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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1210 bis 1211.
zurück nach Deutschland; Philipp Bischof von Ratzeburg blieb in Riga1210
nach, der an dem Hofe des Kaisers Otto einer der vornehmsten Minister gewesen;
wie aber gegen ihn die Achtserklärung ergangen war, hielt er sich, um nicht um
diesen Herrn herum zu seyn, in Liefland bis ins vierte Jahr in der Pilgerschaft
auf.

§. 13.

Nach dieser ihrem Abzuge fasten die Russen von Plescekowe einen Unwil-
len gegen ihren König Woldemar, und zwar deswegen, weil er seine Prinzeßin
dem Bruder des Bischofs in Riga t) zur Gemahlin gegeben; daher sie ihn mit
samt seiner Familie aus der Stadt jagten; dieser wandte sich zu dem König von
Ploscekowe u), erhielt aber schlechten Trost von ihm. Deswegen fuhr er nach
Riga samt seinen Leuten hinunter, und ward von seinem Schwiegersohn und
Angehörigen des Bischofs mit allen Ehrenbezeigungen aufgenommen.

t) Dietrichen, der deswegen Wlodimirs Schwiegersohn heist.
u) Hier siehet man wieder, daß Plescow von Polocz an der Düne unterschieden sey,
ob es gleich fast auf eine Art geschrieben ist; beydes aber den Russen gehöret habe.
Und obgleich letzteres heutiges Tages zu Litthauen gerechnet wird, so bewohnen doch
noch bis jetzo die Russen den ganzen Strich Landes bis Kiow. Jch führe hier Me-
choven
zum Zeugen an, der libr. 2. c. 3. p. 146. also schreibet: Jn den andern herum-
liegenden Provinzen, als, in Novogrod, Plescow, Polocz, Smolensko, und
gegen Mittag bis Kiow sind alles Russen und reden auch Rußisch oder Sclavo-
nisch.
Sie behalten die Griechischen Gebräuche, und leisten dem Patriarchen zu Con-
stantinopel
kirchlichen Gehorsam.
Des Bischof Alberts vierzehntes Jahr,
vom Jahr Christi 1211 bis 1212.
§. 1.

Es war das tausend zweyhundert und eilfte Jahr nach der Menschwerdung1211
unsers HErrn, und der Anfang des vierzehnten unsers Bischofs, da die
Kirche in Liefland sich über desselben (abermaliger) Ankunft mit seinen
Pilgern freuete. Alle zogen mit dem König Woldemar ihm entgegen,
und empfingen ihn mit Lobgesängen zu GOtt. Der Bischof gab dem König sei-
nen Segen und Geschenke in Liebe von allem, so er aus Deutschland mit ge-
bracht, ließ auch mit eifriger Hochachtung ihn in allen Stücken hinlänglich bedie-
nen. Die Esthen kamen hierauf aus allen an der See gelegnen Provinzen mit
einem starken Heere, lagerten sich in Coiwemunde, und hatten Sigfriden, ei-
nen Abgeordneten aus Riga, bey sich, den sie auf erhaltene Nachricht von des Bi-
schofs und der Fremden Ankunft, wieder nach Riga zurückschickten, nachdem sie
ihm unterschiedene Marter a) angethan hatten. Sie selbst machten sich bald wieder
aus dem Staube, und kehrten nach ihrem Lande. Hierauf schickten die Liven
und Letten Boten nach Esthland, und riethen ihnen, sie solten den unter ihnen
getroffenen Frieden erneuren. Die Esthen freueten sich, und schickten mit ihnen
ihre Leute wieder nach Thoreida. Der Bischof samt den Brüdern der Ritterschaft,
und den Landesältesten von Riga wurden eingeladen, und besprachen sich mit den
Abgeordneten der Esthen, untersuchten dabey, was recht sey, und woher die
vielen Kriege entstanden. Nach vielen Wortwechsel ward endlich ein dreyjähriger
Friede durchgängig geschlossen. Doch blieben die Saccalaner bis an den
Palastrom unter des Bischofs und der Deutschen Botmäßigkeit, damit sie,
weil sie bey Auslieferung der Geisseln sich anheischig gemacht den Christlichen
Glauben anzunehmen, auch des angenommenen Taufrechts und Christenthums

recht
B b

von 1210 bis 1211.
zuruͤck nach Deutſchland; Philipp Biſchof von Ratzeburg blieb in Riga1210
nach, der an dem Hofe des Kaiſers Otto einer der vornehmſten Miniſter geweſen;
wie aber gegen ihn die Achtserklaͤrung ergangen war, hielt er ſich, um nicht um
dieſen Herrn herum zu ſeyn, in Liefland bis ins vierte Jahr in der Pilgerſchaft
auf.

