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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Geschichte des dritten Bischof Alberts, neunzehntes Jahr,
§. 6.
1216

Nachdem die Saccalaner sich das andremal zum Christenthum bekeh-
ret, kamen auch die von Gerwen zum andernmale und ergaben sich an die Kirche
von Liefland in Gegenwart des Grafen Alberts und aller Rigischen Aeltesten,
lieferten dabey ihre Kinder zu Geisseln, damit sie auch die heilige Taufe empfingen,
und der Liefländischen Kirche einen ewigen Schoß erlegten, oder ein gewisses
stat des Zehnden verordnetes Maß Getreide entrichteten. Also kehrten sie wieder
in ihr Land und freueten sich über die Ruhe des Friedens.

§. 7.

Zu derselben Zeit stunden die Oeseler auf und rückten mit einer Armee nach
Metsepole. Sie hatten etwan tausend der besten Leute bey sich und plünderten
die ganze Provinz in Metsepole. Nachdem brachen sie in ein ander Kirchspiel
Ledegore ein, verheerten das Land rund umher, machten etliche Mannsbilder
nieder, Weiber und Kinder aber nahmen sie mit sich weg. Wie sie sich dem
Pfarrhause näherten, sahe sie der Priester Gottfried eben kommen. Er stieg al-
so unverzüglich auf sein Pferd, flohe vor ihnen, und ritte im ganzen Kirchspiel
herum, rief alle Kerl zusammen mit den Heiden zu fechten, und schickte auch die
ganze Nacht durch, an die benachbarten Kirchspiele, daß sie den folgenden Tag
zur Schlacht kämen. Es erschienen also Vesike mit seinen Liven, wie auch ei-
nige Bedienten des Bischofs aus dem Schlosse Fredeland, und versamleten sich,
den Oeselern nachzusetzen. Es waren aber nur sieben Deutsche von den Be-
dienten des Bischofs und der achte war der Priester Gottfried, der seine Rü-
stung umnahm, seinen Panzer anzog, und als ein Goliath (gigas) h) seine
Schafe aus dem Rachen der Wölfe herauszureissen suchte. Sie fielen jenen auch
in Rücken, und hieben sie brav in die Pfanne. Allein jene wandten sich um, und
verwundeten nach langer Gegenwehr ebenfals viele von diesen. Nach langem Ge-
fechte ergriffen die Oeseler endlich die Flucht, und blieben ihrer ungefähr Hundert,
die übrigen entflohen. Doch die Knechte des Bischofs samt den Liven folgten
ihnen nach, bis über Saletsa auf ebener Strasse am Strande, erbeuteten auch
fast vier hundert der besten Pferde: die sie nachher mit gesamtem Raube theileten,
und GOtt lobeten, der durch wenige Sieg über ihre Feinde verschaffet hatte.

h) Herr Eckard rer. Wirzeburg. tom. 1. p. 728, da er den von den Slaven erschlagenen
Bischof Arno zu canonisiren sich bemühet, leugnet ganz steif, daß die Bischöfe ehmals
gefochten und in Gewehr gestanden: denn ob sie gleich in Krieg gehen müssen, so wä-
ren ihre Waffen doch immer geistliche gewesen; Aufmunterungen nemlich und Gebet zu
GOtt, weil sie sich nicht unterstanden, etwas vorzunehmen, so gegen die Kirchenge-
setze liefen. Hierbey fält mir vor andern jener Bischof von Maynz, Gerwilio, ein, der
dem heiligen Bonifacius Platz machte. Ferner ein Christian, desselbigen Stuhls
Erzbischof, den der Kaiser Friderich der I als seinen Generalfeldmarschal in Jtalien
"hielt, "der zu Pferde saß, einen Panzer und oben darauf ein Hyacinthenfarbenes Kleid
"an hatte, auf dem Kopfe einen Helm, in den Händen eine dreyknotigte Keule führte,
"und in einer Schlacht neun Kerl mit eigner Hand erlegte." Albert von Staden,
beym Jahr 1172; wo auch das nachfolgende gelesen zu werden verdienet. Zulezt, da die
Rednerkunst über die Vernunftslehre in dem Bisthum Hildesheim siegte, so
wurde gewiß nicht mit Gebet sondern mit Waffen gefochten, und zwar da die Bischöfe
von beyden Seiten das Commando führten, nemlich auf dieser der Halberstädtsche,
auf jener der von Hildesheim. Seriptor. Brunsvic. tom. 2. p. 800. Ja was noch
mehr, die Mönche selbst und die Ordensleute enthielten sich nicht einmal des Blutver-
giessens. Ermold Nigeleus diente als ein Freywilliger in Diensten Kaiser Lude-
wigs
des Frommen, ob er gleich Benedictinerordens gewesen. Joh. Mabillon,
nimt deswegen, weil er dis nicht verdauen konte, lieber zwey Ermolde an, als einen,
der aus seinem Orden Soldate gewesen wäre. Der Gelehrte Gentilotti erweiset nicht
allein, daß dieser Ermold ein Poete, ein Benedictinermönch und ein Soldat gewe-
sen; sondern hält es als was bekantes, daß zu der Zeit die Mönche so gut als die
Aebte zu Felde gegangen seyn.
Script. Menke tom. 1. p. 877. Hier haben wir
Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neunzehntes Jahr,
§. 6.
1216

