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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1217 bis 1218.
Rußische Armee belagerte unterdessen das Schloß. Daher gingen sie des Nachts1217
mitten durch die Feinde und kehrten wieder in ihr Schloß. Des Morgens drauf,
da der König von Nogarden seine besten Leute beschädigt und andere umgebracht
sahe, auch die Unmöglichkeit, das Schloß Wenden zu erobern, überlegte, da es
das kleinste Schloß war, das Liefland damals hatte: sprach er mit den Ordens-
brüdern ganz friedfertig. Diese wolten von keinem solchen Frieden wissen, und
trieben sie mit Geschütz von sich weg. Daher die Russen vor dem Anfal der nach-
folgenden Deutschen sich furchten, von dem Schloß sich wegmachten und den
ganzen Tag marschirten, bis sie nach Tricatien gelangten, und also eiligst sich
aus dem Lande machten.

§. 6.

Wie sie in Ungannien angekommen, vernahmen sie, daß in Rußland
eine Litthauische Armee sey, daher sie nach Plescekowe kehrten, und schon ei-
nen Theil der Stadt selbst von den Litthauern geplündert funden.

§. 7.

Damals brachen auch einige Letten auf und machten sich mit weniger Mann-
schaft in Rußland, plünderten die Dörfer, schlugen die Menschen todt, führten
einige gefangen, holten Beute, und thaten, um die Jhrigen zu rächen, allen
Schaden, den sie konten. Und da diese nach Hause zogen, gingen wieder andere
hin und unterliessen ebenfals nichts, wodurch sie Schaden zufügen konten.

§. 8.

Es hatten auch die Oeseler einen Rath gepflogen, daß sie mit den Rus-
sen
und Esthen nach Liefland ziehen und die Kirche zerstören wolten. Aber
wegen der Schlacht der Deutschen mit den Russen wurde ihr Anschlag zunich-
te, daß weder die von Saccala noch von Oesel erschienen. Nur die von Har-
rien
nebst einigen andern folgten den Russen, stiessen zu ihnen bey Wenden
und kehrten auch mit ihnen zugleich wieder um. Die von Oesel aber fuhren zu
Schiffe auf die Düne, machten auf den Jnseln etliche zu Gefangenen, raubten
viel Vieh und brachten einen Einsiedler um, der aus Dünemünde ausgezogen,
und auf der benachbarten Jnsel das Einsiedlerleben erwählet hatte, auch daselbst
auf den Kampf seines Märtyrerthums wartete. Wie er diesen volbracht, ist er ohne
Zweifel glücklich zur Gemein- und Geselschaft der Heiligen gelanget. Es schickten
zwar die Russen von Plescekowe Gesandten nach Liefland mit dem Anbrin-
gen, sie wolten mit den Deutschen Frieden machen. Aber sie hatten allezeit
höse Anschläge nebst den Esthen vor, und lauter Betrug im Sinn.

§. 9.

Dieses sahen die Rigischen ganz wohl und schickten an die Liven und Let-
ten,
sie solten ein Heer zusammen ziehen und gegen die Esthen zu Felde gehen.
Sie kamen auch um den ersten Fastensontag nach Saletsa, und es war daselbst
der Ordensmeister Volquin samt Heinrich Burewinen und den Pilgern, Li-
ven
und Letten, wo sie übers Eis gingen, bis sie nach Sontagana kamen.
Da nahmen sie von dem Schlosse Wegweiser, und marschirten die ganze Nacht nach
der Provinz Revel. Sie hatten aber einen kalten Nordwind im Gesichte. Denn
es war eine so schneidende Kälte, daß vielen die äussersten Theile der Glieder
vor Frost zu schande gingen, einigen die Nase, andern die Hände und noch an-
dern die Füsse erfroren, und daß uns allen bey unserm Rückzuge nach Hause eine
neue Haut im Gesichte wuchs, nachdem wir die alte wie einen Balg abgeworfen
hatten. Einige musten auch nachher sterben. Sie theilten aber ihre Armee in
drey Haufen; und Veseke mit seinen Liven nahm das eine Corps und den Weg

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von 1217 bis 1218.
Rußiſche Armee belagerte unterdeſſen das Schloß. Daher gingen ſie des Nachts1217
mitten durch die Feinde und kehrten wieder in ihr Schloß. Des Morgens drauf,
da der Koͤnig von Nogarden ſeine beſten Leute beſchaͤdigt und andere umgebracht
ſahe, auch die Unmoͤglichkeit, das Schloß Wenden zu erobern, uͤberlegte, da es
das kleinſte Schloß war, das Liefland damals hatte: ſprach er mit den Ordens-
bruͤdern ganz friedfertig. Dieſe wolten von keinem ſolchen Frieden wiſſen, und
trieben ſie mit Geſchuͤtz von ſich weg. Daher die Ruſſen vor dem Anfal der nach-
folgenden Deutſchen ſich furchten, von dem Schloß ſich wegmachten und den
ganzen Tag marſchirten, bis ſie nach Tricatien gelangten, und alſo eiligſt ſich
aus dem Lande machten.

