[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.Geschichte des dritten Bischof Alberts, vierzehntes Jahr, 1211steckten die Fahne der heiligen Maria wieder auf; streckten ihren Hals dem Bi-schof hin, und baten demüthig um Gnade und Verschonen; sie wolten den ver- absäumten Glauben an Christum wieder einholen, alle Kirchengebräuche nach- her standhafter beobachten, und die Sitten der Heiden niemals mehr in Sinn und in die Gedanken nehmen. Der Bischof hatte mit ihnen Mitleiden und stelte an die Armee Befehl, ja nicht unterdessen ins Schloß zu gehen, und diese demüthig Flehenden weiter nieder zu machen; damit nicht so viele Seelen der Hölle überlie- fert würden. Die Armee gehorsamete treulich, und hatte vor dem Bischof Ehr- furcht, stande vom Kriege ab, und schonte der Ungläubigen, auf daß sie gläubig würden. Also kehrte der Bischof mit den Seinigen wieder in seine Stadt, und nahm mit sich die Gemeinenältesten der Liven, legte dabey den andern auf, daß sie gleich nachkämen, das Sacrament der Taufe von neuem zu empfangen, und die Ruhe des erstern Friedens auf neuen Fuß zu setzen. Also kamen die Abge- ordneten der Liven dem Bischof zu Riga nach, und suchten Pardon vor der gan- zen Gemeine. Derohalben sprach der Bischof zu ihnen: Wenn ihr dem Dienst der falschen Götzen absaget, und von ganzem Herzen euch zur Anbe- tung des einigen GOttes wenden wollet; auch eine anständige Ge- nugthuung für eure so ausschweifende Verbrechen GOtt und uns werdet gegeben haben: alsdenn wollen wir endlich den von euch un- terbrochnen Frieden erneuren, und euch in die Gemeinschaft der brü- derlichen Liebe aufnehmen. Sie aber versetzten: Lieber Vater, was vor Genugthuung verlangst du von uns? Demnach ging der Bischof mit dem andern Bischof von Ratzeburg und dem Dechanten von Halberstadt, der da- mals zugegen war, und mit seinem Abt und Probste, wie auch mit dem Ordens- meister und andern seinen Verständigen zu Rathe, antwortete ihnen endlich und sprach: Weil ihr die Sacramente des Glaubens verschmähet, und die Ordensbrüder, unsre Herren und lieben Söhne mit Kriege beunruhi- get, ganz Liefland wieder zur Abgötterey habet verleiten wollen, und hauptsächlich, weil ihr aus Verachtung des höchsten GOttes und zu unsrer und aller Christen Schmach die Böcke und andere Thiere, so ihr den Götzen der Heiden geopfert, uns und unsrer Armee ins Ge- sichte geworfen; so fordern wir dafür eine mäßige Summe Geldes, nemlich, hundert Oeseringe *), oder funfzig Mark Silber von der ganzen Provinz. Ueberdem seyd ihr gehalten, den Ordens- brüdern ihre Pferde, Rüstung und anderes Abgenommene wieder zuzustellen. Wie das diese Treulosen hörten, die noch zur Er- stattung keine Ohren hatten: so kehrten sie wieder zu den ihrigen, stun- den bey sich an, überlegten es und hatten nur Trug im Sinn, wie sie nemlich das im Kriege Geraubte behalten und dem Bischof nichts von vorgeschriebner Strafe abtragen dürften. Sie schickten auch andre ab, die besser seyn solten als die ersten. Diese brachten wol bey dem Bischof ihre Schmeichelworte an, sie gingen aber im Herzen mit Schelmstücken schwanger. Jhr erster Priester Alobrand merkte ihre Treulosigkeit, nahm sie derohalben bey Seite und gab ihnen diese Lehre: Jhr Ot- *) Oesering heisset in Chur- und Lettischer Sprache eine silberne Hemdenschnalle oder ein Bröschen