Nachdem die Saccalaner ſich das andremal zum Chriſtenthum bekeh-
ret, kamen auch die von Gerwen zum andernmale und ergaben ſich an die Kirche
von Liefland in Gegenwart des Grafen Alberts und aller Rigiſchen Aelteſten,
lieferten dabey ihre Kinder zu Geiſſeln, damit ſie auch die heilige Taufe empfingen,
und der Lieflaͤndiſchen Kirche einen ewigen Schoß erlegten, oder ein gewiſſes
ſtat des Zehnden verordnetes Maß Getreide entrichteten. Alſo kehrten ſie wieder
in ihr Land und freueten ſich uͤber die Ruhe des Friedens.

§. 7.

Zu derſelben Zeit ſtunden die Oeſeler auf und ruͤckten mit einer Armee nach
Metſepole. Sie hatten etwan tauſend der beſten Leute bey ſich und pluͤnderten
die ganze Provinz in Metſepole. Nachdem brachen ſie in ein ander Kirchſpiel
Ledegore ein, verheerten das Land rund umher, machten etliche Mannsbilder
nieder, Weiber und Kinder aber nahmen ſie mit ſich weg. Wie ſie ſich dem
Pfarrhauſe naͤherten, ſahe ſie der Prieſter Gottfried eben kommen. Er ſtieg al-
ſo unverzuͤglich auf ſein Pferd, flohe vor ihnen, und ritte im ganzen Kirchſpiel
herum, rief alle Kerl zuſammen mit den Heiden zu fechten, und ſchickte auch die
ganze Nacht durch, an die benachbarten Kirchſpiele, daß ſie den folgenden Tag
zur Schlacht kaͤmen. Es erſchienen alſo Veſike mit ſeinen Liven, wie auch ei-
nige Bedienten des Biſchofs aus dem Schloſſe Fredeland, und verſamleten ſich,
den Oeſelern nachzuſetzen. Es waren aber nur ſieben Deutſche von den Be-
dienten des Biſchofs und der achte war der Prieſter Gottfried, der ſeine Ruͤ-
ſtung umnahm, ſeinen Panzer anzog, und als ein Goliath (gigas) h) ſeine
Schafe aus dem Rachen der Woͤlfe herauszureiſſen ſuchte. Sie fielen jenen auch
in Ruͤcken, und hieben ſie brav in die Pfanne. Allein jene wandten ſich um, und
verwundeten nach langer Gegenwehr ebenfals viele von dieſen. Nach langem Ge-
fechte ergriffen die Oeſeler endlich die Flucht, und blieben ihrer ungefaͤhr Hundert,
die uͤbrigen entflohen. Doch die Knechte des Biſchofs ſamt den Liven folgten
ihnen nach, bis uͤber Saletſa auf ebener Straſſe am Strande, erbeuteten auch
faſt vier hundert der beſten Pferde: die ſie nachher mit geſamtem Raube theileten,
und GOtt lobeten, der durch wenige Sieg uͤber ihre Feinde verſchaffet hatte.