§. 6.

Wie ſie in Ungannien angekommen, vernahmen ſie, daß in Rußland
eine Litthauiſche Armee ſey, daher ſie nach Pleſcekowe kehrten, und ſchon ei-
nen Theil der Stadt ſelbſt von den Litthauern gepluͤndert funden.

§. 7.

Damals brachen auch einige Letten auf und machten ſich mit weniger Mann-
ſchaft in Rußland, pluͤnderten die Doͤrfer, ſchlugen die Menſchen todt, fuͤhrten
einige gefangen, holten Beute, und thaten, um die Jhrigen zu raͤchen, allen
Schaden, den ſie konten. Und da dieſe nach Hauſe zogen, gingen wieder andere
hin und unterlieſſen ebenfals nichts, wodurch ſie Schaden zufuͤgen konten.

§. 8.

Es hatten auch die Oeſeler einen Rath gepflogen, daß ſie mit den Ruſ-
ſen
und Eſthen nach Liefland ziehen und die Kirche zerſtoͤren wolten. Aber
wegen der Schlacht der Deutſchen mit den Ruſſen wurde ihr Anſchlag zunich-
te, daß weder die von Saccala noch von Oeſel erſchienen. Nur die von Har-
rien
nebſt einigen andern folgten den Ruſſen, ſtieſſen zu ihnen bey Wenden
und kehrten auch mit ihnen zugleich wieder um. Die von Oeſel aber fuhren zu
Schiffe auf die Duͤne, machten auf den Jnſeln etliche zu Gefangenen, raubten
viel Vieh und brachten einen Einſiedler um, der aus Duͤnemuͤnde ausgezogen,
und auf der benachbarten Jnſel das Einſiedlerleben erwaͤhlet hatte, auch daſelbſt
auf den Kampf ſeines Maͤrtyrerthums wartete. Wie er dieſen volbracht, iſt er ohne
Zweifel gluͤcklich zur Gemein- und Geſelſchaft der Heiligen gelanget. Es ſchickten
zwar die Ruſſen von Pleſcekowe Geſandten nach Liefland mit dem Anbrin-
gen, ſie wolten mit den Deutſchen Frieden machen. Aber ſie hatten allezeit
hoͤſe Anſchlaͤge nebſt den Eſthen vor, und lauter Betrug im Sinn.

§. 9.

Dieſes ſahen die Rigiſchen ganz wohl und ſchickten an die Liven und Let-
ten,
ſie ſolten ein Heer zuſammen ziehen und gegen die Eſthen zu Felde gehen.
Sie kamen auch um den erſten Faſtenſontag nach Saletſa, und es war daſelbſt
der Ordensmeiſter Volquin ſamt Heinrich Burewinen und den Pilgern, Li-
ven
und Letten, wo ſie uͤbers Eis gingen, bis ſie nach Sontagana kamen.
Da nahmen ſie von dem Schloſſe Wegweiſer, und marſchirten die ganze Nacht nach
der Provinz Revel. Sie hatten aber einen kalten Nordwind im Geſichte. Denn
es war eine ſo ſchneidende Kaͤlte, daß vielen die aͤuſſerſten Theile der Glieder
vor Froſt zu ſchande gingen, einigen die Naſe, andern die Haͤnde und noch an-
dern die Fuͤſſe erfroren, und daß uns allen bey unſerm Ruͤckzuge nach Hauſe eine
neue Haut im Geſichte wuchs, nachdem wir die alte wie einen Balg abgeworfen
hatten. Einige muſten auch nachher ſterben. Sie theilten aber ihre Armee in
drey Haufen; und Veſeke mit ſeinen Liven nahm das eine Corps und den Weg

