen. Fraͤget man, was es vor ein Gott geweſen, ſo muß man die Landesſprache der Nation, die ihn verehret, zu Rathe zie- hen. Weil nun in der Eſthniſchen Sprache Thara einen rundumher umzaͤunten Ort, und Pilla einen Affen bedeutet; ſo iſt der Tharapilla vielleicht kein anderer Gott, als der Gartenwaͤchter, deſſen Bildniß die Schweden vormals mit einem groſſen Priapus aufgeſtellet, wie Adamus Bremenſis de ſim Daniæ n. 92 meldet. Ja es komt treflich mit dem Flug, davon unſer Verfaſſer ſchreibet, uͤberein, was eben dieſer Adam l. c. n. 75 von den gefluͤgelten Goͤtzen der Eſthen ſpricht: Sie beten die Drachen und Voͤgel an. Jch laſſe dieſes aber der weitern Unterſuchung anderer anheimge- ſtellet*). u) Sonſt heiſt ſie Sotagana oder Sontagana. w) Hier fehlen bey Herr Grubern 4 Bogen und darinne die Geſchichte des 1220 Jahrs, die hier in der Ueberſetzung ſo wol als denen zu Gefallen welche das Gruberiſche Werk beſitzen, im Lateiniſchen folgen. Die Note in dem Lateiniſchen Exemplar des Herrn Grubers heiſt ſo: Von den Begebenheiten des 1220 Jahrs kan ich nichts hier zur Ergaͤnzung einſchieben, weil nirgends geleſen wird, was bis Jahr in Liefland ſich zu- getragen; ausgenommen die Stiftung des Bisthums Pilten in Curland, welche die neuern Scribenten in dieſe Zeiten werfen, und ſie dem Daͤniſchen Koͤnige Walde- mar II zuſchreiben: Wie weit man ſich drauf verlaſſen koͤnne, weiß ich nicht. Gewiſ- ſer iſt die Sorgfalt des Pabſts Honorius des III, fuͤr die Vermehrung der Anzahl von Predigern, davon wir deſſen Breve in den Anhang der Urkunden zum Beweis anfuͤhren. §. 6. Ganz Eſthland wird getaufet. Eine kurze Zeit darauf kam eben die- §. 6. Eſtonia tota baptizatur. Poſtmodicum vero temporis ſpatium giſchen *) Daß Thor oder Thar bey den Nordiſchen und andern Voͤlkern den Donnergott bedeutet, iſt aus- gemacht. Die Eſthen nennen noch die brummende Baßroͤhre in ihrem Dudelſacke Torro, und den Diſcant Pil, woraus das zuſammengeſetzte Wort Torropil, eine Sackpfeife herkomt. Die Oeſeler, welche ein ſolch Jnſtrument gehoͤret, moͤgen ſich wol zum erſten male haben laſſen weis machen, als waͤre ein Gott darinne, der im Walde gewachſen, weil die dicke Roͤhre des Baſſes von Holze war. Da aber Tharabita in meinem Manuſcripte ſtehet, auch Kelch und Hiaͤrne ſo ge- leſen haben, ſo muͤſſen wol die andern Einfaͤlle hier ſchweigen. **) [Man ſtehet leicht aus dem Zuſammenhange, daß dis nicht richtig ſeyn kan, indem es auf die Daͤnen
gehet, die doch Rotalien ſelbſt beſetzet und dieſen Prieſter daraus fortgeſchaft haben; daher fuͤr mi- ſerunt etiam fratrem Epiſcopi Rigenſis Salomonem: ohne Zweifel geleſen werden muß,-Epiſcopi, Rigenſes, die Rigiſchen haben nach Verluſt der Schweden Rotalien wieder in Beſitz zu nehmen geſucht. Wenn man dieſen Worten trauen kan, ſo iſt dis der 6te Bruder des Biſchof Alberts, den Herr Gruber ad an. 1198 not. a. nicht gewuſt hat, oder vielmehr nicht wiſſen koͤnnen.] <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0198" n="166"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwey und zwanzigſtes Jahr,</hi> </fw><lb/> <note place="left">1219</note> <note place="end" n="t)">Die, welche ſich und andern einbilden, daß der <hi rendition="#fr">Schweden</hi> und <hi rendition="#fr">Gothen</hi> Gott <hi rendition="#fr">Thor</hi><lb/> allen Voͤlkern bekant und von ihnen verehret worden, meinen auch hier den <hi rendition="#fr">Thor</hi> anzu-<lb/> treffen. 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Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwey und zwanzigſtes Jahr,
t⁾ Die, welche ſich und andern einbilden, daß der Schweden und Gothen Gott Thor
allen Voͤlkern bekant und von ihnen verehret worden, meinen auch hier den Thor anzu-
treffen. Denn wenn ſie Tharapita hoͤren, ſo glauben ſie, der Gott Thor ſey von den
Eſthen vor der Schlacht zu Huͤlfe gerufen worden, die immer geſchrien: Thorawwita!
das iſt: Thor hilf! Thor ſtehe bey! Sie beſchuldigen die noch wol gar eines Jr-
thums, welche der Meinung ſeyn, die Eſthen haͤtten ehmals einen GOtt unter dieſem
Namen verehret, weil es kein eigentlicher Goͤtzenname ſey, ſondern nur ein Anrufen des
GOttes Thor, Allein dieſe werden von unſerm Verfaſſer widerleget, der nicht nur
hier, ſondern auch unten beym Jahre 1225, wo er von der Eroberung Oeſel ſpricht,
den Oeſelern einen Gott zuſchreibet, den ſie Tharapitha oder Tharapilla genant.