h) Herr Eckard rer. Wirzeburg. tom. 1. p. 728, da er den von den Slaven erſchlagenen
Biſchof Arno zu canoniſiren ſich bemuͤhet, leugnet ganz ſteif, daß die Biſchoͤfe ehmals
gefochten und in Gewehr geſtanden: denn ob ſie gleich in Krieg gehen muͤſſen, ſo waͤ-
ren ihre Waffen doch immer geiſtliche geweſen; Aufmunterungen nemlich und Gebet zu
GOtt, weil ſie ſich nicht unterſtanden, etwas vorzunehmen, ſo gegen die Kirchenge-
ſetze liefen. Hierbey faͤlt mir vor andern jener Biſchof von Maynz, Gerwilio, ein, der
dem heiligen Bonifacius Platz machte. Ferner ein Chriſtian, deſſelbigen Stuhls
Erzbiſchof, den der Kaiſer Friderich der I als ſeinen Generalfeldmarſchal in Jtalien
„hielt, „der zu Pferde ſaß, einen Panzer und oben darauf ein Hyacinthenfarbenes Kleid
„an hatte, auf dem Kopfe einen Helm, in den Haͤnden eine dreyknotigte Keule fuͤhrte,
„und in einer Schlacht neun Kerl mit eigner Hand erlegte.„ Albert von Staden,
beym Jahr 1172; wo auch das nachfolgende geleſen zu werden verdienet. Zulezt, da die
Rednerkunſt uͤber die Vernunftslehre in dem Bisthum Hildesheim ſiegte, ſo
wurde gewiß nicht mit Gebet ſondern mit Waffen gefochten, und zwar da die Biſchoͤfe
von beyden Seiten das Commando fuͤhrten, nemlich auf dieſer der Halberſtaͤdtſche,
auf jener der von Hildesheim. Seriptor. Brunſvic. tom. 2. p. 800. Ja was noch
mehr, die Moͤnche ſelbſt und die Ordensleute enthielten ſich nicht einmal des Blutver-
gieſſens. Ermold Nigeleus diente als ein Freywilliger in Dienſten Kaiſer Lude-
wigs
des Frommen, ob er gleich Benedictinerordens geweſen. Joh. Mabillon,
nimt deswegen, weil er dis nicht verdauen konte, lieber zwey Ermolde an, als einen,
der aus ſeinem Orden Soldate geweſen waͤre. Der Gelehrte Gentilotti erweiſet nicht
allein, daß dieſer Ermold ein Poete, ein Benedictinermoͤnch und ein Soldat gewe-
ſen; ſondern haͤlt es als was bekantes, daß zu der Zeit die Moͤnche ſo gut als die
Aebte zu Felde gegangen ſeyn.
Script. Menke tom. 1. p. 877. Hier haben wir
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[136/0168] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neunzehntes Jahr, §. 6. Nachdem die Saccalaner ſich das andremal zum Chriſtenthum bekeh- ret, kamen auch die von Gerwen zum andernmale und ergaben ſich an die Kirche von Liefland in Gegenwart des Grafen Alberts und aller Rigiſchen Aelteſten, lieferten dabey ihre Kinder zu Geiſſeln, damit ſie auch die heilige Taufe empfingen, und der Lieflaͤndiſchen Kirche einen ewigen Schoß erlegten, oder ein gewiſſes ſtat des Zehnden verordnetes Maß Getreide entrichteten. Alſo kehrten ſie wieder in ihr Land und freueten ſich uͤber die Ruhe des Friedens. §. 7. Zu derſelben Zeit ſtunden die Oeſeler auf und ruͤckten mit einer Armee nach Metſepole. Sie hatten etwan tauſend der beſten Leute bey ſich und pluͤnderten die ganze Provinz in Metſepole. Nachdem brachen ſie in ein ander Kirchſpiel Ledegore ein, verheerten das Land rund umher, machten etliche Mannsbilder nieder, Weiber und Kinder aber nahmen ſie mit ſich weg. Wie ſie ſich dem Pfarrhauſe naͤherten, ſahe ſie der Prieſter Gottfried eben kommen. Er ſtieg al- ſo unverzuͤglich auf ſein Pferd, flohe vor ihnen, und ritte im ganzen Kirchſpiel herum, rief alle Kerl zuſammen