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[141/0173] von 1217 bis 1218. Rußiſche Armee belagerte unterdeſſen das Schloß. Daher gingen ſie des Nachts mitten durch die Feinde und kehrten wieder in ihr Schloß. Des Morgens drauf, da der Koͤnig von Nogarden ſeine beſten Leute beſchaͤdigt und andere umgebracht ſahe, auch die Unmoͤglichkeit, das Schloß Wenden zu erobern, uͤberlegte, da es das kleinſte Schloß war, das Liefland damals hatte: ſprach er mit den Ordens- bruͤdern ganz friedfertig. Dieſe wolten von keinem ſolchen Frieden wiſſen, und trieben ſie mit Geſchuͤtz von ſich weg. Daher die Ruſſen vor dem Anfal der nach- folgenden Deutſchen ſich furchten, von dem Schloß ſich wegmachten und den ganzen Tag marſchirten, bis ſie nach Tricatien gelangten, und alſo eiligſt ſich aus dem Lande machten. 1217 §. 6. Wie ſie in Ungannien angekommen, vernahmen ſie, daß in Rußland eine Litthauiſche Armee ſey, daher ſie nach Pleſcekowe kehrten, und ſchon ei- nen Theil der Stadt ſelbſt von den Litthauern gepluͤndert funden. §. 7. Damals brachen auch einige Letten auf und machten ſich mit weniger Mann- ſchaft in Rußland, pluͤnderten die Doͤrfer, ſchlugen die Menſchen todt, fuͤhrten einige gefangen, holten Beute, und thaten, um die Jhrigen zu raͤchen, allen Schaden, den ſie konten. Und da dieſe nach Hauſe zogen, gingen wieder andere hin und unterlieſſen ebenfals nichts, wodurch ſie Schaden zufuͤgen konten. §. 8. Es hatten auch die Oeſeler einen Rath gepflogen, daß ſie mit den Ruſ- ſen und Eſthen nach Liefland ziehen und die Kirche zerſtoͤren wolten. Aber wegen der Schlacht der Deutſchen mit den Ruſſen wurde ihr Anſchlag zunich- te, daß weder die von Saccala noch von Oeſel erſchienen. Nur die von Har- rien nebſt einigen andern folgten den Ruſſen, ſtieſſen zu ihnen bey Wenden und kehrten auch mit ihnen zugleich wieder um. Die von Oeſel aber fuhren zu Schiffe auf die Duͤne, machten auf den Jnſeln etliche zu Gefangenen, raubten viel Vieh und brachten einen Einſiedler um, der aus Duͤnemuͤnde ausgezogen, und auf der benachbarten Jnſel das Einſiedlerleben erwaͤhlet hatte, auch daſelbſt auf den Kampf ſeines Maͤrtyrerthums wartete. Wie er dieſen volbracht, iſt er ohne Zweifel gluͤcklich zur Gemein- und Geſelſchaft der Heiligen gelanget. Es ſchickten zwar die Ruſſen von Pleſcekowe Geſandten nach Liefland mit dem Anbrin- gen, ſie wolten mit den Deutſchen Frieden machen. Aber ſie hatten allezeit hoͤſe Anſchlaͤge nebſt den Eſthen vor, und lauter Betrug im Sinn. §. 9. Dieſes ſahen die Rigiſchen ganz wohl und ſchickten an die Liven und Let- ten, ſie ſolten ein Heer zuſammen ziehen und gegen die Eſthen zu Felde gehen. Sie kamen auch um den erſten Faſtenſontag nach Saletſa, und es war daſelbſt der Ordensmeiſter Volquin ſamt Heinrich Burewinen und den Pilgern, Li- ven und Letten, wo ſie uͤbers Eis gingen, bis ſie nach Sontagana kamen. Da nahmen ſie von dem Schloſſe Wegweiſer, und marſchirten die ganze Nacht nach der Provinz Revel. Sie hatten aber einen kalten Nordwind im Geſichte. Denn es war eine ſo ſchneidende Kaͤlte, daß vielen die aͤuſſerſten Theile der Glieder vor Froſt zu ſchande gingen, einigen die Naſe, andern die Haͤnde und noch an- dern die Fuͤſſe erfroren, und daß uns allen bey unſerm Ruͤckzuge nach Hauſe eine neue Haut im Geſichte wuchs, nachdem wir die alte wie einen Balg abgeworfen hatten. Einige muſten auch nachher ſterben. Sie theilten aber ihre Armee in drey Haufen; und Veſeke mit ſeinen Liven nahm das eine Corps und den Weg zur N n

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/173>, abgerufen am 21.11.2024.