§. 13.

Nach dieſer ihrem Abzuge faſten die Ruſſen von Pleſcekowe einen Unwil-
len gegen ihren Koͤnig Woldemar, und zwar deswegen, weil er ſeine Prinzeßin
dem Bruder des Biſchofs in Riga t) zur Gemahlin gegeben; daher ſie ihn mit
ſamt ſeiner Familie aus der Stadt jagten; dieſer wandte ſich zu dem Koͤnig von
Ploſcekowe u), erhielt aber ſchlechten Troſt von ihm. Deswegen fuhr er nach
Riga ſamt ſeinen Leuten hinunter, und ward von ſeinem Schwiegerſohn und
Angehoͤrigen des Biſchofs mit allen Ehrenbezeigungen aufgenommen.

t) Dietrichen, der deswegen Wlodimirs Schwiegerſohn heiſt.
u) Hier ſiehet man wieder, daß Pleſcow von Polocz an der Duͤne unterſchieden ſey,
ob es gleich faſt auf eine Art geſchrieben iſt; beydes aber den Ruſſen gehoͤret habe.
Und obgleich letzteres heutiges Tages zu Litthauen gerechnet wird, ſo bewohnen doch
noch bis jetzo die Ruſſen den ganzen Strich Landes bis Kiow. Jch fuͤhre hier Me-
choven
zum Zeugen an, der libr. 2. c. 3. p. 146. alſo ſchreibet: Jn den andern herum-
liegenden Provinzen, als, in Novogrod, Pleſcow, Polocz, Smolensko, und
gegen Mittag bis Kiow ſind alles Ruſſen und reden auch Rußiſch oder Sclavo-
niſch.
Sie behalten die Griechiſchen Gebraͤuche, und leiſten dem Patriarchen zu Con-
ſtantinopel
kirchlichen Gehorſam.
Des Biſchof Alberts vierzehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1211 bis 1212.
§. 1.

Es war das tauſend zweyhundert und eilfte Jahr nach der Menſchwerdung1211
unſers HErrn, und der Anfang des vierzehnten unſers Biſchofs, da die
Kirche in Liefland ſich uͤber deſſelben (abermaliger) Ankunft mit ſeinen
Pilgern freuete. Alle zogen mit dem Koͤnig Woldemar ihm entgegen,
und empfingen ihn mit Lobgeſaͤngen zu GOtt. Der Biſchof gab dem Koͤnig ſei-
nen Segen und Geſchenke in Liebe von allem, ſo er aus Deutſchland mit ge-
bracht, ließ auch mit eifriger Hochachtung ihn in allen Stuͤcken hinlaͤnglich bedie-
nen. Die Eſthen kamen hierauf aus allen an der See gelegnen Provinzen mit
einem ſtarken Heere, lagerten ſich in Coiwemunde, und hatten Sigfriden, ei-
nen Abgeordneten aus Riga, bey ſich, den ſie auf erhaltene Nachricht von des Bi-
ſchofs und der Fremden Ankunft, wieder nach Riga zuruͤckſchickten, nachdem ſie
ihm unterſchiedene Marter a) angethan hatten. Sie ſelbſt machten ſich bald wieder
aus dem Staube, und kehrten nach ihrem Lande. Hierauf ſchickten die Liven
und Letten Boten nach Eſthland, und riethen ihnen, ſie ſolten den unter ihnen
getroffenen Frieden erneuren. Die Eſthen freueten ſich, und ſchickten mit ihnen
ihre Leute wieder nach Thoreida. Der Biſchof ſamt den Bruͤdern der Ritterſchaft,
und den Landesaͤlteſten von Riga wurden eingeladen, und beſprachen ſich mit den
Abgeordneten der Eſthen, unterſuchten dabey, was recht ſey, und woher die
vielen Kriege entſtanden. Nach vielen Wortwechſel ward endlich ein dreyjaͤhriger
Friede durchgaͤngig geſchloſſen. Doch blieben die Saccalaner bis an den
Palaſtrom unter des Biſchofs und der Deutſchen Botmaͤßigkeit, damit ſie,
weil ſie bey Auslieferung der Geiſſeln ſich anheiſchig gemacht den Chriſtlichen
Glauben anzunehmen, auch des angenommenen Taufrechts und Chriſtenthums