mit den Heiden zu fechten, und ſchickte auch die ganze Nacht durch, an die benachbarten Kirchſpiele, daß ſie den folgenden Tag zur Schlacht kaͤmen. Es erſchienen alſo Veſike mit ſeinen Liven, wie auch ei- nige Bedienten des Biſchofs aus dem Schloſſe Fredeland, und verſamleten ſich, den Oeſelern nachzuſetzen. Es waren aber nur ſieben Deutſche von den Be- dienten des Biſchofs und der achte war der Prieſter Gottfried, der ſeine Ruͤ- ſtung umnahm, ſeinen Panzer anzog, und als ein Goliath (gigas) h⁾ ſeine Schafe aus dem Rachen der Woͤlfe herauszureiſſen ſuchte. Sie fielen jenen auch in Ruͤcken, und hieben ſie brav in die Pfanne. Allein jene wandten ſich um, und verwundeten nach langer Gegenwehr ebenfals viele von dieſen. Nach langem Ge- fechte ergriffen die Oeſeler endlich die Flucht, und blieben ihrer ungefaͤhr Hundert, die uͤbrigen entflohen. Doch die Knechte des Biſchofs ſamt den Liven folgten ihnen nach, bis uͤber Saletſa auf ebener Straſſe am Strande, erbeuteten auch faſt vier hundert der beſten Pferde: die ſie nachher mit geſamtem Raube theileten, und GOtt lobeten, der durch wenige Sieg uͤber ihre Feinde verſchaffet hatte. h⁾ Herr Eckard rer. Wirzeburg. tom. 1. p. 728, da er den von den Slaven erſchlagenen Biſchof Arno zu canoniſiren ſich bemuͤhet, leugnet ganz ſteif, daß die Biſchoͤfe ehmals gefochten und in Gewehr geſtanden: denn ob ſie gleich in Krieg gehen muͤſſen, ſo waͤ- ren ihre Waffen doch immer geiſtliche geweſen; Aufmunterungen nemlich und Gebet zu GOtt, weil ſie ſich nicht unterſtanden, etwas vorzunehmen, ſo gegen die Kirchenge- ſetze liefen. Hierbey faͤlt mir vor andern jener Biſchof von Maynz, Gerwilio, ein, der dem heiligen Bonifacius Platz machte. Ferner ein Chriſtian, deſſelbigen Stuhls Erzbiſchof, den der Kaiſer Friderich der I als ſeinen Generalfeldmarſchal in Jtalien „hielt, „der zu Pferde ſaß, einen Panzer und oben darauf ein Hyacinthenfarbenes Kleid „an hatte, auf dem Kopfe einen Helm, in den Haͤnden eine dreyknotigte Keule fuͤhrte, „und in einer Schlacht neun Kerl mit eigner Hand erlegte.„ Albert von Staden, beym Jahr 1172; wo auch das nachfolgende geleſen zu werden verdienet. Zulezt, da die Rednerkunſt uͤber die Vernunftslehre in dem Bisthum Hildesheim ſiegte, ſo wurde gewiß nicht mit Gebet ſondern mit Waffen gefochten, und zwar da die Biſchoͤfe von beyden Seiten das Commando fuͤhrten, nemlich auf dieſer der Halberſtaͤdtſche, auf jener der von Hildesheim. Seriptor. Brunſvic. tom. 2. p. 800. Ja was noch mehr, die Moͤnche ſelbſt und die Ordensleute enthielten ſich nicht einmal des Blutver- gieſſens. Ermold Nigeleus diente als ein Freywilliger in Dienſten Kaiſer Lude- wigs des Frommen, ob er gleich Benedictinerordens geweſen. Joh. Mabillon, nimt deswegen, weil er dis nicht verdauen konte, lieber zwey Ermolde an, als einen, der aus ſeinem Orden Soldate geweſen waͤre. Der Gelehrte Gentilotti erweiſet nicht allein, daß dieſer Ermold ein Poete, ein Benedictinermoͤnch und ein Soldat gewe- ſen; ſondern haͤlt es als was bekantes, daß zu der Zeit die Moͤnche ſo gut als die Aebte zu Felde gegangen ſeyn. Script. Menke tom. 1. p. 877. Hier haben wir auch

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/168>, abgerufen am 28.11.2024.