mit Buckeln von gleichem Metal, welches die Bauerweiber vor der Brust zur Zierrath tragen. Daß es ein deutsch Wort sey, weisen die Sylben, Oese und Ring. Oer, ist noch jetzo eine Schwedi- sche Münzsorte. Oese und Ring zeigen die runde Forme an. Vielleicht sind es alte Silberstücken gewesen, mit Henkeln oder Oesen versehen, die eine halbe Mark am Gewichte gehalten. Das Bauervolk weibliches Geschlechts pflegets noch für seinen grösten Staat zu halten, wenn es um den Hals eine Schnure von alten Henkelthalern und andern Schaupfennigen oder angereiheten Geldsorten tragen kan. Und weil die Liven mit den Fremden Handel getrieben, so ist nicht un- wahrscheinlich, daß einige ausser dem Tausch der Waaren auch einen andern Werth an Silber dafür empfangen, weil sie ihr Geld nicht gezählet, indem es kein Gepräge hatte, sondern nur gewogen, bis die Bischöfe Freyheit erhielten, selbst Münzen schlagen zu lassen. Jst ja geprägtes Geld unter ihnen im Gange gewesen, so war es wol kein anders vermuthlich, als ausländisches, weil man kein Erempel hier weiß, daß irgendwo eine alte Münzsorte wo gefunden seyn solte, welche in so späte Zeiten fallen könte. Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vierzehntes Jahr, 1211ſteckten die Fahne der heiligen Maria wieder auf; ſtreckten ihren Hals dem Bi-ſchof hin, und baten demuͤthig um Gnade und Verſchonen; ſie wolten den ver- abſaͤumten Glauben an Chriſtum wieder einholen, alle Kirchengebraͤuche nach- her ſtandhafter beobachten, und die Sitten der Heiden niemals mehr in Sinn und in die Gedanken nehmen. Der Biſchof hatte mit ihnen Mitleiden und ſtelte an die Armee Befehl, ja nicht unterdeſſen ins Schloß zu gehen, und dieſe demuͤthig Flehenden weiter nieder zu machen; damit nicht ſo viele Seelen der Hoͤlle uͤberlie- fert wuͤrden. Die Armee gehorſamete treulich, und hatte vor dem Biſchof Ehr- furcht, ſtande vom Kriege ab, und ſchonte der Unglaͤubigen, auf daß ſie glaͤubig wuͤrden. Alſo kehrte der Biſchof mit den Seinigen wieder in ſeine Stadt, und nahm mit ſich die Gemeinenaͤlteſten der Liven, legte dabey den andern auf, daß ſie gleich nachkaͤmen, das Sacrament der Taufe von neuem zu empfangen, und die Ruhe des erſtern Friedens auf neuen Fuß zu ſetzen. Alſo kamen die Abge- ordneten der Liven dem Biſchof zu Riga nach, und ſuchten Pardon vor der gan- zen Gemeine. Derohalben ſprach der Biſchof zu ihnen: Wenn ihr dem Dienſt der falſchen Goͤtzen abſaget, und von ganzem Herzen euch zur Anbe- tung des einigen GOttes wenden wollet; auch eine anſtaͤndige Ge- nugthuung fuͤr eure ſo ausſchweifende Verbrechen GOtt und uns werdet gegeben haben: alsdenn wollen wir endlich den von euch un- terbrochnen Frieden erneuren, und euch in die Gemeinſchaft der bruͤ- derlichen Liebe aufnehmen. Sie aber verſetzten: Lieber Vater, was vor Genugthuung verlangſt du von uns? Demnach ging der Biſchof mit dem andern Biſchof von Ratzeburg und dem Dechanten von Halberſtadt, der da- mals zugegen war, und mit ſeinem Abt und Probſte, wie auch mit dem Ordens- meiſter und andern ſeinen Verſtaͤndigen zu Rathe, antwortete ihnen endlich und ſprach: Weil ihr die Sacramente des Glaubens verſchmaͤhet, und die Ordensbruͤder, unſre Herren und lieben Soͤhne mit Kriege beunruhi- get, ganz Liefland wieder zur Abgoͤtterey habet verleiten wollen, und hauptſaͤchlich, weil ihr aus Verachtung des hoͤchſten GOttes und zu unſrer und aller Chriſten Schmach die Boͤcke und andere Thiere, ſo ihr den Goͤtzen der Heiden geopfert, uns und unſrer Armee ins Ge- ſichte geworfen; ſo fordern wir dafuͤr eine maͤßige Summe Geldes, nemlich, hundert Oeſeringe *), oder funfzig Mark Silber von der ganzen Provinz. Ueberdem ſeyd ihr gehalten, den Ordens- bruͤdern ihre Pferde, Ruͤſtung und anderes Abgenommene wieder zuzuſtellen. Wie