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[97/0129] von 1210 bis 1211. zuruͤck nach Deutſchland; Philipp Biſchof von Ratzeburg blieb in Riga nach, der an dem Hofe des Kaiſers Otto einer der vornehmſten Miniſter geweſen; wie aber gegen ihn die Achtserklaͤrung ergangen war, hielt er ſich, um nicht um dieſen Herrn herum zu ſeyn, in Liefland bis ins vierte Jahr in der Pilgerſchaft auf. 1210 §. 13. Nach dieſer ihrem Abzuge faſten die Ruſſen von Pleſcekowe einen Unwil- len gegen ihren Koͤnig Woldemar, und zwar deswegen, weil er ſeine Prinzeßin dem Bruder des Biſchofs in Riga t⁾ zur Gemahlin gegeben; daher ſie ihn mit ſamt ſeiner Familie aus der Stadt jagten; dieſer wandte ſich zu dem Koͤnig von Ploſcekowe u⁾ , erhielt aber ſchlechten Troſt von ihm. Deswegen fuhr er nach Riga ſamt ſeinen Leuten hinunter, und ward von ſeinem Schwiegerſohn und Angehoͤrigen des Biſchofs mit allen Ehrenbezeigungen aufgenommen. t⁾ Dietrichen, der deswegen Wlodimirs Schwiegerſohn heiſt. u⁾ Hier ſiehet man wieder, daß Pleſcow von Polocz an der Duͤne unterſchieden ſey, ob es gleich faſt auf eine Art geſchrieben iſt; beydes aber den Ruſſen gehoͤret habe. Und obgleich letzteres heutiges Tages zu Litthauen gerechnet wird, ſo bewohnen doch noch bis jetzo die Ruſſen den ganzen Strich Landes bis Kiow. Jch fuͤhre hier Me- choven zum Zeugen an, der libr. 2. c. 3. p. 146. alſo ſchreibet: Jn den andern herum- liegenden Provinzen, als, in Novogrod, Pleſcow, Polocz, Smolensko, und gegen Mittag bis Kiow ſind alles Ruſſen und reden auch Rußiſch oder Sclavo- niſch. Sie behalten die Griechiſchen Gebraͤuche, und leiſten dem Patriarchen zu Con- ſtantinopel kirchlichen Gehorſam. Des Biſchof Alberts vierzehntes Jahr, vom Jahr Chriſti 1211 bis 1212. §. 1. Es war das tauſend zweyhundert und eilfte Jahr nach der Menſchwerdung unſers HErrn, und der Anfang des vierzehnten unſers Biſchofs, da die Kirche in Liefland ſich uͤber deſſelben (abermaliger) Ankunft mit ſeinen Pilgern freuete. Alle zogen mit dem Koͤnig Woldemar ihm entgegen, und empfingen ihn mit Lobgeſaͤngen zu GOtt. Der Biſchof gab dem Koͤnig ſei- nen Segen und Geſchenke in Liebe von allem, ſo er aus Deutſchland mit ge- bracht, ließ auch mit eifriger Hochachtung ihn in allen Stuͤcken hinlaͤnglich bedie- nen. Die Eſthen kamen hierauf aus allen an der See gelegnen Provinzen mit einem ſtarken Heere, lagerten ſich in Coiwemunde, und hatten Sigfriden, ei- nen Abgeordneten aus Riga, bey ſich, den ſie auf erhaltene Nachricht von des Bi- ſchofs und der Fremden Ankunft, wieder nach Riga zuruͤckſchickten, nachdem ſie ihm unterſchiedene Marter a⁾ angethan hatten. Sie ſelbſt machten ſich bald wieder aus dem Staube, und kehrten nach ihrem Lande. Hierauf ſchickten die Liven und Letten Boten nach Eſthland, und riethen ihnen, ſie ſolten den unter ihnen getroffenen Frieden erneuren. Die Eſthen freueten ſich, und ſchickten mit ihnen ihre Leute wieder nach Thoreida. Der Biſchof ſamt den Bruͤdern der Ritterſchaft, und den Landesaͤlteſten von Riga wurden eingeladen, und beſprachen ſich mit den Abgeordneten der Eſthen, unterſuchten dabey, was recht ſey, und woher die vielen Kriege entſtanden. Nach vielen Wortwechſel ward endlich ein dreyjaͤhriger Friede durchgaͤngig geſchloſſen. Doch blieben die Saccalaner bis an den Palaſtrom unter des Biſchofs und der Deutſchen Botmaͤßigkeit, damit ſie, weil ſie bey Auslieferung der Geiſſeln ſich anheiſchig gemacht den Chriſtlichen Glauben anzunehmen, auch des angenommenen Taufrechts und Chriſtenthums recht 1211 B b

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/129>, abgerufen am 22.12.2024.