Denn ſo iſt das Wort geſchrieben, daß mans auf beyderley Art leſen kan, und zweifel-
haft bleibet, welche Lesart der andern vorzuziehen. Fraͤget man, was es vor ein Gott
geweſen, ſo muß man die Landesſprache der Nation, die ihn verehret, zu Rathe zie-
hen. Weil nun in der Eſthniſchen Sprache Thara einen rundumher umzaͤunten Ort,
und Pilla einen Affen bedeutet; ſo iſt der Tharapilla vielleicht kein anderer Gott,
als der Gartenwaͤchter, deſſen Bildniß die Schweden vormals mit einem groſſen
Priapus aufgeſtellet, wie Adamus Bremenſis de ſim Daniæ n. 92 meldet. Ja es komt
treflich mit dem Flug, davon unſer Verfaſſer ſchreibet, uͤberein, was eben dieſer Adam
l. c. n. 75 von den gefluͤgelten Goͤtzen der Eſthen ſpricht: Sie beten die Drachen
und Voͤgel an. Jch laſſe dieſes aber der weitern Unterſuchung anderer anheimge-
ſtellet *).
u⁾ Sonſt heiſt ſie Sotagana oder Sontagana.
w⁾ Hier fehlen bey Herr Grubern 4 Bogen und darinne die Geſchichte des 1220 Jahrs,
die hier in der Ueberſetzung ſo wol als denen zu Gefallen welche das Gruberiſche Werk
beſitzen, im Lateiniſchen folgen. Die Note in dem Lateiniſchen Exemplar des Herrn
Grubers heiſt ſo: Von den Begebenheiten des 1220 Jahrs kan ich nichts hier zur
Ergaͤnzung einſchieben, weil nirgends geleſen wird, was bis Jahr in Liefland ſich zu-
getragen; ausgenommen die Stiftung des Bisthums Pilten in Curland, welche die
neuern Scribenten in dieſe Zeiten werfen, und ſie dem Daͤniſchen Koͤnige Walde-
mar II zuſchreiben: Wie weit man ſich drauf verlaſſen koͤnne, weiß ich nicht. Gewiſ-
ſer iſt die Sorgfalt des Pabſts Honorius des III, fuͤr die Vermehrung der Anzahl von
Predigern, davon wir deſſen Breve in den Anhang der Urkunden zum Beweis anfuͤhren.
§. 6.
Ganz Eſthland wird getaufet.
Eine kurze Zeit darauf kam eben die-
ſer Prieſter Dietrich zuruͤck nach Ger-
wen und Wierland zu ſeinen Getauf-
ten, und wohnte bey ihnen. Die Daͤ-
nen, ſo davon Nachricht hatten, nah-
men ihn mit ſeinem Knechte gefangen,
nahmen ihnen die Pferde und alles
was ſie hatten ab, und ſchickten ſie aus-
gepluͤndert wieder nach Liefland.
Sie **) ſandten auch nach der Schwe-
den Niederlage den Bruder des Ri-
§. 6.
Eſtonia tota baptizatur.
Poſtmodicum vero temporis ſpatium
rediit iterum idem Theodoricus ſacer-
dos in Gerwam et Wironiam, ad bapti-
zatos ſuos, et habitauit ibidem cum
eis. Et audientes Dani comprehen-
derunt eum cum ſeruo ſuo, et auferen-
tes eis equos, et omnia quæ habebant,
deſpoliatos remiſerunt in Liuoniam.
Miſerunt etiam fratrem Epiſcopi Ri-
genſis, Salomonem, ſacerdotem, in Ro-
thaliam, poſt interitum Suecorum, qui
giſchen
*) Daß Thor oder Thar bey den Nordiſchen und andern Voͤlkern den Donnergott bedeutet, iſt aus-
gemacht. Die Eſthen nennen noch die brummende Baßroͤhre in ihrem Dudelſacke Torro, und
den Diſcant Pil, woraus das zuſammengeſetzte Wort Torropil, eine Sackpfeife herkomt. Die
Oeſeler, welche ein ſolch Jnſtrument gehoͤret, moͤgen ſich wol zum erſten male haben laſſen weis
machen, als waͤre ein Gott darinne, der im Walde gewachſen, weil die dicke Roͤhre des Baſſes von
Holze war. Da aber Tharabita in meinem Manuſcripte ſtehet, auch Kelch und Hiaͤrne ſo ge-
leſen haben, ſo muͤſſen wol die andern Einfaͤlle hier ſchweigen.
**) [Man ſtehet leicht aus dem Zuſammenhange, daß dis nicht richtig ſeyn kan, indem es auf die Daͤnen
gehet, die doch Rotalien ſelbſt beſetzet und dieſen Prieſter daraus fortgeſchaft haben; daher fuͤr mi-
ſerunt etiam fratrem Epiſcopi Rigenſis Salomonem: ohne Zweifel geleſen werden muß,-Epiſcopi,
Rigenſes, die Rigiſchen haben nach Verluſt der Schweden Rotalien wieder in Beſitz zu nehmen
geſucht. Wenn man dieſen Worten trauen kan, ſo iſt dis der 6te Bruder des Biſchof Alberts,
den Herr Gruber ad an. 1198 not. a. nicht gewuſt hat, oder vielmehr nicht wiſſen koͤnnen.]
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