das dieſe Treuloſen hoͤrten, die noch zur Er- ſtattung keine Ohren hatten: ſo kehrten ſie wieder zu den ihrigen, ſtun- den bey ſich an, uͤberlegten es und hatten nur Trug im Sinn, wie ſie nemlich das im Kriege Geraubte behalten und dem Biſchof nichts von vorgeſchriebner Strafe abtragen duͤrften. Sie ſchickten auch andre ab, die beſſer ſeyn ſolten als die erſten. Dieſe brachten wol bey dem Biſchof ihre Schmeichelworte an, ſie gingen aber im Herzen mit Schelmſtuͤcken ſchwanger. Jhr erſter Prieſter Alobrand merkte ihre Treuloſigkeit, nahm ſie derohalben bey Seite und gab ihnen dieſe Lehre: Jhr Ot- *) Oeſering heiſſet in Chur- und Lettiſcher Sprache eine ſilberne Hemdenſchnalle oder ein Broͤschen
mit Buckeln von gleichem Metal, welches die Bauerweiber vor der Bruſt zur Zierrath tragen. Daß es ein deutſch Wort ſey, weiſen die Sylben, Oeſe und Ring. Oer, iſt noch jetzo eine Schwedi- ſche Muͤnzſorte. Oeſe und Ring zeigen die runde Forme an. Vielleicht ſind es alte Silberſtuͤcken geweſen, mit Henkeln oder Oeſen verſehen, die eine halbe Mark am Gewichte gehalten. Das Bauervolk weibliches Geſchlechts pflegets noch fuͤr ſeinen groͤſten Staat zu halten, wenn es um den Hals eine Schnure von alten Henkelthalern und andern Schaupfennigen oder angereiheten Geldſorten tragen kan. Und weil die Liven mit den Fremden Handel getrieben, ſo iſt nicht un- wahrſcheinlich, daß einige auſſer dem Tauſch der Waaren auch einen andern Werth an Silber dafuͤr empfangen, weil ſie ihr Geld nicht gezaͤhlet, indem es kein Gepraͤge hatte, ſondern nur gewogen, bis die Biſchoͤfe Freyheit erhielten, ſelbſt Muͤnzen ſchlagen zu laſſen. Jſt ja gepraͤgtes Geld unter ihnen im Gange geweſen, ſo war es wol kein anders vermuthlich, als auslaͤndiſches, weil man kein Erempel hier weiß, daß irgendwo eine alte Muͤnzſorte wo gefunden ſeyn ſolte, welche in ſo ſpaͤte Zeiten fallen koͤnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0134" n="102"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vierzehntes Jahr,</hi></fw><lb/><note place="left">1211</note>ſteckten die Fahne der heiligen <hi rendition="#fr">Maria</hi> wieder auf; ſtreckten ihren Hals dem Bi-<lb/> ſchof hin, und baten demuͤthig um Gnade und Verſchonen; ſie wolten den ver-<lb/> abſaͤumten Glauben an <hi rendition="#fr">Chriſtum</hi> wieder einholen, alle Kirchengebraͤuche nach-<lb/> her ſtandhafter beobachten, und die Sitten der <hi rendition="#fr">Heiden</hi> niemals mehr in Sinn<lb/> und in die Gedanken nehmen. 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Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vierzehntes Jahr,
ſteckten die Fahne der heiligen Maria wieder auf; ſtreckten ihren Hals dem Bi-
ſchof hin, und baten demuͤthig um Gnade und Verſchonen; ſie wolten den ver-
abſaͤumten Glauben an Chriſtum wieder einholen, alle Kirchengebraͤuche nach-
her ſtandhafter beobachten, und die Sitten der Heiden niemals mehr in Sinn
und in die Gedanken nehmen. Der Biſchof hatte mit ihnen Mitleiden und ſtelte
an die Armee Befehl, ja nicht unterdeſſen ins Schloß zu gehen, und dieſe demuͤthig
Flehenden weiter nieder zu machen; damit nicht ſo viele Seelen der Hoͤlle uͤberlie-
fert wuͤrden. Die Armee gehorſamete treulich, und hatte vor dem Biſchof Ehr-
furcht, ſtande vom Kriege ab, und ſchonte der Unglaͤubigen, auf daß ſie glaͤubig
wuͤrden. Alſo kehrte der Biſchof mit den Seinigen wieder in ſeine Stadt, und
nahm mit ſich die Gemeinenaͤlteſten der Liven, legte dabey den andern auf, daß
ſie gleich nachkaͤmen, das Sacrament der Taufe von neuem zu empfangen, und
die Ruhe des erſtern Friedens auf neuen Fuß zu ſetzen. Alſo kamen die Abge-
ordneten der Liven dem Biſchof zu Riga nach, und ſuchten Pardon vor der gan-
zen Gemeine. Derohalben ſprach der Biſchof zu ihnen: Wenn ihr dem Dienſt
der falſchen Goͤtzen abſaget, und von ganzem Herzen euch zur Anbe-
tung des einigen GOttes wenden wollet; auch eine anſtaͤndige Ge-
nugthuung fuͤr eure ſo ausſchweifende Verbrechen GOtt und uns
werdet gegeben haben: alsdenn wollen wir endlich den von euch un-
terbrochnen Frieden erneuren, und euch in die Gemeinſchaft der bruͤ-
derlichen Liebe aufnehmen. Sie aber verſetzten: Lieber Vater, was vor
Genugthuung verlangſt du von uns? Demnach ging der Biſchof mit dem
andern Biſchof von Ratzeburg und dem Dechanten von Halberſtadt, der da-
mals zugegen war, und mit ſeinem Abt und Probſte, wie auch mit dem Ordens-
meiſter und andern ſeinen Verſtaͤndigen zu Rathe, antwortete ihnen endlich und
ſprach: Weil ihr die Sacramente des Glaubens verſchmaͤhet, und die
Ordensbruͤder, unſre Herren und lieben Soͤhne mit Kriege beunruhi-
get, ganz Liefland wieder zur Abgoͤtterey habet verleiten wollen, und
hauptſaͤchlich, weil ihr aus Verachtung des hoͤchſten GOttes und
zu unſrer und aller Chriſten Schmach die Boͤcke und andere Thiere,
ſo ihr den Goͤtzen der Heiden geopfert, uns und unſrer Armee ins Ge-
ſichte geworfen; ſo fordern wir dafuͤr eine maͤßige Summe Geldes,
nemlich, hundert Oeſeringe *), oder funfzig Mark Silber von der
ganzen Provinz. Ueberdem ſeyd ihr gehalten, den Ordens-
bruͤdern ihre Pferde, Ruͤſtung und anderes Abgenommene
wieder zuzuſtellen. Wie das dieſe Treuloſen hoͤrten, die noch zur Er-
ſtattung keine Ohren hatten: ſo kehrten ſie wieder zu den ihrigen, ſtun-
den bey ſich an, uͤberlegten es und hatten nur Trug im Sinn, wie ſie nemlich das
im Kriege Geraubte behalten und dem Biſchof nichts von vorgeſchriebner Strafe
abtragen duͤrften. Sie ſchickten auch andre ab, die beſſer ſeyn ſolten als die erſten.
Dieſe brachten wol bey dem Biſchof ihre Schmeichelworte an, ſie gingen aber im
Herzen mit Schelmſtuͤcken ſchwanger. Jhr erſter Prieſter Alobrand merkte ihre
Treuloſigkeit, nahm ſie derohalben bey Seite und gab ihnen dieſe Lehre: Jhr
Ot-
1211
*) Oeſering heiſſet in Chur- und Lettiſcher Sprache eine ſilberne Hemdenſchnalle oder ein Broͤschen
mit Buckeln von gleichem Metal, welches die Bauerweiber vor der Bruſt zur Zierrath tragen. Daß
es ein deutſch Wort ſey, weiſen die Sylben, Oeſe und Ring. Oer, iſt noch jetzo eine Schwedi-
ſche Muͤnzſorte. Oeſe und Ring zeigen die runde Forme an. Vielleicht ſind es alte Silberſtuͤcken
geweſen, mit Henkeln oder Oeſen verſehen, die eine halbe Mark am Gewichte gehalten. Das
Bauervolk weibliches Geſchlechts pflegets noch fuͤr ſeinen groͤſten Staat zu halten, wenn es um
den Hals eine Schnure von alten Henkelthalern und andern Schaupfennigen oder angereiheten
Geldſorten tragen kan. Und weil die Liven mit den Fremden Handel getrieben, ſo iſt nicht un-
wahrſcheinlich, daß einige auſſer dem Tauſch der Waaren auch einen andern Werth an Silber dafuͤr
empfangen, weil ſie ihr Geld nicht gezaͤhlet, indem es kein Gepraͤge hatte, ſondern nur gewogen,
bis die Biſchoͤfe Freyheit erhielten, ſelbſt Muͤnzen ſchlagen zu laſſen. Jſt ja gepraͤgtes Geld unter
ihnen im Gange geweſen, ſo war es wol kein anders vermuthlich, als auslaͤndiſches, weil man
kein Erempel hier weiß, daß irgendwo eine alte Muͤnzſorte wo gefunden ſeyn ſolte, welche in ſo
ſpaͤte Zeiten fallen koͤnte.
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